# taz.de -- Grüne Ministerin in Rheinland-Pfalz: Abschiebeknast soll dicht machen
       
       > Die grüne Integrationsministerin Irene Alt will nun doch das
       > Abschiebegefängnis in Ingelheim schließen lassen. Bislang wollte sie noch
       > "ergebnisoffen" diskutieren.
       
 (IMG) Bild: Ausdauernde Aktivisten: In Rheinland-Pfalz hat der jahrelange Protest gegen Abschiebegefängnisse offenbar Erfolg.
       
       TRIER taz | Plötzlich klappt es doch: Überraschend deutlich hat sich die
       grüne Integrationsministerin aus Rheinland-Pfalz, Irene Alt, dazu bekannt,
       nun doch die Abschiebehaftanstalt in Ingelheim bei Mainz zu schließen.
       Gegen die Einrichtung protestieren Flüchtlingsinitiativen seit Jahren.
       
       Im Amtsdeutsch "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige" genannt,
       bezeichnen Kritiker das Gebäude als "Hochsicherheitstrakt" und "Sinnbild
       einer inhumanen Abschiebepolitik". In außerparlamentarischen Tagen
       bedienten auch die Grünen solch kritische Töne. Doch zu den Zeiten, als die
       SPD in Rheinland-Pfalz noch allein regierte, erschien eine Schließung des
       Gefängnisses utopisch.
       
       Das änderte sich, als im März dieses Jahres die SPD bei den Landtagswahlen
       deutliche Verluste einfuhr und auf eine Regierung mit den Grünen verwiesen
       war. Der rot-grüne Koalitionsvertrag sollte Utopie Wirklichkeit werden
       lassen: Eine Expertenkommission wurde beauftragt, Alternativen zum
       Abschiebegefängnis zu prüfen, Ministerin Alt lud zu einem runden Tisch ein.
       
       Mit dabei waren auch Gruppen, mit denen die Grünen einst gegen das
       Abschiebegefängnis demonstriert hatten. Doch die Organisationen, angetreten
       mit der Erwartung, die "Festung Ingelheim abzuschaffen", mussten nach der
       ersten Runde feststellen, dass zu Tisch "ergebnisoffen" diskutiert wurde.
       
       Der Arbeitskreis Asyl, der Initiativausschuss für Migrationspolitik und die
       Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte sahen ihren Traum von einem
       Rheinland-Pfalz ohne Abschiebeknast geplatzt. Es hieß, hinter den Kulissen
       agiere die SPD gegen eine Schließung des Gefängnisses.
       
       ## Proteste haben Wirkung gezeigt
       
       Die Flüchtlingsgruppen erwogen, den runden Tisch platzen zu lassen. Ende
       vergangener Woche unterstrich Roland Graßhoff vom Initiativausschuss für
       Migrationspolitik erneut: "Wir erwarten eine klare Exit-Strategie der
       Ministerin."
       
       Die Proteste haben Wirkung gezeigt: Am vergangenen Freitag strich Alt das
       Wort "ergebnisoffen" - und gab das Ziel aus, die Zellen in Ingelheim
       dichtzumachen, sei die Grundlage für weitere Verhandlungsrunden. Die Grünen
       wahren damit ihr Gesicht. Schließlich mussten sie in den
       Koalitionsverhandlungen bereits den Weiterbau der Hochmoselbrücke
       schlucken, auf dem die SPD beharrte.
       
       "Das ist ein guter Tag für die Asylpolitik in Rheinland-Pfalz", freute sich
       Graßhoff, "ein Verdienst der Gruppen, die seit Jahren gegen den Knast
       demonstriert haben." Auch Rosemarie Loeser ist zufrieden: "Das ist eine
       super Nachricht", sagte die Aktivistin vom Aktionsbündnis "Abschiebehaft
       abschaffen" zur taz.
       
       Loeser hatte immer wieder gegen den Betonklotz an der Ingelheimer
       Ausfallstraße mobilisiert. Zuletzt am 8. Dezember bei einer Demonstration
       vor dem Amtssitz der Ministerin. Doch diesen Druck will Alt nicht gespürt
       haben: "Dass die Initiativen den Abschied vom runden Tisch diskutiert
       haben, ist mir offiziell nie zu Ohren gekommen."
       
       ## "Abschiebehaft kann nur der Bund abschaffen"
       
       ## 
       
       Die Ministerin erklärt den Zeitpunkt ihres Bekenntnisses zum
       Ingelheim-Ausstieg mit der komplizierten Vertragslage. Über die Nutzung der
       Einrichtung, die offiziell 152 Haftplätze hat, bestehen langfristige
       Mietverträge mit dem Landesbetrieb LBB und dem Saarland.
       
       Die benachbarte Regierung stellte frühzeitig klar, dass sie keinerlei
       Ambitionen hege, die Rheinland-Pfälzer beim Ausstieg zu unterstützen. Alt
       sieht darin jedoch kein Problem mehr: "Wir handeln auch im Interesse des
       Saarlandes", sagte sie. Schließlich sei die Ingelheimer Einrichtung
       überdimensioniert. Längst nicht alle Plätze wurden genutzt.
       
       Eine Anfrage des saarländischen SPD-Abgeordneten Magnus Jung hatten
       ergeben, dass das Saarland für das Gefängnis in anderthalb Jahren über 1,7
       Millionen Euro an Rheinland-Pfalz überweisen musste. Nun hofft man, dass
       eine Alternative weniger kostet. Wie sie aussehen könnte, darüber will Alt
       noch nicht spekulieren: "Dafür ist es zu früh."
       
       In der Zivilgesellschaft denkt man schon über die Abschiebehaft der Zukunft
       nach. Graßhoff kann sich eine Unterbringung von Flüchtlingen wie am
       Frankfurter Flughafen vorstellen. "Klar ist, es wird so was wie ein
       Gefängnis bleiben. Abschiebehaft kann nur der Bund abschaffen", dämpft er
       die Euphorie. Für Loeser steht fest: "Wenn das ein neuer Knast wird, dann
       werden wir wieder auf die Straße gehen."
       
       18 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Jellonnek
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Anschlag auf Göttinger Gericht: Angriff auf die Abschiebepraxis?
       
       Unbekannte haben einen Brandanschlag auf ein Göttinger Gerichtsgebäude
       verübt, in dem Abschiebungen absegnet werden. Die Polizei vermutet
       militante Linke als Täter.
       
 (DIR) Abschiebung in den Kongo: Einer, der kein Glück hatte
       
       Amboka Kasukamaku kam als Kind aus dem Kongo nach Berlin. Nach 20 Jahren
       Duldung soll er jetzt zurück.
       
 (DIR) Schünemann brüskiert die Kirche: Minister für Innereien
       
       Mit seiner Abschiebepolitik verprellt Innenminister Uwe Schünemann die
       christliche Kernklientel der CDU.
       
 (DIR) Asylpolitik der EU: Keine klaren Kriterien
       
       Für die Anerkennung und Unterbringung von Asylbewerbern müssen EU-weite
       Standards eingeführt werden. Damit wäre allen Seiten geholfen.