# taz.de -- Justiz und Rechtsterrorismus: Auf einen Deal mit Neonazis?
       
       > Die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe soll zum Reden gebracht
       > werden. Zuletzt war eine Kronzeugenregelung im Gespräch. Ein
       > Pro-und-Contra.
       
 (IMG) Bild: Darf die Justiz Beate Zschäpe Strafmilderung anbieten?
       
       ## Pro:
       
       Beate Zschäpe soll Strafmilderung als Kronzeugin bekommen - wenn sie
       auspackt. Und wenn sie will, kann sie viel zur Aufklärung der NSU-Mordserie
       beitragen: Wer hat das Trio unterstützt? Wurden die Terroristen staatlich
       gedeckt oder begünstigt? Mit welchen Methoden verhinderten sie eine
       Entdeckung? All das will die Gesellschaft wissen. Und niemand könnte besser
       Auskunft geben als Zschäpe.
       
       Dass sie eventuell aussagen wird, hat sie bereits kurz nach ihrer
       Inhaftierung angedeutet. Insofern besteht durchaus Hoffnung, auch wenn sie
       derzeit auf Anraten ihrer neuen Verteidiger schweigt.
       
       Dass Zschäpe sich an schwersten Verbrechen beteiligt hat, steht einem
       Kronzeugenbonus nicht entgegen. Im Gegenteil. Genau für solche Fälle wurde
       er eingeführt. Die Regelung hat keinen Moralvorbehalt. Wer die
       Kronzeugenregelung aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt, muss ihre
       Streichung fordern. Solange sie gilt, kann auch Zschäpe sich darauf
       berufen.
       
       Der Staat schließt dabei keinen Deal mit einer Mörderin. Zschäpe muss ihre
       Kronzeugenaussage vor Eröffnung der Hauptverhandlung bei Polizei und
       Staatsanwaltschaft machen, die ihr nichts versprechen können. Denn über den
       Kronzeugenrabatt entscheidet das Strafgericht Monate später, je nachdem,
       was die Aussage wert war.
       
       Natürlich gibt es Beispiele, in denen Kronzeugen gelogen haben. Dass
       Angeklagte andere wahrheitswidrig belasten, um ihre eigene Haut zu retten,
       ist die nächstliegende Befürchtung, seit es Strafprozesse gibt. Damit
       können erfahrene Richter umgehen. Deshalb muss die Kronzeugenaussage auch
       schon vor dem Prozess erfolgen, damit sie gründlich geprüft werden kann.
       
       Wenn eine Mörderin - und Zschäpe wird eventuell als Mittäterin wegen Mordes
       angeklagt - nur zehn Jahre Haft statt "lebenslänglich" bekommen kann, dann
       ist das für sie ein deutlicher Anreiz, auszupacken. Zugleich sind zehn
       Jahre Haft aber auch keine Bagatelle. Das Gerechtigkeitsbedürfnis der
       Bevölkerung wäre einigermaßen befriedigt. Das war bei der alten
       Kronzeugenregelung anders. Da konnte ein Mörder mit drei Jahren Haft
       davonkommen. Doch das gilt heute nicht mehr. CHRISTIAN RATH 
       
       ## Contra:
       
       Die Wahrscheinlichkeit, dass Beate Zschäpe ihre Gesinnungsgenossen und sich
       selbst schwer belastet, ist doch eher gering. Die Kronzeugenregelung kann
       sich bei politisch motivierten Tätern eignen – denn politische Verhältnisse
       wandeln sich. Bei Gesinnungstätern wie Zschäpe aber ist diese Regelung
       nichts wert.
       
       Denn sie hat seit ihrer Kindheit ein unumstößliches Feindbild, das sich
       wohl kaum wandeln wird. Ihre toten Freunde, die Zwickauer Mörder,
       bezeichnet sie immerhin als Familie. Diese Frau hat sich sehr früh und
       bewusst für ein Leben im Untergrund mit den nun verstorbenen Männern
       entschieden. Wer verrät schon seine Familie?
       
       Zschäpe ist nicht nur Zeugin, sie ist auch Beschuldigte und verwickelt in
       eine Serie unfassbarer Morde. Sie soll gemeinsam mit den Neonazis Uwe
       Mundlos und Uwe Böhnhardt die Terrorzelle Nationalsozialistischer
       Untergrund (NSU) gebildet haben. Dem Trio werden zehn Morde und zwei
       Sprengststoffanschläge in Köln zur Last gelegt. Und mit ihr soll der Staat
       nun also verhandeln?
       
       Neben der schweren Beschuldigungen bleibt die Gefahr einer Irreführung. Es
       gibt zahlreiche kriminologische Studien, die zeigen, dass bei solchen
       Vernehmungen die Unwahrheit gesagt wird. Die Versuchung für die
       Inhaftierte, durch Falschbezichti- gungen eine Strafmilderung zu erhalten,
       ist groß. Soll der Staat also auf halbwahre Aussagen mutmaßlicher
       Verbrecher vertrauen? Gerade jetzt wurde doch deutlich, wie wenig das
       taugt. Die Behörden hatten Informationen von rechten V-Leuten und haben
       dennoch versagt.
       
       Auch in der Vergangenheit war die Kronzeugenregelung zu Recht umstritten.
       Sie wurde 1989 unter Helmut Kohl (CDU) eingeführt, um die
       RAF-Terroranschläge der 3. Generation aufzuklären. Es ist nicht gelungen.
       
       Die Ermittler müssen nun sauber arbeiten, um nicht mit einer Verbrecherin
       kooperieren zu müssen. Eine Kronzeugenaussage kann sehr hilfreich sein,
       reicht aber als einziges Beweismittel nicht aus. Ein Staat, der sich durch
       solche Deals Informatio- nen erkauft, ist nicht sehr vertrauenswürdig. Der
       Rechtsstaat muss nun beweisen, dass er Verbrechen auch ohne die Hilfe von
       Kriminellen aufklären kann. CIGDEM AKYOL
       
       9 Dec 2011
       
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