# taz.de -- Zweigliedriges Schulsystem: Auslese nach der sechsten Klasse
       
       > Die Union favorisiert in Sachsen und Thüringen ein Modell wie die
       > "Mittelschule". Die wird gerade reformiert und soll dann "Oberschule"
       > heißen.
       
 (IMG) Bild: Ober-, Unter-, Mittel-: Hauptsache Schule.
       
       DRESDEN taz | "Der Begriff ,Oberschule' interessiert mich nicht",
       überrascht Schulleiter Ulrich Hammerschmidt von der Mittelschule Waldblick
       im sächsischen Freital. "Vorrang hat für mich immer die Frage, was das
       einzelne Kind braucht!" Dabei hatte doch das sächsische Kultusministerium
       die Waldblick-Schule als eine der vorbildlichen Mittelschulen
       vorgeschlagen, die auf dem Weg zur neuen sächsischen "Oberschule" sind.
       
       Die Oberschule, die die CDU auf ihrem am Sonntag beginnenden
       Bundesparteitag auf den Weg bringen will, ist nichts anderes als die seit
       1992 in Sachsen existierende Mittelschule. Sie gehört zu dem auch in
       Thüringen praktizierten zweigliedrigen Schulsystem. In diesem Schulsystem
       gibt es ab Klasse fünf einerseits die Gymnasien und andererseits die
       Mittelschulen, in denen die Haupt- und Realschüler unter einem Dach lernen.
       Dabei bleibt der Hauptschulabschluss bestehen, etwa jeder siebte
       Mittelschüler erlangt ihn, nachdem teilweise in besonderen
       Hauptschulgruppen unterrichtet wurde. Dieser Anteil ist nur halb so groß
       wie im Bundesdurchschnitt.
       
       Sachsen und Thüringen versuchen nun unter der Überschrift "Oberschule" eine
       Weiterentwicklung der Mittelschule, um die Folgen der frühzeitigen Auslese
       nach der vierten Klasse zu mildern. In Sachsen stand die FDP 2009 beim
       Eintritt in die Koalition mit der CDU im Wort, längeres gemeinsames Lernen
       bis zur sechsten Klasse anzustreben.
       
       Heraus kam mit der "Oberschule" ein Modell, das mehr Durchlässigkeit und
       spätere Wechsel an das Gymnasium ermöglichen soll, ohne die Struktur zu
       erschüttern. "Hauptziel ist es, den Spätstartern und anderen den Wechsel
       auf das Gymnasium zu erleichtern", erklärte FDP-Bildungspolitiker Norbert
       Bläsner im Sächsischen Landtag.
       
       ## Image der Mittelschule korrigieren
       
       Zum Modell der neuen "Oberschule" gehört, dass die schwarz-gelbe Koalition
       in Dresden zunächst die Hürde für das Gymnasium nach der Grundschule wieder
       auf einen Notendurchschnitt von 2,0 legt und den Zugang damit erschwert.
       Damit sollte einesteils die hohe Zahl gescheiterter Rückwechsler gesenkt
       werden. Vor allem aber sollte das Image der Mittelschule als "Restschule"
       korrigiert werden, weil damit auch stärkere Schüler nach der Grund- erst
       mal nur auf die Mittelschule wechseln.
       
       In dem neuen Modell, in dem diese Mittelschulen nun zu "Oberschulen"
       weiterentwickelt werden, sollen in der Orientierungsstufe fünf und sechs
       nun schrittweise Leistungsgruppen eingerichtet werden. Mit einer zweiten
       Fremdsprache will man dabei Kompatibilität mit dem Lehrplan des Gymnasiums
       erreichen. Am Schluss des sechsten Schuljahrs erhalten die SchülerInnen
       erstmals eine zweite Bildungsempfehlung und können damit möglicherweise auf
       das Gymnasium wechseln.
       
       Für einen Praktiker wie Schulleiter Hammerschmidt ist all dies nicht so neu
       und nicht so wichtig. Nach seiner Erfahrung bot auch die bisherige
       Mittelschule schon genügend individuelle Fördermöglichkeiten, und die
       alleinige Fixierung auf die Aufwärtswechsler ins Gymnasium stört ihn
       sowieso.
       
       Am stärksten begrüßt Hammerschmidt deshalb die neue Mittelschulverordnung,
       die mehr Binnendifferenzierung erlaubt. "Den Unterricht kann man ein
       bisschen mit dem Kurssystem in der Oberstufe vergleichen", sagt er. Eine
       "Mogelpackung" nennt die SPD-Landtagsabgeordnete und frühere
       GEW-Bundesvorsitzende Eva-Maria Stange diese Reform. Leistungsgruppen
       förderten die Auslese, an deren Ende die Verlierer mit der zweiten
       Bildungsempfehlung nochmals gesagt bekämen, dass sie nicht für das
       Gymnasium taugen, so Stange. Die SPD verweist auf die erforderlichen
       größeren Personalressourcen für die Reform.
       
       11 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Protest
       
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