# taz.de -- Schluss mit Regieren für die Linke: Eine dritte Chance gibt's diesmal nicht
       
       > Rot-Rot in der Hauptstadt ist beendet. Schuld sei der fehlende Rückenwind
       > durch die Parteiführung, sagt Spitzenkandidat Harald Wolf.
       
 (IMG) Bild: Ob sie es noch lange zusammen machen?
       
       BERLIN taz | Es ist eine Scheidung mit Ansage. Und doch, als die ersten
       Hochrechnungen einlaufen, fällt bei der Wahlparty der Linken der Applaus
       sehr zögerlich aus und Ärger macht sich breit. 11,5 Prozent, das sind gut 2
       Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Aber sie bedeuten letztlich das
       Ende von zehn Jahren Rot-Rot in der Hauptstadt. Das Ergebnis bedeutet aber
       auch, dass nun die Unsicherheit noch weiter wächst, ob und wie die gesamte
       Partei nach Monaten der Selbstzerfleischung und mit diesem Wahlergebnis
       wieder politisch zu Kräften kommen wird.
       
       Hunderte AnhängerInnen sind ins Kino Kosmos gekommen, gelegen an der
       Karl-Marx-Allee, gutes altes Ostberlin. Die Hälfte der Anwesenden sind
       junge Leute, viele haben ein Bier in der Hand, Wiener und belegte Schrippe
       kosten einsfünfzig. Im Hintergrund läuft Jazzmusik. Bleiben oder gehen -
       das war die Frage dieses Abends. Nun also gehen. Die Berlinerinnen und
       Berliner haben den Linkssozialisten per Wahlzettel zu verstehen gegeben,
       dass sie sich eine neue Regierung für ihre Stadt wünschen.
       
       Der spröde Spitzenkandidat, Wirtschaftssenator Harald Wolf, macht für das
       schlechte Abschneiden den fehlenden Rückenwind durch die Bundespartei
       verantwortlich. Das sei auch der Grund, warum man in den zurückliegenden
       Landtagswahlen hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Das Ergebnis
       werde man nun "diskutieren und Schlussfolgerungen ziehen". Gemeint ist
       damit wohl das umstrittenen Führungsduo Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.
       Zugleich gibt Wolf die Richtung für die kommenden Jahre vor: "Wir haben in
       zehn Jahren gelernt, zu regieren, aber wir haben in zehn Jahren nicht
       verlernt, zu opponieren. Wir kommen wieder."
       
       ## Gefahr einer "Zerreißprobe" für die Bundespartei
       
       Auch Gregor Gysi, Chef der Bundestagsfraktion, meint: "Wir sind auch gut
       als Oppositionspartei." Die Linkspartei habe eine gute Arbeit gemacht und
       dafür gesorgt, dass Ost- und Westberlin zusammenwachsen. Anders als "die
       CDU, der bis heute noch keiner erklärt hat, dass die Mauer nicht mehr
       steht". Dennoch, auch Gysi kritisiert, die Partei habe sich in den
       vergangenen Monaten zu viel mit sich selbst beschäftigt. Daraus müsse man
       für die Zukunft lernen.
       
       Dagmar Enkelmann, Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag, sieht
       sogar die Gefahr einer "Zerreißprobe" für die Bundespartei. Nach diesem
       schwachen Berliner Wahlergebnis, so Enkelmann, stelle sich die Frage, wohin
       sich die Partei ausrichtet: "Die Mehrheiten dafür sind gar nicht so klar."
       
       Klar ist: Das Führungsduo der Linken ist nach diesem Wahlergebnis kaum noch
       zu halten. Gesine Lötzsch und Klaus Ernst hatten den Berlinern wie zuvor
       schon den Genossen in Mecklenburg-Vorpommern einen unerfreulichen Wahlkampf
       beschert - und das in der Hochburg der Partei, wo in den letzten zehn
       Jahren auf die Ostberliner Stammwähler noch immer Verlass war. Diesmal
       haben sie sich selbst dort abgewandt: 5,6 Prozentpunkte hat die Linke
       verloren. Denn ob Kommunismus- und Mauerbaudebatte oder der
       Geburtstagsbrief an Fidel Castro - die Parteispitze erwies sich immer
       wieder als unfähig, innere und äußere Konflikte zu lösen und zu moderieren.
       Das lastet ihnen die Basis an, nicht nur in der Hauptstadt.
       
       Im Kino an der Karl-Marx-Allee sagt Gesine Lötzsch zu ihren GenossInnen:
       "Wir haben gezeigt, dass wir auch mit Niederlagen umgehen können. Wir
       lassen uns nicht auseinanderdividieren." Ob sie damit sich und Ernst meint,
       bleibt unklar. Die Parteivorsitzende endet mit einem jener Sätze, wie man
       sie noch aus der DDR kennt: "Wir werden kritisch und selbstkritisch
       hinterfragen müssen, was hier eigentlich passiert ist."
       
       Klaus Ernst reagiert sehr belustigt auf die Frage, wie viel Zeit er sich
       noch an der Parteispitze gibt. "Diese Frage ist einfach Quatsch", sagt er,
       darauf müsse er nicht antworten. Dann verschwindet er mit seiner Begleitung
       in die Berliner Nacht.
       
       Doch spätestens wenn sich die Linke in fünf Wochen zu ihrem
       Programmparteitag in Erfurt trifft, wird die Frage erneut im Raum stehen.
       Dann wird es für Lötzsch und Ernst richtig ungemütlich. Vorausgesetzt, sie
       reisen dann überhaupt noch als Vorsitzende an.
       
       Mitarbeit: Plutonia Plarre
       
       18 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
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