# taz.de -- Tunesien auf dem Weg zur neuen Verfassung: Frauenrechte und Meinungsfreiheit
       
       > Erstmals trat jetzt die gewählte verfassungsgebende Versammlung in
       > Tunesien zusammen. Demonstranten fordern den Erhalt von Frauenrechten.
       
 (IMG) Bild: Vor dem Versammlungsgebäude in Tunis treten Frauen für gleiche Rechte ein.
       
       MADRID taz | Tunesien hat erstmals gewählte Institutionen. Zehn Monate nach
       dem Sturz des Diktators Zine al-Abidine Ben Ali und einen Monat nach den
       ersten freien Wahlen konstituierte sich am Dienstag die 217 Abgeordnete
       starke Verfassungsgebende Versammlung. Die drei Parteien, die islamistische
       Ennahda (89 Sitze), die Mitte-links-Partei Kongress für die Republik CPR
       (29) und die sozialdemokratische Ettakatol (20) hatten sich zuvor über die
       Aufteilung der wichtigsten Posten für die Übergangsphase bis zur
       Verabschiedung einer neuen Verfassung verständigt.
       
       Ennahda-Generalsekretär Hamadi Jebali wird Premierminister, Ettakatol-Chef
       Mustapha Ben Jaafar Parlamentspräsident und Moncef Marzouki
       Staatspräsident. Damit stehen den neuen Institutionen drei ehemalige
       Oppositionelle vor. Der 62-jährige Ingenieur und Journalist Jebali
       verbrachte unter Ben Alis Herrschaft 16 Jahre im Gefängnis.
       
       Der Arzt und Menschenrechtsaktivist Marzouki (66) lebte zehn Jahre im Exil.
       Ben Jaafar (71) - ebenfalls Mediziner - war in der im Land geduldeten
       Opposition tätig. Die drei Parteien wollen, dass die neue Verfassung in
       spätestens einem Jahr in Kraft tritt und dann neu gewählt wird.
       
       ## "Heiliger Augenblick"
       
       Die Abgeordneten der Versammlung wurden von über 1.000 Demonstranten
       empfangen, die Respekt vor der Gleichstellung der Geschlechter und der
       Meinungsfreiheit forderten. Die Demonstranten warfen den Islamisten unter
       Jebali vor, "eine doppelte Sprache" zu benutzen. Nach außen hin gebe sich
       Ennahda moderat, gegenüber den eigenen Anhängern radikal.
       
       Zwei Erklärungen der letzten Tage bekräftigen die Befürchtungen, Ennahda
       könne einen religiösen Staat anstreben. "Wir erleben einen heiligen
       Augenblick. Wir befinden uns am Beginn einer neuen Zivilisation, dem
       sechsten Kalifat", erklärte Jebali auf einer Veranstaltung in seiner
       Heimatstadt Sousse. "Wir dachten, wir werden die zweite Republik aufbauen",
       sagte ein Ettakatol-Sprecher. Jebali musste seine Aussage relativieren.
       
       Für den zweiten Zwischenfall sorgte die Ennahda-Abgeordnete Souad
       Abderrahim. Sie verlangte, dass ledige Mütter keine staatliche
       Unterstützung mehr erhalten sollen. Die Frauen vor der Verfassungsgebenden
       Versammlung empfingen sie mit dem Ruf "Dégage"! - "Hau ab!"
       
       22 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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