# taz.de -- Kommentar Wahl in Tunesien: Umgehen mit den Islamisten
       
       > Die islamistische Ennahda-Partei ist Wahlsiegerin in Tunesien. Die
       > restlichen Parteien haben jetzt zwei Möglichkeiten damit umzugehen. Beide
       > sind schwierig.
       
       Die islamistische Ennahda-Partei hat die ersten freien Wahlen in Tunesien
       gewonnen. Sie dürfte mehr als ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigen.
       Damit ist ihr die größte Gruppe in der Verfassunggebenden Versammlung
       gewiss.
       
       Es gibt zwei Möglichkeiten, mit diesem Wahlsieg umzugehen. Eine wäre ein
       Bündnis aller weltlichen Kräfte, um so eine Regierung gegen Ennahda zu
       gründen; die andere eine Regierung der nationalen Einheit. Beides ist
       schwierig. Die Ennahda hat bereits angekündigt, dass sie ihre Anhänger
       mobilisieren will, sollten die weltlichen Parteien ihr den Einzug in die
       neue Übergangsregierung streitig machen.
       
       Eine Regierung der nationalen Einheit wird aber auch nicht auf alle
       wichtigen Parteien setzen können. Die in der politischen Mitte angesiedelte
       Demokratische Fortschrittspartei (PDP), die den ersten Trends nach zur
       zweitstärksten Kraft werden dürfte, lehnt ein Bündnis mit der Ennahda
       ebenso ab wie der linksunabhängige Demokratisch-Modernistische Pol.
       
       Egal wer letztendlich die Regierung stellt, einige Fragen der neuen
       Verfassung scheinen durch den Sieg der Ennahda geklärt. Das künftige
       Grundgesetz wird, wie das alte auch, Tunesien als islamisches Land
       definieren. Große Rückschritte, zum Beispiel was den Status der Frauen
       angeht, sind aber kaum zu erwarten. Denn sie würden die nichtislamistischen
       Wähler und Wählerinnen auf die Straße treiben.
       
       Wichtigster Streitpunkt dürfte vielmehr das Staatsmodell als solches
       werden. Die Islamisten und einige kleine, linksradikale Gruppierungen
       wollen ein rein parlamentarisches System. Dies ist für sie die Lehre aus
       dem Präsidentialsystem, das Tunesien seit der Unabhängigkeit in die
       Unfreiheit geführt hat.
       
       Die restlichen Parteien wollen einen Staatschef, der unter den Augen des
       Parlaments regiert. Was allerdings passieren könnte, sollte die Ennahda
       einmal dieses Präsidentialamt in die Hände bekommen, darüber haben diese
       Parteien noch nicht nachgedacht.
       
       24 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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