# taz.de -- Biokraftstoffe: Sonnen-Diesel im Schatten
       
       > Die Firma Choren im sächsischen Freiberg ist insolvent. Nun wachsen
       > Zweifel an der Kraftstoffherstellung mit Hilfe der Biomasseverflüssigung.
       
 (IMG) Bild: Stolz präsentiert Angela Merkel ein Fläschchen mit Sun-Diesel (Archivfoto vom 17. April 2008).
       
       DRESDEN taz | Im April 2008 war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit
       großem Gefolge ins sächsische Freiberg gepilgert, um sich ein
       "Schmuckstück" anzusehen, das in der Welt einmalig sei. Die Choren
       Industries GmbH präsentierte eine Pilotanlage, die aus Holzabfällen und
       Biomassen aller Art hochwertigen "Sun-Diesel" herstellen sollte.
       
       Im Juli dieses Jahres platzte der Traum, Choren musste Insolvenz anmelden.
       Und zwei Monate danach ist weiterhin fraglich, ob in Freiberg jemals
       Biokraftstoff für den Markt produziert werden wird.
       
       Ein MDR-Beitrag im ARD-Magazin "Plusminus" hatte Ende August auf
       fragwürdige Hintergründe aufmerksam gemacht. Ein Sprecher des
       Insolvenzverwalters Bruno M. Kübler bezeichnet ihn zwar als "pure
       Sensationsmache", er bestätigt aber, dass Choren nie über den Stand einer
       Demonstrationsanlage hinausgekommen ist.
       
       18 Millionen Liter Sun-Diesel pro Jahr sollen immerhin produziert worden
       sein. Doch weder dessen Herstellungskosten noch die Technologie erscheinen
       momentan beherrschbar. Der Ölkonzern Shell stieg schon 2009 als
       Gesellschafter wieder aus. Als ihm im Juli VW und Daimler folgten, war die
       Insolvenz unvermeidlich. Rund 100 Millionen Euro wurden bislang investiert,
       davon 30 Millionen Fördermittel.
       
       Freiberg hätte der weltweit erste Standort werden können, an dem die
       Massenproduktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation gelingt. Bei
       diesem Verfahren, der Biomasseverflüssigung (Englisch: Biomass to Liquid,
       BtL), wird die gesamte Pflanze zur Kraftstoffgewinnung verwendet.
       
       Doch dem Choren-Versuch liegen offenbar ökonomische Fehlkalkulationen
       zugrunde. Die MDR-Recherchen machen gestiegene Holzpreise für die
       derzeitige Unwirtschaftlichkeit solcher Anlagen mitverantwortlich.
       Unbestritten ist auch, dass Holzabfälle und sonstige Biomasse nur begrenzt
       zur Verfügung stehen, will man nicht gewaltige Flächen für Nutzpflanzen
       anlegen.
       
       ## Engpässe überbrücken
       
       Ein internes Papier des Insolvenzverwalters verbreitet dennoch Optimismus.
       Industriell hergestellter BtL-Sprit würde nicht mehr als 1 bis 1,50 Euro je
       Liter kosten. Eigene Anpflanzungen könnten Engpässe bei der
       Rohstofflieferung überbrücken. Die ökologischen Vorteile von
       BtL-Kraftstoffen würden auch den Markt überzeugen.
       
       Zugeschrieben werden sie vor allem der Freiberger Carbo-V-Technologie. Aus
       verdichteter Biomasse wird ein Synthesegas hergestellt, das wiederum zu
       Kraftstoff verflüssigt wird, der mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren
       kompatibel ist.
       
       Fast vergessen ist, dass schon 2003 ebenfalls in Freiberg die damalige
       Firma Future Energy ein ähnliches Verfahren vorstellte. Gemeinsam mit dem
       Forschungszentrum Karlsruhe, heute KIT, entwickelten sie eine angeblich
       marktreife Technologie.
       
       Doch die Nachfolgefirma, die heute zum Siemens-Konzern gehört, hat diesen
       Weg offenbar aufgegeben und verkauft inzwischen sehr erfolgreich auf der
       Basis eines schon in der DDR entwickelten Flugstromvergasers
       Kohleverflüssigungsanlagen vor allem nach Asien.
       
       ## Eine Pilotanlage
       
       Die Firma forscht weiter an Biokraftstoffen und baut gerade für 60
       Millionen Euro eine eigene Pilotanlage in Karlsruhe. Aber eben nur eine
       Pilotanlage.
       
       Der Choren-Insolvenzverwalter räumt ein, dass man für die komplexe
       Technologie einen langen Atem brauche. Die Anlage in Freiberg habe ihre
       grundsätzliche Funktionsfähigkeit bewiesen und böte gute Chancen, "binnen
       weniger Monate einen stabilen Betrieb der Gasproduktion zu erreichen".
       
       "Eine Insolvenz stellt noch nicht die ganze Technologie infrage", warnt
       auch Joachim Fuchs vom KIT. Nun wird ein Investor gesucht, der 300
       Arbeitsplätze rettet und vor allem an den Erfolg des Carbo-V-Verfahrens
       glaubt.
       
       ## Sehr schlechter Wirkungsgrad
       
       ## 
       
       Der Biologe Stefan Klotz vom Umweltforschungszentrum Leipzig zieht hingegen
       die Produktion von Biosprit generell in Zweifel. Die über die Photosynthese
       in Biomasse gespeicherte Sonnenenergie werde nur mit einem Wirkungsgrad von
       weniger als 1 Prozent genutzt. Dafür extra Pflanzen anzubauen und diese
       anschließend zu verheizen sei eine "Sackgasse".
       
       Wenn Öl und Kohle zur Neige gehen, wären Pflanzen sinnvoller als Basis
       vieler hochmolekularer Kunststoffe einzusetzen.
       
       12 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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