# taz.de -- Kommentar Regierungskrise Griechenland: Große Koalition, nein Danke!
       
       > Beide großen Parteien Griechenlands eint eine Kultur der
       > Klientel-Politik. Eine Große Koalition, ein gemeinsames Meistern der
       > Krise, das ist der Politik dort völlig fremd.
       
       Wenn in Deutschland ein mittlerer Hagelschauer niedergeht, folgt darauf
       sofort der Ruf nach einer großen Koalition, um die schwere Krise zu
       meistern. Wenn Griechenland vor dem Konkurs steht, dann folgt darauf – erst
       einmal nichts. Eine Koalitionsregierung war in Athen bis dato so
       unvorstellbar wie ein Eisregen im August.
       
       Seit 1974 haben abwechselnd zwei Blöcke das Land regiert. Die konservative
       Nea Demokratia (ND) hat das zweifelhafte Verdienst, die meisten Schulden
       angehäuft zu haben. Die linke Pasok stand ihr lange Zeit nur wenig nach.
       Beide Parteien eint eine Kultur des Klientelismus, die sich über Jahrzehnte
       darin materialisierte, den eigenen Wählern Wohltaten und insbesondere viele
       schöne Posten im öffentlichen Dienst zu bescheren.
       
       Selbst heute, wo es nichts mehr zu verteilen gibt, bleibt dieses System an
       der Spitze intakt: Man mag sich kaum etwas Furchtbareres vorstellen, als
       Premierminister in Athen von Brüsseler Gnaden zu sein. Und doch wollen alle
       diesen Posten unbedingt ergattern - weil er weitere Posten verspricht.
       
       Eben weil ND und Pasok sich so ähnlich sind, konnte eine Kooperation bisher
       nicht zustande kommen. Hieße dies doch, dass dem Pakt zwischen Parteien und
       Wählern über Geben (Stimmen) und Nehmen (Posten) der Boden entzogen würde.
       Eine Kultur des Kompromisses war bisher nicht vorgesehen.
       
       Ganz selbstverständlich hat die ND bisher alle Sparpläne der
       Pasok-Regierung abgelehnt und in gewohnter Manier das Blaue vom Himmel
       versprochen. Ebenso selbstverständlich beharrte Giorgos Papandreou darauf,
       dass natürlich nur er als Regierungschef infrage komme.
       
       Die Tatsache, dass viele deutsche Wähler politische Konflikte verabscheuen
       und vermeintlich harmonische Verhältnisse bevorzugen, spricht nicht
       unbedingt für ein verinnerlichtes Verständnis von Demokratie. Indessen
       haben viele Griechen die Selbstbedienungsmentalität der Politik satt. Die
       Sympathien für ND und Pasok sind gleichermaßen im tiefsten Keller.
       
       Dennoch käme es einer Revolution gleich, sollte in Athen eine
       Koalitionsregierung entstehen. Und selbst wenn: Dauerhaft stabile
       Verhältnisse bleiben unwahrscheinlich, weil beide Parteien nur darauf
       warten werden, dieses Bündnis schnellstens wieder aufzukündigen - zugunsten
       der eigenen Klientel und neuer Posten. Für wirklich neue Verhältnisse in
       Athen bedarf es neuer Parteien.
       
       6 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
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