# taz.de -- Julian Assange im russischen Fernsehen: Mit Putins Geld für Meinungsfreiheit
       
       > Ab März wird der Gründer von Wikileaks eine Sendung bei "Russia Today"
       > bespielen. Es soll ein Aufklärungsprogramm über die westliche Welt
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Ausgerechnet im russischen Fernsehen will Julian Assange über die Geschicke der Welt plaudern.
       
       MOSKAU taz | "Tusch und Trommelwirbel, die erste Show Julian Assanges läuft
       bei uns", frohlockte Margarita Simonyan, die Chefredakteurin des russischen
       Satellitensenders Russia Today (RT). Ab März wird Wikileaksgründer Assange
       auf dem staatlichen russischen Kanal auf Sendung gehen. Geplant sind
       zunächst zehn Interviews "mit politischen Schlüsselfiguren, Intellektuellen
       und Revolutionären aus aller Welt", die, so wie Assange, "die Tagesordnung
       von Morgen bestimmen".
       
       Russia Today [1][feiert die Zusage des Australiers], der mit der
       Veröffentlichung geheimer US-Depeschen 2010 für Furore sorgte, wie einen
       Geheimdienstcoup, der das Weltgefüge aus den Angeln zu heben droht. Nie
       hätte sie mit solcher Ungeduld auf den Start eines Programms gewartet,
       meinte die Chefredakteurin: "Unsere Zuschauer sind für solche Diskussionen
       offen, die Julian in seiner Show präsentiert".
       
       Die Namen der Revolutionäre hält der Sender indes noch geheim. Auch
       Showmaster Assange ist noch unter Verschluss. Er steht im englischen
       Norfolk unter Hausarrest. Anfang März soll ein Londoner Gericht über den
       Auslieferungsantrag Schwedens wegen eines mutmaßlichen Sexualdelikts
       entscheiden.
       
       Dass der hackende Rebell aus der Unfreiheit des Westens sein
       Aufklärungsprogramm startet, stellt für die Verantwortlichen des russischen
       Propagandasenders denn auch einen ganz besonderen Reiz dar. Russische
       Revolutionäre und Vertreter der Opposition sind in der Sendung eher nicht
       zu erwarten.
       
       ## Der Sender will westliche Gegenöffentlichkeit sein
       
       Russia Today ist eine treue Stimme des Kremls, der den Sender 2005 aus der
       Taufe hob, um Russlands internationalen Einfluss zu erhöhen. Der Kanal
       sendet neben Englisch auch in Spanisch und Arabisch. Die russischen
       Journalisten wurden von den Kremlpropagandisten handverlesen und auf
       unbedingte Loyalität geprüft. Die ausländischen Mitarbeiter, meist
       Mutterprachler, stellen einen seltsamen Mix aus Abenteurern, unerfahrenen
       Berufsanfängern, Ahnungslosen, ausgemusterten Westjournalisten oder
       Geldkarrieristen.
       
       Offiziell will der Sender politischen Aktivisten und Experten eine Stimme
       leihen, die in den Mainstream-Medien des Westens nicht zu Wort kommen. Dem
       selbstgestellten Auftrag, Gegenöffentlichkeit zu schaffen – zumindest im
       Ausland –, wird der Sender nicht gerecht. Leitmotiv der Beichterstattung
       ist die vermeintliche westliche Verschwörung gegen Russland.
       
       Schwarzweißmalerei und ominöse Experten dominieren das Programm. So sieht
       Russia Today auch bei den Revolutionen in der arabischen Welt die Hand des
       Freimaurertums im Spiel. Wie das frühere sowjetische Fernsehen widmet sich
       der Sender ausführlich sozialer Not und Ungerechtigkeit in der westlichen
       Welt. Die Glaubwürdigkeit leidet jedoch darunter, dass der Fokus nicht auf
       den Missständen ruht, sondern die Unvollkommenheit des eigenen Systems
       vertuschen soll.
       
       Fraglich ist, ob sich Wikileaksgründer Assange über die Folgen des
       Schulterschlusses mit der russischen Propagandamaschine im Klaren ist.
       Russland landete im Pressefreiheitsrating der Organisation "Reporter ohne
       Grenzen" 2012 auf Platz 142 von 178 Staaten, hinter Gambia, aber vor
       Kolumbien.
       
       "Schämen Sie sich, Mr. Assange!", schrieb Alexander Lebedew, der Oligarch
       und Miteigentümer der oppositionellen Zeitung Nowaja Gaseta bei Facebook.
       "Ein schlimmeres Ende für einen Herausforderer der Weltordnung als
       Angestellter des staatlich kontrollierten Russia Today zu werden, kann man
       sich kaum vorstellen".
       
       26 Jan 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://rt.com/news/julian-assange-rt-exclusive-617/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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