# taz.de -- Mexikanischer Netzaktivist ermordet: Vom Chatroom zur Exekution
       
       > Weil er ein Forum über die Drogenmafia moderierte, wurde "Rascatripas"
       > enthauptet. Das Kartell Los Zetas brutalisiert den Kampf um
       > Informationskontrolle im Netz.
       
 (IMG) Bild: Da hilft auch kein Militär: Das Kartell Los Zetas versucht den digitalen Raum von seinen KritikerInnen zu säubern.
       
       Erst "La Nena from Laredo", jetzt "Rascatripas": In der nordmexikanischen
       Grenzstadt Nuevo Laredo wurde ein Mann enthauptet aufgefunden, der
       offensichtlich einen Chatroom über die Drogenkartelle moderiert hatte. "Ich
       bin Rascatripas, und mir passierte das, weil ich nicht verstehen wollte,
       dass ich nicht in sozialen Netzwerken berichten sollte", hieß es auf einem
       Plakat, das die Täter am Mittwoch neben der Leiche am Kolumbuis-Denkmal der
       Stadt hinterlassen hatten.
       
       In ihrer Botschaft erinnerten die Mörder auch an jene Frau, die vor wenigen
       Wochen genau am selben Platz tot gefunden wurde: die Journalistin Maria
       Elizabeth Macía Castro alias "La Nena from Laredo". Auch sie war, so
       informierte ein Pappschild neben dem leblosen Körper, wegen ihrer Berichte
       in sozialen Netzwerken ermordet worden. Unterschrieben hatten die Verfasser
       mit "ZZZZ" - aller Wahrscheinlichkeit nach ein Pseudonym für das Kartell
       "Los Zetas", das die Stadt weitestgehend kontrolliert.
       
       Die Organisation hat Netzaktivistinnen und -aktivisten, die sich kritisch
       gegen das Treiben der Kriminellen äußern, den Krieg erklärt. Bereits im
       September fand man einen Mann und eine Frau, die an einer Fußgängerbrücke
       aufhängt wurden. Auch damals verwies ein Schild auf deren Aktivitäten auf
       Plattformen, in denen über die Mafia diskutiert wird.
       
       Sowohl Macía Castro als auch "Rascatripas" kommunizierten im Forum "Nuevo
       Laredo en Vivo". Dort berichten Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt über
       die aktuelle Sicherheitslage, über Schießereien oder andere
       Konfrontationen. Über Google Maps markieren sie, welche Straße von wem
       kontrolliert wird. Nachdem der Mann am Kolumbus-Denkmal gefunden wurde,
       äußerten sich die Betreiber von "Nuevo Laredo en Vivo" über ihren
       Twitter-Account zunächst zurückhaltend: "Wir können nicht bestätigen, dass
       er die hingerichtete Person ist, weil wir alle anonym sind."
       
       Schon lange terrorisieren die Kartelle Journalistinnen und Journalisten,
       die kritisch über die Mafia berichten, allein im vergangenen Jahr wurden
       sieben Pressevertreter getötet, seit 2000 sind es nach Angaben von Reporter
       ohne Grenzen mindestens 77.
       
       ## Die Lokalzeitungen schweigen
       
       Folglich verlieren in den nördlichen Bundesstaaten, wo die organisierte
       Kriminalität ganze Landstriche kontrolliert, die meisten Lokalzeitungen aus
       Angst kaum mehr ein Wort über die alltäglich präsente Gewalt. "Was also
       sollen die Leute angesichts des Fehlens von Informationen tun, wenn sie
       wissen wollen, wohin sie fahren können und ob sie das Haus verlassen
       können?," fragt sich Juan Carlos Romero von der NGO Articulo 19, die sich
       in Mexiko für Pressefreiheit einsetzt. Man sei einfach auf Twitter, Blogs
       und Facebook angewiesen.
       
       Die Kartelle hätten offenbar erkannt, dass die Macht der Kommunikation im
       Internet größer ist als in den Zeitungen, ergänzte der Analytiker Jorge
       Chabat gegenüber der Nachrichtenagentur ap..
       
       "Wir beobachten, dass der Krieg in Mexiko nicht mehr nur um die Kontrolle
       der Straße geht, sondern auch um die Kontrolle der Information", resümiert
       Carlos Lauria vom US-amerikanischen Comittee to Protect Journalists. Und
       das betreffe nicht mehr nur Pressevertreter, sondern jeden, der informiere.
       Auch eine Twitter-Meldung des Forums "Nuevo Laredo en Vivo" bekräftigte,
       die Mafia wolle mit den Angriffen die Stimmen aus der Stadt zum Schweigen
       bringen.
       
       Angesichts des neuesten Mordes, der höchstwahrscheinlich den Zetas
       zuzuschreiben ist, erscheint ein jüngst von Anonymous verkündeter "Erfolg"
       gegenüber dem Kartell noch fragwürdiger. Ein mutmaßlicher Sprecher der
       Hacker-Bewegung hatte vergangene Woche wissen lassen, die Organisation habe
       einen Anonymous-Aktivisten freigelassen, nachdem die "Anons" gedroht
       hatten, Namen und Adressen von Mitgliedern der Mafia zu veröffentlichen.
       
       Dass die Zetas, die als das brutalste der mexikanischen Kartelle gelten,
       gegenüber einem anarchisch strukturierten Netzwerk klein beigeben, erschien
       ohnehin ungewöhnlich. Mit dem Mord an "Rascatripas" haben die Kriminellen
       jedenfalls jetzt klargestellt, dass sie an ihrer Entschlossenheit
       festhalten, skrupellos gegen ihre Kritikerinnen und Kritiker im digitalen
       Raum vorzugehen.
       
       11 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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