# taz.de -- Bombenentschärfung in Koblenz: Die halbe Stadt muss raus
       
       > Am Wochenende findet die bislang größte Evakuierung wegen einer
       > Bombenentschärfung statt. 45.000 Menschen müssen ihre Häuser verlassen
       > und sogar ein Gefängnis wird geräumt.
       
 (IMG) Bild: Übermannsgroß: Ein Exponat der Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz, das der entdeckten Bombe entspricht.
       
       KOBLENZ dpa | Sie ist drei Meter lang, wiegt 1,8 Tonnen und wird am Sonntag
       weite Teile von Koblenz lahmlegen - die Fliegerbombe im Rhein, die wie so
       viele andere Blindgänger wegen des Niedrigwassers zutage trat. Am 4.
       Dezember soll der britische Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg
       entschärft werden, ebenso wie eine kleinere US-Bombe und ein Nebelfass. Für
       die Behörden eine organisatorische Herkulesaufgabe. Sie müssen die bislang
       größte Evakuierung wegen einer Bombenentschärfung nach dem Zweiten
       Weltkrieg in Deutschland auf die Beine stellen.
       
       Schon die blanken Zahlen des Einsatzes beeindrucken: Rund 45.000 der etwa
       106.000 Einwohner von Koblenz müssen ihre Häuser verlassen. Ein Gefängnis,
       sieben Altenheime und zwei Kliniken werden geräumt. Derzeit loten Experten
       aus, wie viele Rettungskräfte gebraucht werden. Die Arbeitsgemeinschaft der
       Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz etwa plant bislang für das
       Wochenende mit mehr als 350 Fahrzeugen, mehr als 900 ehrenamtliche Helfer
       werden mit anpacken.
       
       ## Fast zwei Kilometer Sperrzone
       
       Die Stadt ließ 40.000 Handzettel drucken mit Tipps für Anwohner.
       Mitarbeiter des Ordnungsamtes klappern seit Dienstag die Briefkästen in der
       Sperrzone im Umkreis von 1,8 Kilometern zur Bombe ab, wie Stadtsprecher
       Thomas Knaak sagt. Man solle die Wohnung abschließen und möglichst die
       Rollläden herunterlassen, ist auf dem Zettel zu lesen. Auch sei an
       Medikamente, Babynahrung oder Ersatzkleidung zu denken.
       
       Besonders aufwendig ist die Räumung des Gefängnisses, rund 200 Häftlinge
       werden umziehen. Los geht es mit den ersten Fahrten in andere Haftanstalten
       des Landes am Freitag, sagt Leiter Josef Maldener. Die rund 80 Kilometer
       entfernte Justizvollzugsanstalt Rohrbach in Wöllstein hilft mit Bussen aus.
       
       Mühe mache die Logistik, aber auch Sicherheitsaspekte, erklärt Maldener.
       "Wir haben zum Beispiel die Tätertrennung zu beachten." Wenn es sich um
       "Tatgenossen" handele, müssten die Häftlinge getrennt bleiben. "Außerdem
       können wir keinen Häftling in den Süden des Landes bringen, der am Montag
       einen Termin in Bad Neuenahr-Ahrweiler hat."
       
       ## "Nicht in Katastrophenmedizin abdriften"
       
       Aus zwei Krankenhäusern müssen laut Feuerwehr etwa 200 Patienten verlegt
       werden. "Hier gibt es sehr viele Feinheiten zu beachten", sagt der Arzt
       Karl Heinz Kienle. Er war bei früheren Evakuierungen in Koblenz leitender
       Notarzt der Einsatzleitung. "Oberstes Ziel ist es, trotz der Umstände nicht
       in die Katastrophenmedizin abzudriften."
       
       Nicht jeder Patient könne in jedes beliebige Krankenhaus gebracht werden,
       sagt Kienle. "Sie können eine Dialyse-Abteilung nicht in ein Krankenhaus
       verlegen, das mit dieser Behandlung keine Erfahrung hat." Problematisch sei
       auch der Transport von Patienten der Intensivstation. "Diese Transporte
       müssen Vorrang auf den Straßen haben, damit es bei der Fahrt möglichst
       keine Erschütterungen gibt."
       
       Im Fall von schwer demenzkranken Menschen müssen bei einer Verlegung
       vertraute Personen dabei sein, weiß Kienle. "Das ist wie bei einem kleinen
       Kind, das Angst hat." Darüber hinaus sei wegen Keimen Vorsicht geboten.
       Fahrzeuge, die Patienten mit dem sogenannten multiresistenten Keim
       transportierten, dürften anschließend nicht mehr im regulären Betrieb
       eingesetzt werden und müssten zur Desinfektion 24 Stunden stillgelegt
       werden.
       
       Um die Fliegerbombe wegzuschaffen musste außerdem eine spezielle
       Greifvorrichtung gebaut worden. Erledigt hat diesen außergewöhnlichen
       Auftrag die Stahlbaufirma Schultheis aus Koblenz. "So was haben wir noch
       nie gefertigt", sagt Schlossermeister Jan Schultheis. Kürzlich stand die
       Feuerwehr bei der Firma vor der Tür, im Gepäck eine vor Jahren entschärfte
       Bombe des gleichen Typs. Dann wurde gemessen, getüftelt und gebaut. Da die
       Klemmen passgenau gefertigt sind, kommen sie nur dieses eine Mal zum
       Einsatz.
       
       30 Nov 2011
       
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