# taz.de -- Kommentar neues Wahlrecht: Ein Fall für Karlsruhe
       
       > Wir werden bei der nächsten Wahl auf der Grundlage eines umstrittenen
       > Wahlgesetzes wählen. Es liegt nahe, sich vom BGH eine Lösung zu erhoffen.
       
       Hurra, wir haben ein neues Wahlgesetz! Hurra? Zwar hat der Bundestag ein
       neues Wahlrecht beschlossen, aber nicht einstimmig, sondern mit knapper
       Mehrheit. Für die Akzeptanz ist das nicht gut.
       
       Richtig schlecht ist für die Akzeptanz, dass SPD und Grüne bereits eine
       Verfassungsklage gegen das neue Wahlgesetz angekündigt haben. Karlsruhe
       wird darüber kaum vor der nächsten Bundestagswahl entscheiden. Wir werden
       bei der nächsten Wahl also auf der Grundlage eines umstrittenen
       Wahlgesetzes wählen und können nur hoffen, dass das Ergebnis so eindeutig
       ist, dass es auf die strittigen Punkte nicht ankommt.
       
       Eigentliche Aufgabe des Bundestags war die Beseitigung des negativen
       Stimmgewichts. Der Wähler soll seiner Partei nicht schaden, wenn er sie
       wählt. Die Koalition sagt, der von Karlsruhe gerügte Effekt sei beseitigt.
       Wahlrechtsexperten sagen, er sei an anderer Stelle neu aufgetaucht. Hier
       sollte Karlsruhe das vorgelegte Ergebnis akzeptieren. Denn unser Wahlrecht
       ist so kompliziert, dass eine perfekte Lösung unmöglich ist.
       
       Hauptstreitpunkt waren im Bundestag jedoch die Überhangmandate. Sie können
       dazu führen, dass eine Koalition regiert, die weniger Stimmen erhalten hat
       als die Parteien der Opposition. Die Überhangmandate sollten deshalb
       abgeschafft oder ausgeglichen werden. Wenn der Bundestag dazu nicht in der
       Lage ist, liegt es nahe, vom Bundesverfassungsgericht eine Lösung zu
       erhoffen.
       
       Die obersten Demokratie-Schiedsrichter haben auch etwas gutzumachen. Als
       sie 1997 zuletzt über die Überhangmandate urteilten, gab es ein Patt mit
       vier zu vier Richterstimmen. Dabei votierten die Richter exakt entlang der
       parteipolitischen Linien, ein Tiefpunkt der Karlsruher Rechtsprechung. So
       etwas wird es unter dem aktuellen Präsidenten Andreas Voßkuhle, einem
       großen Konsenskünstler, sicher nicht geben.
       
       29 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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