# taz.de -- Tunesien hat gewählt: "Das Volk hat es so gewollt"
       
       > Die siegreichen Islamisten werden in Tunesien wohl mit den
       > Sozialdemokraten koalieren. Spätestens in einem Jahr soll die neue
       > Verfassung vorliegen.
       
 (IMG) Bild: Die Anhängerinnen der islamistischen Ennahda jubeln über ihren Wahlsieg.
       
       TUNIS taz | Die offizielle Bekanntgabe des Ergebnisses der ersten freien
       Wahl in Tunesien ließ am Dienstag auf sich warten. Aber fest steht, dass
       die islamistische Ennahda mit mehr als 30 Prozent als mit Abstand stärkste
       Partei in der verfassunggebenden Versammlung vertreten sein wird.
       
       "Wir haben ein mehr als 60-köpfiges Team, das in allen Wahllokalen die dort
       veröffentlichten Ergebnisse eingeholt hat", sagte der Wahlkampfleiter der
       Ennahda, Abdelhamid Jlassi, am Montagabend.
       
       "Ennahda hat in allen Wahlkreisen gewonnen. Wir haben mehr als 30 Prozent
       der Stimmen und auch der Sitze in der neuen verfassunggebenden Versammlung.
       Es werden nur fünf oder sechs Parteien und ein paar Unabhängige im neuen
       Parlament vertreten sein", fasste er das Ergebnis zusammen.
       
       Die anderen Parteien verfuhren ähnlich. Auch sie zählten vor Ort aus.
       Hinter Ennahda liegen demnach die sozialdemokratische Ettakatol des
       betagten Oppositionellen und Arztes Mustapha Ben Jaafar sowie der ebenfalls
       links der Mitte angesiedelte Kongress für die Republik (CPR) des aus dem
       französischen Exil zurückgekehrten Menschenrechtlers und
       Universitätsprofessors Moncef Marzouki.
       
       ## Zweiter Platz noch offen
       
       Diese beiden Parteien haben nach eigenen Angaben zwischen 15 und 18 Prozent
       der Stimmen erhalten. Wer von den beiden bei der Verteilung der insgesamt
       217 Abgeordneten schließlich auf dem zweiten Platz liegen wird, muss das
       offizielle Endergebnis zeigen.
       
       Die große Überraschung der Wahl vom Sonntag ist das Scheitern der
       Demokratischen Fortschrittspartei (PDP) Maya Jribi und Néjib Chebbi.
       Chebbi, einer der bekanntesten Vertreter der unter Ben Ali geduldeten
       Opposition, gestand ein, dass seine Partei nur rund 10 Prozent der Stimmen
       erhalten habe.
       
       "Das Volk hat es so gewollt", sagte er resigniert. Abgesehen von seiner
       Nähe zu Ben Ali wurde Chebbi sein Auftreten im Wahlkampf zum Verhängnis:
       Viele Tunesier empfanden ihn als autoritär und arrogant.
       
       ## Deutliche Niederlage
       
       Enttäuschung auch beim Demokratisch-Modernistischen Pol, einem Bündnis
       kleiner Parteien und unabhängiger Gruppierungen rund um die
       postkommunistische Ettajdid von Ahmed Brahim. Diese Formation liegt wohl
       bei 5 bis 7 Prozent der Stimmen noch hinter der PDP. Auch das ist eine
       deutliche Niederlage für ein Projekt, das antrat, die Linke, moderne Frauen
       und die rebellische Jugend zu organisieren.
       
       Die frisch gewählte Versammlung soll in nur spätestens einem Jahr eine neue
       Verfassung ausarbeiten. Als einzig legitime, vom Volk gewählte Institution
       wird sie die künftige provisorische Regierung und den Staatschef bestimmen.
       Diese bleiben ebenso wie die Versammlung nur so lange im Amt, bis die
       Verfassung beschlossen ist.
       
       Spätestens in einem Jahr soll es so weit sein. Dann wird wieder gewählt. Ob
       der Verfassungstext selbst einem Referendum unterzogen wird, steht noch
       nicht fest.
       
       ## Nationale Einheit
       
       "Wir müssen sehr schnell zur Stabilität zurückfinden und gute Bedingungen
       für die Investoren schaffen", sagte Ennahda-Wahlkampfleiter Jlassi und
       forderte alle Parteien auf, dabei mitzuhelfen.
       
       Die Islamisten streben eine Regierung der nationalen Einheit an. "Wir sind
       bereit, ein Bündnis mit der CPR von Moncef Marzouki und Ettakatol von
       Mustapha Ben Jaafar einzugehen", sagte das Ennahda- Vorstandsmitglied Ali
       Larayd.
       
       Das Angebot an die sozialdemokratische Ettakatol ist nicht überraschend.
       Partei-Chef Ben Jaafar hat im Wahlkampf - anders als die PDP - allzu große
       Kritik an den Islamisten vermieden. Jaafar wird von verschiedenen
       tunesischen Medien als möglicher Präsident für die Übergangszeit gesehen,
       dem auch Frankreich und die USA wohlgesinnt seien.
       
       25 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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