# taz.de -- Neue Wikileaks-Dokumente: Eine Enthüllung, die keine ist
       
       > Julian Assange hat an vielen Fronten gleichzeitig zu kämpfen:
       > Auslieferung, Spendenblockade, Sicherheitsprobleme. Da ist es nützlich,
       > mit den "Spyfiles" etwas abzulenken.
       
 (IMG) Bild: Wider das Vergessen: neue Wikileaks-Veröffentlichungen.
       
       Eigentlich kann einem Julian Assange derzeit leid tun. Der noch vor nicht
       allzu langer Zeit in vielen Medien gefeierte Gründer der
       Enthüllungsplattform Wikileaks kämpft verbissen gegen [1][eine Auslieferung
       nach Schweden] - am 5. Dezember entscheidet der britische High Court of
       Justice über seinen Einspruch. Parallel kann Wikileaks weiterhin nur
       beschränkt Spenden einsammeln, um seinen Betrieb zu sichern: [2][Visa,
       Mastercard und PayPal blockieren] die direkte Unterstützung, einzig über
       Umwege wie einen T-Shirt-Verkauf gelangt noch Geld in die Kasse.
       
       Unterdessen tut sich publizistisch bei Wikileaks wenig. Nur vereinzelte
       Botschaftsdepeschen gelangten in den letzten Monaten an die Öffentlichkeit,
       wirklich neues Material dagegen nicht. Das hat einen ganz praktischen
       Grund: Seit mehr als einem Jahr gibt es für interessierte Whistleblower
       überhaupt keine Möglichkeit mehr, sicher Material an die Plattform zu
       übertragen.
       
       Und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben. Wie Assange vor wenigen
       Tagen verkündete, sei die Standardverschlüsselungstechnik im Web, das
       [3][SSL-Verfahren, nicht mehr zu reparieren], so dass man sich nun eine
       ganz neue Technik einfallen lassen müsse. Doch das kann dauern: Der
       Neustart des "Secure Submission System" wurde zunächst verschoben, ein
       neuer Termin bislang nicht genannt.
       
       Damit Wikileaks nun nicht ganz in Vergessenheit gerät, veröffentlichte die
       Plattform am Donnerstag eine Art Pausenfüller-Leak: Die sogenannten
       [4][Spyfiles sammeln Materialien über Unternehmen], die in 25 Ländern der
       Erde staatliche Stellen - und Telekommunikations- und Internet-Anbieter,
       die für den Staat lauschen müssen - mit Überwachungstechnik versorgen.
       
       ## Infos über Internet-Spionage
       
       Knapp 160 dieser "Lawful Interception"-Firmen werden dabei aufgeführt, das
       Gesamtpaket enthält insgesamt 287 Dateien bestehend aus mehr als 1.000
       Einzeldokumenten. Über ein einfach zu bedienendes Landkarten-Interface kann
       man dabei auf Präsentationen, Broschüren und andere Dokumente zugreifen,
       die sonst höchstens interessierte Kunden zu sehen bekommen.
       
       Zusätzlich sind weitere Firmen aufgeführt, zu denen keine weiteren
       Dokumente bereitstehen, dafür gibt es dann aber immerhin einen Link auf die
       Homepage. Nachlesen kann man, wie der gesamte Internet-Verkehr abgehört
       werden kann, wie E-Mails, Surftouren im Web, Internet-Telefonie-Gespräche
       oder Instant-Messaging auf immer ausgefeiltere Art und Weise mitgelesen
       werden können.
       
       Total geheim oder auch nur total neu ist das alles allerdings nicht. So
       veröffentlichte etwa der Chaos Computer Club [5][allerlei
       Hintergrundmaterial] über die Staatstrojaner-Firma Digitask, die auch in
       den "Spyfiles" vorkommt. Und erst am 19. November veröffentlichte das Wall
       Street Journal einen großen Bericht [6][mit ähnlichen Dokumenten über
       Anbieter von Spionage-Software] - komplettiert durch ein einfach zu
       navigierendes Archiv an Auszügen an ebensolchen Präsentationen und
       Broschüren, wie sie Wikileaks nun veröffentlicht.
       
       Beeindruckend ist die Wikileaks-Materialsammlung aber schon, weil sie das
       Ausmaß dieser Branche dokumentiert. Assange selbst gibt sich bescheiden,
       was seine eigene Rolle an dem "Spyfiles"-Projekt anbetrifft: Er habe eine
       "Satelliten-Funktion" innegehabt. Tatsächlich arbeiteten auch das
       [7][britische Büro für investigativen Journalismus] und die französische
       Recherchegemeinschaft [8][OWNI] mit, beide veröffentlichen parallel zu
       Wikileaks eigene Aufbereitungen der Daten.
       
       Das Projekt zeigt, wie Wikileaks sich künftig weiterentwickeln könnte - hin
       zu einer datenjournalistischen Aufbereitung von Geheimmaterial. Tatsächlich
       hilft dem Leser vor allem eine vernünftige Darstellung der Leaks: Ist das
       Material zu unzugänglich, verfehlt es seine Wirkung. Und genau das wäre
       schade: Die "Spyfiles" zeigen in ihrem geballten Umfang nämlich, was
       mittlerweile technisch möglich ist: Der Überwachung sind keine Grenzen
       gesetzt.
       
       4 Dec 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gerichtsentscheidung-zu-Wikileaks-Gruender/!81090/
 (DIR) [2] http://shop.wikileaks.org/donate
 (DIR) [3] /Hackerangriff-auf-Zertifikate/!78610/
 (DIR) [4] http://wikileaks.org/the-spyfiles.html
 (DIR) [5] /CCC-ueber-aktuellen-Staatstrojaner/!80666/
 (DIR) [6] http://online.wsj.com/article/SB10001424052970203611404577044192607407780.html?mod=googlenews_wsj
 (DIR) [7] http://www.thebureauinvestigates.com/category/projects/surveillance-2/
 (DIR) [8] http://owni.fr/2011/12/01/spy-files-interceptions-ecoutes-wikilleaks-qosmos-amesys-libye-syrie/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Datenjournalismus
       
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