# taz.de -- Schöngerechnet statt schön gerechnet: Länder fälschen ihre Klimabilanzen
       
       > Immer mehr Staaten verzerren ihre Emissionswerte. Die "Rechenmethoden"
       > sind oft politisch motiviert, die Tricks vielfältig, die Folgen für die
       > Klimaverhandlungen fatal.
       
 (IMG) Bild: Es gibt viele Wege, dieses neue Baumwollfeld im australischen Dalby in die nationale Emissionsbilanz einzurechnen. Nicht alle sind korrekt.
       
       DURBAN taz | An Furcht erregenden Zahlen herrscht auf einer Klimakonferenz
       kein Mangel. Durban ist da keine Ausnahme: Wenn die globalen
       Treibhausgasemissionen nicht schnell und drastisch gekürzt würden, stiegen
       sie bis 2020 auf 55 Milliarden Tonnen, erklärte gestern die
       Unternehmensberatung "Ecofys" – elf Milliarden über dem Wert, der den
       Klimawandel bei zwei Grad Celsius begrenzen könnte.
       
       Selbst wenn alle aktuellen Klimaschutzverpflichtungen umgesetzt würden,
       erwärme sich der Globus bis 2100 um 3,5 Grad. Und die Internationale
       Energieagentur (IEA) warnte, es würde derzeit so viele fossile Kraftwerke
       auf der Welt errichtet, dass für den Klimaschutz "ab 2017 weltweit nur noch
       Null-Emissionskraftwerke gebaut werden dürften."
       
       Und dann kam gestern noch ein Hilferuf der Wissenschaft dazu: "Es wird
       immer schwieriger, verlässliche Emissionszahlen zu finden, weil die Staaten
       sie immer unterschiedlicher berechnen", sagt Marion Vieweg vom deutschen
       Forschungsinstitut "Climate Analytics". "Die internationalen Standards
       werden unterlaufen, so dass es kaum noch möglich ist, die Daten für
       Politiker, Verhandler oder die Öffentlichkeit verständlich aufzuarbeiten."
       
       Viele Länder lehnten das Kioto-Protokoll und seine Rechenregeln inzwischen
       ab und formulierten andere Standards, die Vergleiche zwischen den Ländern
       und Aussagen zu Fortschritten beim Klimaschutz schwierig machten. Manche
       Änderungen seien zwar wissenschaftlich zu begründen, sagte Vieweg. "Aber
       der Trend ist klar: Oft sind neue Rechenmethoden politisch motiviert."
       
       ## Kreative Buchführung
       
       Vor allem bei der Berechnung von Emissionen aus der Landwirtschaft und der
       Entwaldung herrscht oft kreative Buchführung, zeigt eine Studie von Climate
       Analytics: Australien etwa rechnet seine Waldbereich so geschickt ein, dass
       aus einem Überschreitung seiner Ziele von bis zu 26 Prozent plötzlich eine
       Minderung von fünf Prozent wird.
       
       Die USA verändern ihre Grundlagen so kräftig, dass die Zahlen in einem Jahr
       drei Prozent über dem Soll liegen und im Jahr darauf bei einem Prozent
       darunter. Brasilien erhöht die Prognose für seinen Treibhausgasausstoß, um
       sich ohne größere Anstrengung mehr Reduktion gutzuschreiben.
       
       China lässt sich bei der Berechnung seiner Emissionen pro Einheit des
       Bruttoinlandsprodukts nicht in die Karten schauen. Und Japan rechnet seine
       Finanzhilfen zum internationalen Klimaschutz so gekonnt, dass aus den
       realen 6,3 Milliarden Dollar auf dem Papier 9,7 Milliarden werden.
       
       Diese Zahlenzauberei ist bei den Klimaverhandlungen hoch politisch. Denn
       hier wird auch um die Standards gerungen, mit denen Emissionen,
       Klimaschutzanstrengungen und finanzielle Hilfe messbar, reportierbar und
       verifizerbar (MRV) sind. Diese vordergründig technischen Fragen werden
       schnell politisch, wenn das Regelwerk des Kioto-Protokolls durch
       freiwillige Verpflichtungen ersetzt werden sollen – die sich dann auch
       jedes Land nach Gutdünken schön rechnen kann.
       
       ## Die ersten drei Plätze bleiben frei
       
       Viele Umwelt- und Klimagruppen führen deshalb ihre eigenen Statistiken.
       Gestern etwa stellte "Germanwatch" seinen "Klimaschutzindex 2012" vor, der
       die Anstrengungen der Länder nach Klimagas-Reduktionen und politischen
       Anstrengungen bewertet.
       
       Wieder einmal bleiben die ersten drei Plätze frei, weil kein Land genug
       tut. Dann folgen Schweden, Großbritannien und Brasilien, dahinter
       Deutschland, wo die Energiewende positiv gewertet wurde. Am wenigsten
       Anstrengungen unternehmen laut diesem Index Saudi Arabien, Kasachstan und
       Iran.
       
       Die USA wurden besser bewertet als zuvor, aber dies vor allem, weil die
       Wirtschaftskrise die Emissionen sinken ließ. Australien wiederum stieg auf,
       weil die Politik im Land etwa mit der Einführung einer Kohlenstoffsteuer
       nach Sicht der Umweltschützer auf dem richtigen Weg ist. Und diesmal wurde
       an den Daten nicht herumgeschraubt: Germanwatch nutzte für seine Bewertung
       keine Zahlen aus der Landwirtschaft.
       
       6 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
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