# taz.de -- Menschenrechtsexperte zur Polizeiausbildung: "Es fehlt der Fokus auf Hass als Motiv"
       
       > Deutschen Polizisten fehlt häufig die Sensibilität für Straftaten, die
       > aus Hass begangen wurden, sagt der Menschenrechtsexperte Williamson. Ihre
       > Ausbildung müsse sich ändern.
       
 (IMG) Bild: Gewöhnliche Schlägerei – oder ist Hass im Spiel?
       
       Herr Williamson, Human Rights Watch hat in einem [1][am Freitag
       veröffentlichten Hintergrundpapier] die Ausbildung der Polizei in
       Deutschland kritisiert. Um was genau geht es da? 
       
       Wir kritisieren die fehlende Ausbildung von Polizisten und Polizistinnen in
       Bezug auf Hasskriminalität. Dies wird von deutschen Behörden oft nicht
       hinreichend untersucht.
       
       Was ist Hasskriminalität? Geht es dabei um Straftaten mit rechtsextremem
       Hintergrund? 
       
       Auch. Politisch motivierte Kriminalität gegen Migranten oder ethnische
       Minderheiten sind ein wichtiges Beispiel dafür. Aber Hasskriminalität meint
       etwa auch Übergriffe gegen Lesben oder Schwule aus homophoben Motiven.
       Allgemein ist Diskriminierung die Motivation für so solche Straftaten.
       
       Aber so etwas wird doch in schon Deutschland bestraft. 
       
       Ja, aber es fehlt der Fokus auf den Hass als Motivation von Straftaten.
       Hasskriminalität ist in Deutschland eine Unterkategorie von politisch
       motivierter Gewalt. Das bedeutet, dass die Polizei diese Taten oft als
       gewöhnliche Straftaten behandelt, wenn bei den vermeintlichen Tätern keine
       Verbindung zu rechtsextremen Kreisen und keine offensichtlichen
       ideologischen Motive nachgewiesen werden.
       
       Was bedeutet das für die Opfer? 
       
       Das hat ganz persönliche Auswirkungen auf die Opfer. Sie fühlen sich dann
       oft nicht ernst genommen und sind nicht bereit, die Tat anzuzeigen, weil
       sie keine Aussicht auf eine richtige Aufklärung haben. Außerdem gibt es
       keine genügenden Statistiken zu diesem Problem, was bedeutet, dass keine
       adäquaten Strategien dagegen entwickelt werden können.
       
       Muss sich also an der Gesetzeslage etwas ändern? 
       
       Unserer Meinung nach nicht. Es muss eine bessere polizeiliche Ausbildung
       geben, so dass in der Praxis der Fokus der Ermittler mehr auf der
       Motivation der Täter liegt. Außerdem kann Hass bereits jetzt schon als
       Motiv strafrechtlich relevant sein, die Gesetze müssen nur besser angewandt
       werden. Staatsanwälte und Richter berücksichtigen Hass allerdings nicht
       immer als Motivation bei der Strafbemessung von Fällen, in denen es um
       rassistische oder andere aus Hass begangene Gewalttaten geht, obwohl sie
       dazu befugt wären.
       
       Wie genau würde eine bessere Ausbildung die Lage verbessern? 
       
       Wir fordern mehr Schulungen für Polizisten. Außerdem sollte es eine engere
       Kooperation zwischen Opferverbänden und der Polizei geben. Aber auch mit
       anderen Verbänden wie etwa denjenigen von Migranten oder Schülern sollte
       enger zusammengearbeitet werden. Wie empfehlen außerdem, dass auch in der
       Ausbildung die Kooperation mit Opferverbänden verstärkt wird, etwa indem
       diese die angehenden PolizistInnen unterrichten und ihnen Empfehlungen
       geben. Ein positives Beispiel ist da die Kooperation der Berliner Polizei
       mit Verbänden von Schwulen und Lesben.
       
       Wie verhält sich die Polizei allgemein dazu? Gibt es eine Bereitschaft,
       etwas zu verändern? 
       
       Wir haben für unsere Studie Kontakt zu Behörden in sechs Bundesländern
       aufgenommen. In den ostdeutschen Ländern Sachsen, Thüringen und
       Sachsen-Anhalt gab es insgesamt eine größere Offenheit. Zum einen haben die
       Landeskriminalämter dort kleinere Schwierigkeiten im Umgang mit
       Hasskriminalität eingeräumt. Außerdem bestand auch eine gewisse Offenheit,
       die Dinge zu verbessern. Im Westen hingegen gibt es viel weniger
       Opferverbände als im Osten, was das reale Ausmaß der Problematik
       möglicherweise verschleiert.
       
       Woran liegt das? 
       
       Genau haben wir das nicht untersucht. Aber möglicherweise ist die mediale
       Aufmerksamkeit für den Osten, was das Thema Gewalt angeht, einfach größer
       und dadurch entsteht dort ein größerer Druck.
       
       Welche Verbesserung erhoffen Sie sich durch ihre Forderungen? Gibt es dann
       weniger Straftaten? 
       
       Hoffentlich. Wenn die Polizei solche Taten ernster nimmt, dann hat das auch
       ein Abschreckungspotential. Ich gebe da mal ein Beispiel: Als Mitarbeiter
       der amerikanischen Botschaft ein Hertha-Spiel besuchten, kam es im
       Anschluss zu Übergriffen gegen sie, und zwar weil sich auch ein
       Dunkelhäutiger unter ihnen befand. Die Polizei vertrieb die Angreifer, nahm
       aber den Fall nicht zu Protokoll.
       
       Als der amerikanische Botschafter Anzeige erstatten wollte, stellte sich
       heraus, dass die Polizei diesen Fall nicht aktenkundig gemacht hatte, als
       ob es sich hierbei lediglich um eine Wirtshausrangelei gehandelt hätte.
       Nach unseren Untersuchungen ist das eine verbreitete Vorgehensweise der
       deutschen Sicherheitskräfte. Wenn die Täter gewusst hätten, dass die
       Polizei das ernster nimmt, dann hätten die das vielleicht nicht gemacht.
       
       Ist die Situation in anderen europäischen Ländern besser? 
       
       Sie ist insofern besser, als dass dort Hasskriminalität als eigene
       Kategorie eines Straftatbestands besteht. In vielen Ländern der EU wird
       diese Kategorie ernster genommen. Da mögen historische Gründe eine Rolle
       spiele, aber wir haben das nicht genauer untersucht.
       
       10 Dec 2011
       
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