# taz.de -- Ukraine behält Winterzeit doch: Wer hat an der Uhr gedreht...
       
       > Das ukrainische Parlament wollte es den Russen gleichmachen und schaffte
       > die Winterzeit ab. Doch die Aussicht auf Sonne erst ab 10 Uhr früh ließ
       > Protest laut werden.
       
 (IMG) Bild: Auch künftig scheint frühmorgens die Sonne durch das neue EM-Stadion in Kiew.
       
       KIEW taz | Diejenigen, die der Meinung sind, bei der Zeit handle es sich um
       ein rein physikalisches Phänomen, sind dieser Tage des Besseren belehrt
       worden. Denn in Osteuropa ist die Zeit - oder deren Umstellung - am Anfang
       des 21. Jahrhunderts wieder ein Politikum. In der Ukraine wurde in diesem
       Jahr der Übergang zur Winterzeit sogar durch groteske politische Tänze
       begleitet, deren Absurdität nur noch vom Schauprozess gegen Julia
       Timoschenko übertroffen wurde.
       
       Vor einigen Wochen hat das ukrainische Parlament auf Antrag der regierenden
       Partei der Regionen - Anträge aus anderen Fraktionen werden heute in Kiew
       erst gar nicht diskutiert - den Wechsel zur Winterzeit per Gesetz
       abgeschafft. Damit würden die negativen Auswirkungen der Zeitumstellung auf
       den menschlichen Organismus beseitigt, heißt es in der Begründung. Die
       anderen negativen Auswirkungen wie die massive Luftverpestung und die
       oftmals katastrophale Trinkwasserqualität in den Großstädten würden
       allerdings vorerst bestehen bleiben.
       
       Die Bergarbeiter im Osten des Landes haben keinen offiziellen Kommentar zu
       diesem Beschluss abgegeben. In den restlichen Regionen des Landes hagelte
       es aber bald Proteste. Auch wenn die Vorteile der turnusmäßigen
       Zeitumstellung fraglich sind, war der wahre Grund für das Aus für die
       Winterzeit ein anderer. Denn bereits vor etwa einem halben Jahr hat der
       russische Präsident Dmitri Medwedew die Winterzeit per Dekret abgeschafft.
       Da wollte Kiew nun symbolisch mitziehen.
       
       Dass sich die Ukraine durch ihre geographische Lage zusammen mit anderen
       Ländern wie Finnland, den baltischen Staaten oder der Türkei eigentlich in
       der Osteuropäischen Zeitzone befindet, war für das Parlament und die
       Regierung kein Argument. Auch ist die Normalzeit eben die Winter-, und
       nicht die Sommerzeit, die nun in der Ukraine für immer gelten sollte. So
       würde es in Transkarpatien, der westlichsten Region des Landes, im Winter
       erst kurz vor 10.00 Uhr morgens hell werden.
       
       Auf Erklärungen der Wissenschaftler und Proteste der Bürgerinitiativen gab
       es zunächst keine offizielle Reaktion. Erst als die Behörden in
       Transkarpatien, das heute eher als regierungsfreundlich gilt, angekündigt
       haben, man würde in der Region erst eine Stunde später mit der Arbeit
       anfangen, entschloss man sich in Kiew für einen Rückzieher.
       
       Das Parlament hat seinen eigenen Beschluss wieder rückgängig gemacht. Dazu
       brauchte es immerhin drei Anläufe. Die Bergarbeiter haben auch diese
       Entscheidung nicht kommentiert. Unter Tage interessiert man sich weniger
       dafür, wann die Sonne aufsteht.
       
       1 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juri Durkot
       
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