# taz.de -- "Land Grabbing": Ein Gebiet so groß wie Westeuropa
       
       > Seit dem Jahr 2007 steigen die Lebensmittelpreise an. Seither hat auch
       > das "land grabbing" zugenommen. Auf solchen Ländereien wird oft für
       > ausländische Märkte produziert.
       
 (IMG) Bild: Nicht nur wegen Heuschrecken wird die Nahrung immer knapper.
       
       BERLIN taz | Christine (Name geändert) und ihr Mann bauten auf ihrem Land
       in Uganda mehr als 20 Jahre lang genug Lebensmittel für sich und ihre acht
       Kinder an. Die Familie erntete auf ihren sechs Hektar sogar so viel, dass
       sie Früchte auf dem Markt verkaufen und die Kinder zur Schule schicken
       konnte. Jetzt müssen sie auf einem Landstück leben, das zu klein ist, um
       die Familie zu ernähren. Christines Kinder essen oft nur einmal pro Tag und
       gehen nicht mehr zur Schule.
       
       Die Uganderin gehört der Entwicklungsorganisation Oxfam zufolge zu den mehr
       als 20.000 Menschen, die von ihrem Land in den Bezirken Kiboga und Mubende
       vertrieben wurden - damit die britische Holzfirma New Forests Company (NFC)
       dort Baumplantagen einrichtet. "Alle unsere Pflanzungen wurden zerstört.
       […] Wir haben alles verloren", zitiert Oxfam die ehemalige Bewohnerin des
       Dorfs Kayindiyindi in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht.
       
       Laut der Studie wurden in Entwicklungsländern seit 2001 bis zu 227
       Millionen Hektar, eine Fläche der Größe Westeuropas, vor allem an
       internationale Investoren verkauft oder verpachtet, der Großteil in den
       vergangenen zwei Jahren. Die Weltbank hatte den Umfang der Landgeschäfte
       von 1998 bis 2009 auf 85 Millionen Hektar beziffert.
       
       ## Nahrungsmittel- und Bioenergiemärkte
       
       Sehr oft solle auf dem Land für ausländische Nahrungsmittel- und
       Bioenergiemärkte produziert werden. Häufig könne von "land grabs" die Rede
       sein: Landnahmen, die zum Beispiel die Rechte der bisherigen Nutzer des
       Bodens verletzen. Solche Geschäfte haben laut Oxfam besonders nach dem
       rasanten Preisanstieg bei Lebensmitteln 2007 und 2008 zugenommen. Damals
       erkannten Anleger, wie zukunftssicher Investitionen in die Landwirtschaft
       sein können.
       
       Der Fall aus Uganda ist typisch: Meist berufen sich die Investoren auf
       einen Vertrag mit den örtlichen Machthabern. Die New Forests Company
       erklärt in dem Bericht, sie habe im Jahr 2005 von der ugandischen
       Nationalen Forstbehörde die Erlaubnis bekommen, das Land zu nutzen. Das Amt
       stellt die Zwangsräumungen als gerechtfertigt dar, weil die Bewohner
       illegal auf dem Land gelebt hätten.
       
       Die Betroffenen sind da anderer Meinung und zogen in Uganda vor Gericht.
       Viele von ihnen waren ihr ganzes Leben auf dem Land, das sie nun verlassen
       mussten. Manche argumentieren, das Regime des Diktators Idi Amin habe ihnen
       in den 1970er Jahren angeboten, dort zu siedeln. Das Gericht fand diese
       Punkte so glaubwürdig, dass es die Räumungen bis zu dem erwarteten Urteil
       untersagte.
       
       ## "Viele Leute wurden dabei geschlagen"
       
       Dennoch vertrieben Oxfam zufolge Soldaten und Polizisten weiter Menschen
       aus dem Gebiet. "Viele Leute wurden dabei geschlagen." Niemand habe
       Entschädigungen erhalten.
       
       Das bestreitet die NFC nicht. "Als Pächter ist es uns jedoch ausdrücklich
       verboten, Personen auf Regierungsland eine Kompensation anzubieten",
       schrieb die Firma an die Hilfsorganisation. Für Oxfam ist das "ein
       legalistischer Ansatz". Die Organisation fordert Investoren dazu auf, sich
       nicht auf die Zusagen von oft korrupten Regierungen zu verlassen. Die
       Firmen müssten selbst dafür sorgen, dass Menschenrechte wegen ihrer
       Investitionen nicht verletzt werden.
       
       Marita Wiggerthale, Agrarexpertin von Oxfam, verlangte, dass auch
       Gewohnheitsrechte von Menschen ohne formelle Besitztitel Vorrang vor
       Investoreninteressen haben sollten. Die Regierungen und Unternehmen müssten
       betroffene Kleinbauern, nomadische Viehzüchter und Ureinwohner vorab
       informieren und anhören. Auch die Europäische Union trage hier
       Verantwortung: "Potenziell entwicklungsschädliche Anreize für Landaufkäufe,
       wie die fehlgeleitete Biospritpolitik der EU, sollten abgeschafft werden",
       erklärte Wiggerthale.
       
       22 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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