# taz.de -- Wahlrechtsänderung in Ägypten: Militärrat gibt etwas nach
       
       > Der regierende Militärrat ist bei vielen Ägyptern nicht sehr hoch
       > angesehen. Jetzt gibt er nach und willigt in Änderungen des Wahlrechts
       > ein. Das reicht vielen aber nicht.
       
 (IMG) Bild: Vor allem der Jugend in Ägypten reicht das Entgegenkommen des Militärrats nicht aus.
       
       KAIRO taz | Der Zeitplan für die Wahlen in Ägypten steht - alles andere
       bleibt weiterhin unklar wie umstritten. Am Samstag trafen sich Vertreter
       von 13 Parteien mit dem herrschenden Militärrat. Dieser nahm daraufhin die
       Wahlrechtsänderung zurück, die er eine Woche zuvor verabschiedet hatte. Ein
       Drittel der Parlamentssitze wäre demnach für "unabhängige" Kandidaten
       reserviert gewesen. Die Parteienvertreter hatten befürchtet, dies würde
       Mitgliedern des alten Regimes die Rückkehr ins Parlament ermöglichen, und
       sie hatten mit einem Wahlboykott gedroht.
       
       Das nahmen sie jetzt zurück, doch ihre Vereinbarung mit dem Militärrat
       erntete scharfe Kritik von anderen Parteien und Gruppierungen sowie aus den
       eigenen Reihen. Zahlreiche Forderungen der Demokratiebewegung,
       argumentieren Kritiker, würden nicht erfüllt. So sagt der Militärrat
       lediglich zu, er werde eine Aussetzung der Notstandsgesetze "in Betracht
       ziehen".
       
       Die Notstandsgesetze waren am 10. September wieder in vollem Umfang in
       Kraft gesetzt worden. Seither kommt es täglich zu Demonstrationen und
       teilweise auch Streiks. Militärtribunale sollen der Vereinbarung nach nur
       noch in Fällen stattfinden, wo das Militärgesetz greift. Darunter war in
       der Vergangenheit jedoch bereits die Beleidigung von Soldaten gefallen.
       Seit der Revolution hat der Militärrat über 12.000 Zivilisten vor
       Militärtribunale gestellt.
       
       Die Parteien stimmen darüber hinaus zu, dass die neue Verfassung erst nach
       den Parlamentswahlen erarbeitet werden soll. Die Wahlen sollen am 28.
       November beginnen und in drei Runden stattfinden. Das neue Parlament soll
       im Januar zusammentreten, das Oberhaus, die Schura, im März. Dann soll eine
       Versammlung beider Kammern die verfassunggebende Versammlung wählen. Die an
       der Vereinbarung beteiligten Parteien, darunter die Partei für Freiheit und
       Gerechtigkeit der Muslimbrüder und die liberale Wafd-Partei befürworten ein
       solches Verfahren. Sie hoffen auf hohe Stimmengewinne und damit einen guten
       Stand bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung.
       
       ## Zu neuen Protesten aufgerufen
       
       Die Protestbewegung hatte seit Monaten gefordert, vor den Wahlen eine neue
       Verfassung auszuarbeiten. Doch nun sollen maßgebliche Prinzipien der
       Verfassung vorab festgelegt werden. Vor allem religiöse Gruppen wie die
       Muslimbrüder hatten sich dagegen gewehrt, weil zu diesen Prinzipien
       möglicherweise auch das eines säkulären Staats gehören wird. Kritiker aus
       zahlreichen Parteien sowie AktivistInnen werfen den Parteienvertretern vor,
       für wenige Zugeständnisse zahlreiche Forderungen aufzugeben, etwa eine
       Polizeireform, die vollständige Aufhebung der Notstandsgesetze oder die
       Abschaffung des Antistreikgesetzes. Sie rufen für Freitag zu neuen
       Demonstrationen auf.
       
       Protest gibt es auch von anderer Seite. Der Militärrat kündigt an, dass ein
       Teil der Mitglieder des alten Regimes für zwei Jahre von politischer
       Betätigung ausgeschlossen würde. Am Montag drohten daraufhin elf neue
       Parteien, die der alten Staatspartei NDP nahestehen, sie würden in diesem
       Fall Straßen und Verkehrswege blockieren.
       
       3 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) J. Schumacher
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Justiz in Ägypten: Khaled Said nur halb gesühnt
       
       Sieben Jahre in Haft müssen die Polizisten, die Khaled Said zu Tode
       prügelten und damit den Aufstand entfachten. Die Hinterbliebenen wollen ein
       neues Verfahren.
       
 (DIR) Kommentar Gewalt gegen Kopten in Ägypten: Mubarak ohne Mubarak
       
       Die Militärregierung unterbindet Kritik mit derselben Brutalität wie
       Mubarak. Auf das Militär gesetzt zu haben, ist einer hoher Preis, den die
       Revolutionäre jetzt zahlen.
       
 (DIR) Demokratiebewegung in Ägypten: Militärrat ändert das Wahlgesetz
       
       Die Führung in Ägypten beugt sich dem Druck von Parteien und streicht einen
       umstrittenen Artikel, der Politiker aus der Mubarak-Ära begünstigt hätte.
       
 (DIR) Demokratiebewegung in Ägypten: Militärrat zu Zugeständnissen bereit
       
       Der Zeitplan für den Übergang zu einer Zivilregierung in Ägypten steht: Der
       Militärrat präsentierte ihn am Samstag. Außerdem wurde eine Aufhebung des
       Ausnahmezustands in Aussicht gestellt.
       
 (DIR) Nach der Revolution in Ägypten: Frust statt Freiheit auf dem Tahrir
       
       In Kairo geht die Demokratiebewegung wieder auf die Straße – jetzt gegen
       das herrschende Militär. Denn dieses kehrt zunehmend zurück zu den Methoden
       Mubaraks.
       
 (DIR) Wieder Notstandsgesetze in Ägypten: Mubaraks Schatten über Kairo
       
       Nach der Verhängung des Ausnahmerechts wurden 93 Personen festgenommen. Die
       Regierung droht Streikenden und warnt vor Kritik im Internet.
       
 (DIR) Proteste in Ägypten: Zurück auf den Tahrirplatz
       
       Die Demonstranten kehren auf den Tahrirplatz in Kairo zurück. Sie fordern
       einen festen Zeitplan für die Wahlen und die Machtübergabe vom Militär an
       eine zivile Regierung.
       
 (DIR) Prozess gegen Ägyptens Ex-Präsident: Polizist nimmt Mubarak in Schutz
       
       Ein Polizeigeneral hat im Prozess gegen Mubarak ausgesagt, dass es keinen
       Befehl gab, auf Demonstranten zu schießen. Ein Anwalt warf dem Polizisten
       vor, die Wahrheit zu verdrehen.