# taz.de -- Parteitag der Linken: Die Herrschaft der alten Männer
       
       > Während Oskar Lafontaine den Kämpfer gibt und ein "Willy-Brandt-Korps"
       > fordert, sorgt Gregor Gysi für ein bisschen Esprit. Die Partei ordnet
       > sich ihnen unter.
       
 (IMG) Bild: Duales System: Oskar Lafontaine und Gregor Gysi sind de facto die Chefs der Linken - unabhängig davon, wie die Vorsitzenden heißen.
       
       ERFURT taz | Der Parteitag war 18 Stunden alt, da trat ein Delegierter an
       das Mikrofon: "Ich heiße Oskar Lafontaine. Ihr könnt euch völlig auf mich
       verlassen. Es wird keine Schlupflöcher für Einsätze der Bundeswehr geben."
       Damit war in 30 Sekunden alles klar. Ende der Debatte über Krieg und
       Frieden.
       
       Im Grundsatzprogramm der Linkspartei steht nun, dass "die Bundeswehr aus
       allen Auslandseinsätzen zurückgeholt" werden soll. Die Pragmatiker lesen
       diesen Passus so, dass damit aber Blauhelmeinsätze der Bundeswehr
       keineswegs ausgeschlossen sind. Die radikale Antikapitalistische Linke
       (AKL) hatte indes gefordert, das generelle Nein noch zu verschärfen. Sie
       wollte den Nato-Austritt Deutschlands, nicht nur den aus der militärischen
       Struktur.
       
       Und sie wollte ein doppelt und dreifach verschnürtes Nein zu
       Bundeswehreinsätzen, das den mühsam ausgehandelten Formelkompromiss ins
       Wanken gebracht hätte. "Wenn wir das beschlossen hätten, hätte die
       Bundeswehr demnach noch nicht mal Medikamente nach Pakistan transportieren
       dürfen", so ein Delegierter.
       
       Doch nach Lafontaines Auftritt war das erledigt. Er wirkte wie Handauflegen
       durch einen Wunderheiler. Lafontaine ist Fraktionschef der Partei im
       Saarland. Er kann nicht garantieren, was Bundespartei und Fraktion im
       Reichstag tun. Aber es ist egal, welche Funktion Lafontaine hat. Gegen ihn
       geht nichts. Vielleicht, mutmaßen manche Linke, war dies schon seine
       Ankündigung, dass er wiederkommt, als Spitzenkandidat 2013.
       
       Am Sonntagmittag, das erste gemeinsame Programm der Linken ist gerade mit
       realsozialistischen 96,9 Prozent beschlossen, spricht Oskar Lafontaine
       erneut. Seine Rede ist eine Art mentale Bestandsaufnahme nach drei Tagen
       Parteitag. Die Genossinnen und Genossen haben tapfer in einer nach
       Frittierfett müffelnden fensterlosen Halle ausgeharrt.
       
       Und sie haben sich, was die Anerkennung des Existenzrechts Israels und
       Regierungsbeteiligungen, was DDR-Geschichte und Arbeitsbegriff angeht, an
       die Kompromissformeln gehalten, die die Programmkommission ausgetüftelt
       hat.
       
       ## "Wenn wir ein schlechtes Ergebnis bekommen, haben wir was falsch
       gemacht."
       
       Nun lässt Lafontaine Lob regnen, Identitätsstiftung. "Wir müssen jetzt die
       Reihen schließen", beschwört er die Genossen, "wir werden gebraucht. Wenn
       einer in der Kneipe sagt: ,Du bist bei der Linken?', dann duckt euch nicht,
       sondern sagt: ,Du noch nicht?'" Worte, die die Leute im Saal brauchen.
       
       Auch die sogenannten Haltelinien für Regierungsbeteiligungen -
       Hauptstreitpunkt zwischen linkem und Pragmatikerflügel - sind
       durchgekommen. Man will keinen Stellenabbau im öffentlichen Dienst - aber
       die Formulierungen sind so vage, dass keine rot-rote Regierung zwischen
       Schwerin und Dresden künftig platzen muss, wenn sie aus demografischen
       Gründen Stellen streicht.
       
       Lafontaine ordnet das ein. "Der Streit um Regierungsbeteiligungen ist
       müßig", sagt Lafontaine, "wir müssen unser eigenes Profil schärfen,
       Koalitionsverhandlungen führt man nach Wahlen." Gemünzt auf das Ende von
       Rot-Rot in Berlin, sagt er: "Wenn wir ein schlechtes Ergebnis bekommen,
       haben wir was falsch gemacht." Und gerichtet an die SPD, die seiner Partei
       zuletzt immer und immer wieder die kalte Schulter gezeigt hat: Als Partei
       der Kriegseinsätze und der Hartz-IV-Gesetzgebung müsse die sich ändern.
       
       Die Geschlossenheit nach innen und die Besetzung sozialdemokratischer
       Traditionen bestimmen Lafontaines Rede und den ganzen Parteitag. Das fängt
       mit der szenischen Lesung des Erfurter Programms der SPD von 1891 an und
       setzt sich bei der Idee von einem "Willy-Brandt-Korps" fort, das in
       Krisenregionen humanitäre Hilfe leisten soll. In seiner Rede umschreibt
       Lafontaine das Korps als "internationale Helfertruppe".
       
       ## Es ist egal, wer unter Gysi und Lafontaine Parteichef ist
       
       Rhetorischer Lichtblick war die Rede von Gregor Gysi. Der
       Fraktionsvorsitzende sprach witzig, charmant, emotional. Das wirkte nach
       stundenlangen Geschäftsordnungsschlachten und hartnäckigen Debatten über
       Formulierungen, als würde jemand Frischluft in einen Bunker lassen.
       
       Gesine Lötzsch hatte eine gepresst-hektische Kampfesrede gehalten, ohne ein
       Wort über die Lage der Partei zu sagen. Gysi warnte, dass Reformer und
       Fundis wie "zwei Lokomotiven" aufeinander zurasten, beschwor, dass beide
       Lage sich brauchen, bei Strafe des Untergangs. Kurzum, er redete wie ein
       Parteichef. Er ist aber Fraktionsvorsitzender.
       
       Wie selbstverständlich dankte er den Autoren des Programms - was eigentlich
       den Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst obliegt. Aber in der
       Linkspartei, dieses Bild drängte sich in Erfurt auf, ist es im Grunde fast
       egal, wer unter Gysi und Lafontaine Parteichef ist.
       
       Eine der wenigen, die sich bei der Abstimmung über das Grundsatzprogramm
       enthielten, war Parteivize Halina Wawzyniak. "In der Präambel steht, dass
       "Freiheit durch Gleichheit" entsteht. Ich finde, dass für linke Politik
       Freiheit und Gleichheit ebenbürtig sind und nicht das eine aus dem anderen
       folgt", so Wawzyniak zur taz. Dass die Enthaltung ihrer Karriere schaden
       wird, sagt sie, fürchtet sie nicht.
       
       23 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) A. Maier
 (DIR) S. Reinecke
       
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