# taz.de -- Hinrichtung Troy Davis: "Ich bin unschuldig"
       
       > Troy Davis ist tot. Gegen seine Hinrichtung hatten Hunderttausende
       > protestiert – darunter Jimmy Carter und der Papst. Es bleiben die Zweifel
       > an seiner Schuld.
       
 (IMG) Bild: Im Zweifel für den Zweifel.
       
       WASHINGTON taz | Um 23.08 Uhr (5:08 Uhr in Deutschland) ist Troy Davis tot.
       Als er bereits angeschnallt auf der Bahre ist, hebt er den Kopf, um drei
       letzte Botschaften zu sagen. Zu dem Sohn und dem Bruder des 22 Jahre zuvor
       ermordeten Polizisten: "Ich bedauere Euren Verlust. Ich bin unschuldig. Ich
       hatte keine Waffe." Zu seinen Angehörigen: "Grabt weiter nach der Wahrheit.
       Arbeitet. Und betet." Und zu seinen Gefängniswärtern: "Möge Gott Erbarmen
       mit Eurer Seele haben". Um 22.53 blinzeln seine Augen ein letztes Mal. Um
       22.54 kommt ein Gähnen aus seinem Mund. Um 22.58 verliert er das
       Bewußtsein.
       
       Während dem 42jährigen Afro-Amerikaner im Gefängnis von Jackson, südlich
       von Atlanta, im Bundesstaat Georgia, der tödliche Cocktail gespritzt wird,
       beten und singen Hunderte von Menschen vor den Gefängnistoren. Halten
       Kerzen in Händen. Und umarmen sich. Andere Demonstranten sind vor dem
       Obersten Gericht der USA in Washington versammelt. In den vorausgegangenen
       vier Stunden haben auch sie ein letztes mal für die Rettung von Davis'
       Leben demonstriert. Mit Schildern, auf denen steht: "Zu viele Zweifel".
       Und: "Nicht in meinem Namen".
       
       Mehrere Fernsehsender berichteten live von dem Gefängnisvorplatz in Georgia
       und vom Vorplatz des Obersten Gerichtes in der US-Hauptstadt Washington.
       Während des Wartens auf die Hinrichtung äußerte sich Anneliese MacPhail auf
       CNN. Die 77jährige Mutter des ermordeten Polizisten sagte, sie sei in den
       vergangenen Jahren "durch die Hölle gegangen". Davis verdiene "es".
       
       Auf den Nachrichtensendern, wo sonst Journalisten in schneller Folge
       Sensationsmeldungen und Unterhaltung aneinanderreihen, gab es an diesem
       Abend des langen Wartens nur ein einziges Thema. Der Ton war ungewöhnlich
       verhalten. Auf CNN sagte eine Justizreporterin mit belegter Stimme: "Wir
       müssen in uns gehen und nachdenken".
       
       ## Mord an einem weißen Polizisten
       
       Troy Davis wurde im Jahr 1991 für einen Mord an einem weißen Polizisten zum
       Tode verurteilt. Davis soll im Sommer 1989 in der Stadt Savannah den
       27jährigen Mark MacPhail mit Schüssen in Herz und Gesicht getötet haben.
       Der Polizist hatte versucht, einem Obdachlosen, der in einer Bushaltestelle
       verprügelt wurde, zu helfen.
       
       Davis, der vom ersten Moment an seine Unschuld beteuert, hat zwei
       Jahrzehnte lang gegen seine Verurteilung gekämpft. Dreimal wurden
       Hinrichtungstermine im letzten Moment verschoben. Anfang dieser Woche
       lehnte der Gnadenausschuß von Georgia die Umwandlung in "lebenslänglich"
       ab.
       
       Damit war eigentlich die allerletzte Instanz erschöpft. Doch am
       Mittwochabend kündigten Davis' Anwälte eine neue Berufung an: Wenige
       Minuten vor der ursprünglich für 19 Uhr terminierten Hinrichtung bitten sie
       das Oberste Gericht um eine vorübergehende Aussetzung.
       
       ## Jimmy Carter, Desmond Tutu, der Papst, ein Ex-FBI-Direktor
       
       Vier Stunden später setzt das Gefängnis in Georgia, das dazu nicht
       gesetzlich verpflichtet ist, die Hinrichtung aus. Unterdessen wird eine
       Petition von Gefängnisdirektoren bekannt, mit dabei auch der ehemalige Chef
       des Gefängnises von Jackson. Die Unterzeichnenden plädieren dafür, Davis
       wegen der Zweifel an seiner Schuld nicht zu töten.
       
       Zuvor schon hatten sich Hunderttausende aus aller Welt mit Demonstrationen
       und Unterschriften für Davis eingesetzt. Unter ihnen sind Ex-Präsident
       Jimmy Carter, der südafrikanische Bischof Desmond Tutu, der Papst, ein
       früherer Direktor des FBI, Bürgerrechtler, sowie mehrere US-Politiker, die
       ansonsten die Todesstrafe verteidigen.
       
       Besonders schwere Zweifel an Davis Schuld nähren die Rückzieher von sieben
       der neun zivilen Belastungszeugen. Nach dem Schuldspruch erklärten sie
       einer nach dem anderen, dass die Polizei sie zu ihren Aussagen gedrängt
       habe. Unter diesen Zeugen sind mehrere junge Leute, die zum Tatzeitpunkt
       auf Bewährung in Freiheit waren, sowie der Obdachlose, dem der Polizist
       MacPhail hatte helfen wollen.
       
       ## Schlägerei an der Bushaltestelle: schlechte Beleuchtung
       
       Die Schlägerei in der Bushaltestelle hat nachts statt gefunden. Bei
       schlechter Beleuchtung. Materielle Beweise, eine Tatwaffe oder
       Fingerabdrücke sind nie aufgetaucht. Einzige Grundlage für die Verurteilung
       von Davis sind die Zeugenaussagen. Nachdem sie weggebrochen waren,
       erklärten mehrere Geschworene, dass sie Davis angesichts der neuen Sachlage
       nicht mehr schuldig sprechen würden.
       
       Und dann noch die junge Frau, die mit einer Enthüllung erst zum
       Gnadenausschuß und dann an die Medien ging. Viereinhalb Stunden vor dem
       geplanten Hinrichtungstermin sagte Quianna Glover auf CNN, dass sie auf
       einer Party einen Mann gehört habe, der im volltrunkenen Zustand erzählte,
       dass er den Polizisten erschossen habe. Sie nennt den Namen des Mannes.
       
       Er ist einer der beiden verbliebenen Belastungszeugen. Die Frau, die zum
       Zeitpunkt der Schlägerei erst fünf Jahre alt war, sagt auf CNN, dass der
       Belastungszeuge sie bedroht habe. Und dass sie sich deswegen mit ihren
       Kindern verstecke. Doch angesicht der bevorstehenden Hinrichtung von Davis
       zwinge ihr Gewissen sie dazu, auzupacken.
       
       Für Davis jedoch ist alles zu spät. Das Oberste Gericht lehnte den Aufschub
       ab.
       
       22 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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