# taz.de -- Frankreichs Justiz will Unabhängigkeit: Hartnäckige Untersuchungsrichter
       
       > Erst vor kurzen protestierten 127 Staatsanwälte öffentlich dagegen, dass
       > sie sich den Weisungen des Justizministeriums unterzuordnen haben. Es
       > scheint gewirkt zu haben.
       
 (IMG) Bild: Der ehemalige französische Staatspräsident bekommt die Unabhängigkeit der Gericht zu spüren (Archivbild aus besseren Zeiten von 2005).
       
       PARIS taz | Der Chirac-Prozess könnte am Ende als Lehrstück für die
       Notwendigkeit der Gewaltentrennung in die französische Rechtsgeschichte
       eingehen. Dieses staatstheoretische Prinzip der Unterscheidung zwischen
       gesetzgeberischen und ausführenden Behörden und der Justiz beansprucht
       Frankreich als sein ureigenstes Kulturerbe.
       
       Die Urheberschaft beansprucht man für Baron de Montesquieu, einen Vordenker
       der Aufklärung. Der müsste sich nach einer kurzen Inspektion des
       gegenwärtigen französischen Staatswesens und seiner Justiz beschämt im
       Grabe umdrehen.
       
       Vom Ancien Régime der absoluten Monarchie hat nämlich die heutige Fünfte
       Republik ein zentralistisches System geerbt, bei dem sich die Staatsspitze,
       der vom Volk gewählte Präsident, seine Berater und seine Regierung, über
       die Regeln der demokratischen Vernunft und des republikanischen Anstands
       immer wieder hinwegsetzen.
       
       Die dabei vorgeschobene Staatsräson hätte es auch gewollt, dass ein
       früherer Präsident und Gründer der heutigen Regierungspartei nicht vor
       Gericht gezerrt würde. Dazu hat zuerst Jacques Chirac selber alles getan,
       was in seiner Macht stand.
       
       Nur aufgrund hartnäckiger Untersuchungsrichter (deren Funktion der jetzige
       Präsident Nicolas Sarkozy abschaffen will) kam es gegen den Willen der
       Hierarchie doch zum Prozess.
       
       Wie danach die Pariser Staatsanwaltschaft zuerst die Einstellung aller
       Ermittlungen wünschte und anschließend entgegen jeder Verhandlungslogik
       einen Freispruch forderte, verdeutlichte die Probleme der Gewaltentrennung.
       
       Es ist nämlich üblich und bekannt, dass das Justizministerium den
       Staatsanwälten ständig Weisungen erteilt. Grundsätzlich steht es diesen
       frei, die Direktiven zur Prozedur oder für ihre Plädoyers zu befolgen oder
       nicht.
       
       Zumindest den auf ihre Karriere bedachten öffentlichen Anklägern aber ist
       der Wunsch der Staatsführung ein Befehl. Vor wenigen Tagen erst haben 127
       Staatsanwälte in einer öffentlichen Stellungnahme gegen diese hierarchische
       Unterordnung protestiert.
       
       Dass dies ausgerechnet im Chirac-Prozess zum Schluss nicht der Fall war,
       grenzt für die meisten Gerichtsbeobachter schon fast an ein Wunder oder
       eben eine bewusste Widerstandsaktion der Justiz, die auf ihre Autonomie
       pocht.
       
       15 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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