# taz.de -- Europäischer Gerichtshof zu Fußballrechten: Fußball ist kein "Werk"
       
       > Der EuGH hat entschieden, dass Pay-TV-Fußball auch mit billigeren
       > ausländischen Decodern empfangen werden darf. Das System der
       > Rechtevergabe steht vor dem Aus.
       
 (IMG) Bild: Feiert ihren Sieg vorm EuGH: Pub-Besitzerin Karen Murphy.
       
       National begrenzte Exklusivverträge für Fußballübertragungen sind faktisch
       nicht mehr zu halten. Mithilfe ausländischer Decoder können Verbraucher
       künftig legal auf billigere verschlüsselte Angebote im Ausland zugreifen.
       Das hat am Dienstag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden.
       
       Das Urteil hatte unter anderem die englische Pub-Besitzerin Karen Murphy
       erstritten. Murphy betreibt im südenglischen Portsmouth den Pub The Red,
       White and Blue. Für ihre fußballbegeisterten Gäste übertrug sie regelmäßig
       Spiele der englischen Premier League, die im vergangenen Jahrzehnt zur
       finanzstärksten Fußballliga der Welt avanciert ist.
       
       Allerdings war ihr die Gaststättenlizenz des britischen Bezahlsenders BSkyB
       zu teuer, weshalb sie zu einem Trick griff: Sie besorgte sich einen
       griechischen Decoder und die dazugehörige Karte des griechischen
       Pay-TV-Senders Nova. Dieser strahlt auch Spiele der englischen Premier
       League aus, besitzt jedoch nur die Übertragungsrechte für den griechischen
       Markt.
       
       ## 6.000 Euro pro Jahr gespart
       
       Decoder und Karte werden deshalb nur an Personen mit einer Adresse in
       Griechenland verkauft. Findige Geschäftsleute importierten das griechische
       Zubehör jedoch nach England und verkauften es an Gastronomen wie Karen
       Murphy, die so pro Jahr umgerechnet rund 6.000 Euro eingespart hat.
       
       Die Premier League ging gegen Murphy und andere Kneipenbesitzer vor. Sie
       wollte verhindern, dass die teuer an BSkyB verkauften Exklusivrechte für
       den englischen Markt durch die Nutzung griechischer Decoder und Sender
       entwertet werden. Murphy wurde verurteilt, der Fall landete schließlich vor
       dem Europäischen Gerichtshof.
       
       Dieser entschied nun, dass das Nutzungsverbot für griechische Decoder gegen
       EU-Recht verstößt. Ein System, das darauf beruht, dass griechische Sender
       keine Bilder an Kunden in England übertragen dürfen, verstoße gegen die
       EU-Dienstleistungsfreiheit und das europäische Wettbewerbsrecht.
       
       ## Der Binnenmarkt hat Vorfahrt
       
       Sinn der EU sei ein einheitlicher Binnenmarkt und nicht die Aufspaltung in
       Teilmärkte mit unterschiedlichen Preisen für das gleiche Produkt. Die
       Verbraucher sollten vom europaweiten Wettbewerb durch billige Preise
       profitieren. Der EuGH verbot Exklusivverträge für bestimmte Sportereignisse
       nicht generell. Wenn aber jede grenzüberschreitende Dienstleistung verboten
       ist, um Exklusivverträge zu schützen, könne der Binnenmarkt seine Wirkung
       nicht entfalten.
       
       Das Verbot sei auch nicht notwendig, um das geistige Eigentum der
       Fußballligen zu schützen. Denn die Veranstaltung von Fußballspielen sei
       kein "Werk", das urheberrechtlich geschützt werden könne. Zwar sei es
       möglich, durch nationale Gesetze den Fußballverbänden eine angemessene
       Vergütung zu sichern, solche Gesetze dürften aber nicht übers Ziel
       hinausschießen. Um eine angemessene Vergütung zu erzielen, sei keine
       "absolute gebietsabhängige Exklusivität" nötig. Vielmehr könne der Wert der
       Übertragungen anhand der potenziellen Einschaltquoten geschätzt werden.
       
       Damit steht das bisherige System der Rechtevergabe vor dem Aus. Bisher
       vergaben die Fußballligen ihre Rechte Land für Land, meist exklusiv an
       einen Anbieter. Die Pay-TV-Sender waren bereit, für die Exklusivität, die
       sie von ihren Mitbewerbern unterscheidet, besonders hohe Preise zu
       bezahlen. Alle Inhaber von Exklusivrechten mussten allerdings
       sicherstellen, dass ihr Sendesignal jeweils nur im konkreten Land empfangen
       werden konnte.
       
       Die Ausstrahlung erfolgt daher in unterschiedlicher Verschlüsselung und
       muss mit verschiedenen Decodern wieder entschlüsselt werden. Wenn aber die
       Exklusivität nicht mehr gesichert werden kann, werden die Rechte künftig
       vermutlich europaweit vergeben.
       
       Karen Murphy dürfte sich nach der ersten Freude über das Urteil am Ende
       eher ärgern. Denn aus urheberrechtlichen Gründen darf sie keine von der
       Premier League produzierten Bilder ohne deren Erlaubnis öffentlich in ihrem
       Pub zeigen. Zwar ist das Fußballspiel selbst kein geschütztes Werk, Hymne
       und Logo der Liga sind es aber. Man kann darauf wetten, dass diese nun noch
       viel öfter als bisher eingeblendet werden, um Kneipenbesitzer
       auszutricksen.
       
       4 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) WM 2011 – Mixed Zone
       
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