# taz.de -- Gazprom will westeuropäischen Markt: Eine Leitung bis zum kleinsten Gasherd
       
       > Russlands Einfluss auf den europäischen Energiemarkt wird größer. Gazprom
       > drängt auf Zugang zum deutschen Endkundenmarkt und verspricht geringere
       > Kosten.
       
 (IMG) Bild: Gazprom will jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die EU pumpen.
       
       Lange hat Gazprom davon geträumt - jetzt hat das russische Unternehmen den
       direkten Zugang zum deutschen und damit westeuropäischen Markt. Wenn im
       kommenden Jahr auch der zweite Strang der Pipeline fertig gestellt sein
       wird, kann diese jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas, entsprechend
       etwa 550 Milliarden Kilowattstunden, in die EU pumpen.
       
       Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 942 Milliarden Kilowattstunden Erdgas
       verbraucht, in der EU etwa 5,6 Billionen. Nach Aussagen des
       Bundeswirtschaftsministerium wird das Erdgas überwiegend nach Frankreich,
       in die Niederlande, nach Belgien, Dänemark und Großbritannien
       weitergeleitet.
       
       Für die deutschen Kunden werde sich vorerst nichts durch die neue Pipeline
       ändern, sagte ein Sprecher von Wintershall. Eon hebt vor allem hervor, dass
       Nord Stream "maßgeblich zur Stärkung der europäischen
       Versorgungssicherheit" beitrage.
       
       ## Kapazitäten schon verkauft
       
       Die Transportkapazitäten von Nord Stream seien bereits für die nächsten
       zwei Jahrzehnte verkauft, lässt der Betreiber wissen. Der Transport werde
       billiger erfolgen als über die bisherigen Pipelines durch Weißrussland und
       die Ukraine, da kein Transitland mehr Gebühren für die Durchleitung erheben
       kann.
       
       Das liege aber auch daran, dass die neue Pipeline, anders als bisherige
       Leitungen, über die gesamte Transportstrecke keine Kompressorstation
       benötige. Ob sich diese Kostensenkung auf die hiesigen Preise auswirkt,
       muss sich aber erst zeigen.
       
       Die Pipeline ist nur ein Teil der Expansionsstrategie von Gazprom. Über
       seine Tochter Gazprom Germania baut der russische Konzern zugleich eine
       Vermarktungsstruktur von Erdgas russischer und mittelasiatischer Herkunft
       in West- und Mitteleuropa auf. Im Jahr 2009 - die Zahlen für 2010 sind noch
       nicht veröffentlicht - hat das Unternehmen 446,6 Milliarden Kilowattstunden
       abgesetzt und einen Umsatz von 8 Milliarden Euro generiert.
       
       Bislang fehlt dem Unternehmen allerdings noch ein Zugang zum
       Endkundenmarkt. Diesen erhofft sich Gazprom Germania durch Übernahme des
       hessischen Versorgers Envacom. Das Unternehmen in Walluf bei Wiesbaden
       bietet bisher zwar noch kein Gas an, sondern Strom, Telefon und Internet.
       
       Dass Gazprom dieses nach einer erfolgten Übernahme zu einem Gasanbieter
       ausbauen will, gilt jedoch als sicher - wenngleich der deutsche
       Gazprom-Ableger dies noch nicht offiziell bestätigt. Die Übernahme des im
       Jahre 1999 gegründeten Unternehmens, das nach eigenen Angaben über 500.000
       Kunden in Deutschland verfügt, ist aber nach Gazprom-Angaben "noch nicht in
       trockenen Tüchern".
       
       ## Alternative Flüssiggas
       
       Dass Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas durch die neue Pipeline
       steigen wird, ist nicht unbedingt gesagt. Denn langsam gewinnt auch die
       Belieferung mit Flüssig-Erdgas per Tankschiff für Europa an Bedeutung.
       Hierdurch wären dann auch Erdgaslieferungen zum Beispiel aus Nigeria,
       Ägypten oder Katar möglich.
       
       Im vergangenen Jahr kamen 33 Prozent des in Deutschland verbrauchten
       Erdgases aus der russischen Föderation, 29 Prozent aus Norwegen, 22 Prozent
       aus den Niederlanden. Die inländische Gewinnung deckte 11 Prozent des
       Verbrauchs, 2 Prozentpunkte weniger als noch im Vorjahr. Der Rest von etwa
       6 Prozent kam aus anderen Ländern, vor allem aus Großbritannien und
       Dänemark.
       
       Erdgas deckte in Deutschland zuletzt einen Anteil von 21,9 Prozent am
       Primärenergieverbrauch. Dieser Wert war nach einem deutlichen Anstieg in
       den neunziger Jahren in den letzten zehn Jahren praktisch konstant, denn
       der leichte Rückgang der Anteile von Steinkohle, Mineralöl und Atomkraft
       wurde in den letzten zehn Jahren durch den Ausbau der erneuerbaren Energien
       aufgefangen.
       
       8 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
       ## TAGS
       
 (DIR) BASF
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gas aus Sibirien: Wintershall hält Russland die Treue
       
       Für die BASF-Tochter Wintershall bleibt Gazprom der wichtigste
       Handelspartner. Trotz der Ukraine-Krise soll das Geschäft noch ausgeweitet
       werden.
       
 (DIR) Energiekonzern Gazprom: „Wir bezahlen die Kreml-Clique“
       
       Gazprom agiert als verlängerter Arm der Kreml-Kleptokratie, sagt der
       Journalist Jürgen Roth. Das müssten auch Schalker und Sozialdemokraten
       begreifen.
       
 (DIR) Gazprom-Pipeline Nord Stream eröffnet: Das Rohr zum Westen
       
       Der russische Staatskonzern Gazprom gebietet über riesige Energiereserven.
       Mit Nord Stream nimmt er seine westlichen Partner in die Zange.
       
 (DIR) Fund bei Bau von Erdgasleitung: Goldrausch bei Gazprom
       
       Beim Bau der Nordeuropäischen Erdgasleitung taucht in Niedersachsen ein
       Goldschatz auf. Informiert wird spärlich - aus Sorge vor
       Goldgräberstimmung.
       
 (DIR) Kommentar Razzia bei Gaskonzernen: Überfällig, aber mit fraglichem Nutzen
       
       Wenn sich soviel Macht auf einen Akteur, nämlich Gazprom, konzentriert, ist
       es sinnvoll, dessen Akten genau zu prüfen. Doch der Nachweis eines
       Preisdiktats ist knifflig.
       
 (DIR) Verdacht der Wettbewerbsbeschränkung: EU nimmt Gasversorger ins Visier
       
       Mehrere Gasversorger stehen unter dem Verdacht auf
       Wettbewerbsbeschränkungen. Auch bei Eon und RWE standen die Ermittler in
       der Tür.