# taz.de -- Rettungsschirm für Griechenland: Welche Kostümierung bleibt Merkel?
       
       > Äußerste Gefährdung durch Katastrophen und Rettung aus ihnen gehören in
       > unserer Vorstellungswelt zusammen. Eine Erklärung.
       
 (IMG) Bild: Die Kanzlerin im Wetterschutz-Outfit. Ein adäquater Look für RetterInnen?
       
       Wer einmal am Tresen einer deutschen Küstenstadt hängengeblieben ist, dem
       wird unweigerlich die Sammelbüchse aufgefallen sein, die die Deutsche
       Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger dort aufgestellt hat. Indem der
       Kneipenbesucher sein Portemonnaie zückt, lässt er, der sich in sicherem
       Port befindet, für einen Augenblick die Szenerie von Schiffbruch und
       Rettung aus tobender See an sich vorüberziehen. Er ist emotional berührt.
       Denn: Äußerste Gefährdung durch Katastrophen und Rettung aus ihnen gehören
       in unserer Vorstellungswelt zusammen.
       
       Für uns ist der Retter der Heros unserer Zeit. Er handelt selbstlos. Wenns
       sein muss, opfert er sich für uns. Zu Rettern sind nicht nur herausragende
       Persönlichkeiten bestellt, wie die Heroen der Antike, sondern Leute wie
       wir. Wie zum Beispiel die Retter am 11. September 2001.
       
       Jetzt heißt es, "Griechenland" müsse gerettet werden. Und nicht wenige
       Politiker greifen, um die Dimension der Rettungstat auszumalen, zu dem
       berühmten Vers aus dem Gedicht des Griechenlandverehrers Hölderlin, der da
       lautet: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch". An die Stelle von
       Jesus, den Hölderlin in seinem Gedicht Patmos im Sinn hatte, treten jetzt
       die drei Rettungsgötter: der Internationale Währungsfond, die EU und die
       Europäische Zentralbank.
       
       "Griechenland", kürzer: "die Griechen" sind es, die selbstverschuldet ins
       Schlamassel geraten sind, weshalb ihre Rettung aus purer Uneigennützigkeit
       erfolgt. Indem ein Staat oder eine ganze Nation zum Objekt der Rettung
       erklärt werden, erübrigt sich die Frage, wer genau eigentlich gerettet
       werden soll. Der Schilderung ihrer kollektiven Sündhaftigkeit, ihres
       verbrecherischen Leichtsinns mit geborgtem Geld, kann die edle Figur des
       Retters kontrastiert werden. Um die Staatspleite "Griechenlands" zu
       vermeiden, gilt es, so die drei Retter, einen "Rettungsschirm"
       aufzuspannen, unter dessen Schutz "die Griechen" heil durchs
       selbstverschuldete Unwetter kommen können. Aber das Bild vom Rettungsschirm
       versinnbildlicht nicht hinreichend die heroischen Anstrengungen der Retter.
       Sie haben ein ganzes Rettungspaket geschnürt, und dann noch eins, das sie
       "den Griechen" quasi als Rettungsring zuwerfen. Und sie tun dies, ohne
       Aussicht auf Lohn und Anerkennung.
       
       ## Hinter jeder Rettungstat steht Gott
       
       Die Rettungsmetapher bezieht ihre Kraft aus der religiösen Sphäre und ihrem
       Überleben in säkularen Zeiten. In der deutschen "Nationaldichtung", Goethes
       Faust, werden sowohl der Titelheld als auch seine verschmähte Liebe
       Gretchen von Gott gerettet, obwohl sie mehrere Mordtaten auf dem Gewissen
       haben. So verkünden es die Engel. Hinter jeder unbegreiflichen, aber
       dennoch gelungenen Rettungstat steht Gott, so wie es die Bild-Zeitung
       treffend ausdrückte, als sie anlässlich der Rettung der Bergleute von
       Lengede titelte: "Gott hat mitgeholfen". Eigentlich hätte es nach dem
       Willen der Bild-Leute sogar heißen müssen: "Gott hat mitgebohrt". Wir alle,
       also alle Menschen, sind der Rettung durch Gott anheimgegeben. Denn er hat
       dies durch den Kreuzestod seines Sohnes möglich gemacht. Und ein schwacher
       Abglanz dieser zukünftigen Rettung trifft auch die irdischen Rettungsväter
       im Fall Griechenlands.
       
       Dumm nur, dass aus der Verwendung des Rettungsmythos die Machteliten wenig
       Kapital schlagen können. Zu klar ist die Antwort auf die Fragen: Wem
       nutzts, wer zieht die Vorteile aus der Rettungstat und wer bezahlt sie.
       Nach der Katastrophe von Fukushima konnte der japanische Premier noch im
       Rettungsdress posieren. Welche Kostümierung bleibt Angela Merkel, der
       Retterin Griechenlands?
       
       27 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Semler
       
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