# taz.de -- Schuldenkrise in Griechenland: Die fetten Zeiten sind vorüber
       
       > Jedes vierte Geschäft in der Athener Innenstadt musste in den letzten
       > anderthalb Jahren schließen. Wie der griechische Mittelstand versucht,
       > über die Runden zu kommen.
       
 (IMG) Bild: Alles muss raus: In Athens Geschäften fallen die Preise.
       
       ATHEN taz | Von der Krise wurde der Lederhändler Giorgos Sofronas kalt
       erwischt: Er müsse ab sofort den vollen Preis im Voraus bezahlen, sonst
       würden keine Waren mehr nach Griechenland geliefert, erklärte ihm neulich
       sein italienischer Handelspartner. Dabei machen die beiden seit zehn Jahren
       gute Geschäfte miteinander, Zahlungsschwierigkeiten hatte es nie gegeben.
       
       "Hast du denn kein Vertrauen mehr zu mir?", fragte der Grieche. "Ich
       vertraue dir, aber ich weiß nicht, ob ich dem griechischen Staat trauen
       kann", lautete die Antwort aus Italien. Während Lieferanten im Ausland
       immer ungeduldiger werden, habe die Zahlungsmoral der Kunden in
       Griechenland ihren Tiefstand erreicht, beklagt Sofronas.
       
       Von einem Geschäftspartner erhielt er neulich einen ungedeckten Scheck in
       Höhe von 5.000 Euro. Von einer Anzeige will er erst mal absehen, das bringe
       doch nichts, zumindest keinen Geldeingang. "Gerade in Krisenzeiten muss man
       auch mal abwarten können und nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen",
       resümiert der verprellte Gläubiger, aus der Not eine Tugend machend.
       
       ## Der eigene Laden als Lebenstraum
       
       Sofronas hat schon einige Krisen hinter sich. Mitten im Krieg wurde er auf
       dem Peloponnes geboren, mit dreizehn Jahren floh er vor der Armut nach
       Athen. Die Sekundarschule musste er ohne Abschluss verlassen, um als
       Tagelöhner zu arbeiten. Von seinen ersten Ersparnissen eröffnete er einen
       Krämerladen und schuftete Tag und Nacht, bis er in den siebziger Jahren den
       Traum seines Lebens verwirklichen konnte: Im prosperierenden
       Einkaufsviertel von Athen eröffnete er einen Kleinbetrieb zur
       Lederverarbeitung nebst Laden. Damenhandtaschen aus eigener Produktion
       wurden ein echter Verkaufsschlager.
       
       "Damals gab es im Großraum Athen über 800 ähnliche Betriebe", erinnert sich
       Giorgos Sofronas. "Heute sind vielleicht drei oder vier übriggeblieben."
       Auch Panagiotis Dumas kann sich noch gut an bessere Zeiten erinnern. Er
       stammt aus einer Textilfabrikantenfamilie, die noch in den siebziger Jahren
       groß im Geschäft war.
       
       Der Wohlstand des elterlichen Hauses erlaubte dem jungen Panagiotis, in
       Freiburg ein paar Semester Jura zu studieren und anschließend als
       Deckoffizier auf hoher See zu arbeiten, bevor er in den neunziger Jahren
       nach Griechenland zurückkam, um das kriselnde Familienunternehmen und das
       Textilgeschäft in Athen zu übernehmen.
       
       Aus Deutschland hatte er innovative Ideen für ein neues Konzept
       mitgebracht: Er wollte sich auf Übergrößen im gesamten Bekleidungssegment
       spezialisieren und frei Haus liefern. "Ich habe einen der ersten
       Online-Shops in Griechenland gegründet", erinnert er sich stolz. Jahrelang
       haben ihm seine Geschäftsideen Gewinne beschert, besonders ertragreich sei
       die Zeit vor den Olympischen Sommerspielen in Athen gewesen.
       
       ## Nach der Party kam der Kater
       
       Es hätte einfach das Gefühl vorgeherrscht, es sei viel Geld im Umlauf, sehr
       viel Geld - wie auf einer Megaparty. Doch nach der Party kam der Kater. Auf
       einmal machte ausländisches Kapital einen weiten Bogen um das Olympialand
       Griechenland. Die Staatsschulden nahmen überhand, Unsicherheit und
       Krisenstimmung machten sich breit. Innerhalb weniger Jahre rutschten die
       Umsätze in den Keller. 2010 musste Dumas seine Firma aufgeben.
       
       "Im Athener Zentrum musste bereits jedes vierte Geschäft schließen, weil
       die Leute wegen der Krise Einkommenseinschnitte hinnehmen müssen und kein
       Geld mehr zum Einkaufen haben", berichtet Panagis Karellas, Vorsitzender
       der Athener Handelskammer. Steuererhöhungen und widersprüchliche
       Entscheidungen der Politiker machten die Sache nur noch schlimmer. Und als
       wäre das alles nicht genug, hätten die gewaltsamen Ausschreitungen der
       letzten Jahre auch viele Kunden und Einwohner aus der Stadtmitte
       vertrieben, resümiert Karellas.
       
       Panagiotis Dumas ist ebenfalls weggezogen. Jetzt versucht er einen
       Neuanfang als Inhaber eines Telefonladens und Franchisenehmer einer großen
       Mobilfunkfirma im Athener Stadtteil Ampelokipoi. Dafür musste der ehemalige
       Textilunternehmer wieder von vorne anfangen. "Erstmals nach fünfzehn Jahren
       habe ich als einfacher Verkäufer arbeiten müssen, wenn auch nur für einen
       Monat. Ich sollte ja dem Franchisegeber beweisen, dass ich wirklich etwas
       verstehe von diesem Job", berichtet er lächelnd.
       
       Den Politikern gibt der junge Familienvater eine Mitschuld an der
       Wirtschaftsmisere des Landes. Nicht nur weil die Finanzen aus dem Ruder
       gelaufen sind, sondern weil der Staat schon immer unzuverlässig war und auf
       Kosten der Bürger wirtschaftete.
       
       ## Der Staat zahlt nicht
       
       "Privatunternehmer leiden auch deswegen unter Geldsorgen, weil der Staat
       eigene Rechnungen nie pünktlich bezahlt", sagt Dumas. Schon Ende der
       siebziger Jahre habe seinem Familienbetrieb wegen unbezahlter Rechnungen
       viel Geld gefehlt. "Für eine Lieferung im Jahr 1977 wurden wir erst 1996
       bezahlt", empört sich Dumas.
       
       Sein Geschäft neu ordnen will auch der Lederhändler Giorgos Sofronas. Am
       liebsten würde er den Verarbeitungsbetrieb modernisieren, seine
       Produktionskapazitäten erweitern und irgendwann eigene Produkte in kleinen
       Mengen nach Europa exportieren. Das Exportgeschäft sei der einzige Weg aus
       der Krise. Doch dafür fehle ihm das nötige Kapital.
       
       Also geht es erst einmal darum, das Geschäft zu konsolidieren. Bei einem
       krisenbedingten Umsatzrückgang von 20 Prozent gehören alle Ausgaben auf den
       Prüfstand, aber mehr als schon geschehen könne er eigentlich auch nicht
       mehr kürzen, sagt Sofronas. In seinem Handwerksbetrieb arbeiten nur vier
       Angestellte, auf die er nicht verzichten kann. Im Laden kann er sich
       sowieso kein Personal leisten, da muss die ganze Familie mithelfen.
       Immerhin spart er sich dadurch die Erfahrung, Leute entlassen zu müssen.
       
       "Im Handel werden noch viele Arbeitsplätze gestrichen", glaubt Sofronas.
       Neulich habe ihn ein Kollege um Rat gefragt. Weil sein Laden schlecht
       läuft, müsste er eigentlich zwei Menschen entlassen, die seit fast fünfzehn
       Jahren für ihn arbeiten. Vor allem bei einer älteren Frau habe er Skrupel,
       weil sie zwei Kinder hat und ihr Mann arbeitslos ist. "Der Kollege hat mich
       gefragt, was er tun soll", sagt Sofronas. "Ehrlich gesagt, ich weiß es auch
       nicht."
       
       30 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Papadimitriou
       
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