# taz.de -- Parlamentswahl in Polen: Keine Wechselstimmung
       
       > Prognosen sehen Premier Donald Tusk und seine Bürgerplattform bei der
       > Wahl vorn. Doch eine niedrige Wahlbeteiligung könnte dies noch vereiteln.
       
 (IMG) Bild: Er hat keine schlechten Chancen, wiedergewählt zu werden: Polens Premier Donald Tusk.
       
       WARSCHAU taz | Eine so seltsame Wahlkampagne hat Polen noch nicht erlebt.
       Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der rechtsnationalen "Recht und
       Gerechtigkeit" (PiS), zog lieber über die Dörfer, als sich in einem
       Schlagabtausch mit Premier Donald Tusk zu messen, dem Chef der
       liberalkonservativen Bürgerplattform (PO).
       
       So schritt der Oppositionsführer durch Ställe mit Säuen und quiekenden
       Ferkeln, äußerte sich auf einer Kuhweide zur Außen- oder Innenpolitik
       Warschaus. Doch erstmals seit dem Fall des Kommunismus gibt es in Polen
       keine Wechselstimmung. Die regierende PO hat allen Umfragen zufolge die
       besten Chancen, am Sonntag wiedergewählt zu werden.
       
       In den letzten Tagen drosch Kaczynski aber doch noch kräftig auf die
       Deutschen ein, die angeblich eine "imperiale Politik" gegenüber Polen
       verfolgten und mit ihren Investitionen die Abspaltung Schlesiens und
       Pommerns vorbereiteten. Angela Merkel, die sich gut mit Premier Tusk
       versteht, unterstellte er, sie sei "unter nicht ganz sauberen Umständen"
       zur Kanzlerin gewählt worden. Doch die antideutsche Karte, die noch vor
       sieben Jahren Kaczynski an die Macht verhalf, dürfte sich diesmal zum
       Bumerang entwickeln.
       
       In einem Brief werfen ihm fünf frühere Außenminister vor, Polens Ansehen zu
       schaden. Die Zukunft Polens liege nicht in der Konfrontation mit den
       Deutschen, sondern in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit ihnen. Polens
       Präsident Bronislaw Komorowski forderte inzwischen den PiS-Chef auf, sich
       formell bei der Bundeskanzlerin für seine haltlose Unterstellung zu
       entschuldigen.
       
       ## Vergessliche Wähler
       
       Polens Wähler schätzen Politrabauken nicht sehr, doch sie sind auch
       vergesslich. Dass Kaczynski einst einem Krawallkabinett mit Rechts- und
       Linksradikalen vorstand, seine Regierung innerhalb von zwei Jahren an die
       Wand fuhr und vorzeitige Neuwahlen ausgeschrieben werden mussten, haben die
       meisten längst vergessen.
       
       In der Maske des freundlich lächelnden und altersweisen Volkswohltäters
       konnte Kaczynski in den letzten Wochen viel Terrain gutmachen. Zuletzt
       lieferten sich PO und PiS gar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit je rund 30
       Prozent Zustimmung. Doch damit scheint es nun vorbei zu sein.
       
       Am letzten Tag des Wahlkampfs veröffentlichte Polens wichtigste
       Tageszeitung, Gazeta Wyborcza, eine Prognose des Instituts TNS Obop. Danach
       würde die PO sogar mit fast 40 Prozent gewinnen, gefolgt von der PiS mit 29
       Prozent. Dann käme die antiklerikale Palikot-Bewegung mit sensationellen
       10,3 Prozent, schließlich die Linksallianz SLD mit 9 Prozent und am Ende
       die Bauernpartei PSL, derzeitiger Juniorpartner der Tusk-geführten
       Regierung mit knapp 9 Prozent.
       
       Alle anderen würden an der Fünfprozenthürde scheitern. Die große Unbekannte
       ist aber die Wahlbeteiligung. Bleiben Städter, junge Leute und
       Intellektuelle zuhause, könnte die PiS doch noch gewinnen. Denn die
       Wählermobilisierung gelingt den Rechtsnationalen traditionell besser als
       den Liberalkonservativen.
       
       7 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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