# taz.de -- taz-Serie "So wird 2012" (Teil 3): "Die alten Maya würden sich wundern"
       
       > Am 21. Dezember geht die Welt unter - sagen jedenfalls selbsternannte
       > Maya-Experten. Astronomin Monika Staesche wüsste nicht, warum.
       
 (IMG) Bild: Sagen Sterne die Zukunft voraus? Quatsch, meint die Astronomin.
       
       taz: Frau Staesche, was sagt Ihnen das Datum 21.12.2012? 
       
       Monika Staesche: Mir ist natürlich bekannt, dass es Leute gibt, die
       behaupten, am 21. Dezember ginge die Welt unter. Dazu kann ich nur sagen:
       Aus astronomischer Sicht deutet nichts darauf hin.
       
       Diese Leute stützen sich auf Berechnungen der Maya. Genauer gesagt auf
       einen Kalender. 
       
       Die Maya haben in Mittelamerika gelebt. Ihre Chronologie steht auf einer
       völlig anderen Grundlage als die europäische. Sie haben sich unter anderem
       an Himmelsereignissen orientiert. Die Frage ist, ob die Wissenschaftler,
       die den Kalender untersucht haben, das Anfangsdatum richtig gesetzt haben.
       
       Angeblich beginnt der Kalender am 1. August des Jahres 3140 vor Christi
       Geburt. 
       
       Mittlerweile gibt es Theorien, dass dieses Datum beträchtlich daneben
       liegt. Außerdem: Nirgendwo bei den Maya steht geschrieben, dass dies das
       Ende der Welt sein soll. Es endet lediglich eine Zählung des Kalenders. Im
       Übrigen würde das Ende der Menschheit noch lange nicht das Ende der Welt
       bedeuten. Ich glaube, die Welt käme auch ganz gut ohne uns klar (lacht). 
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Auf Dauer würde man uns genauso wenig vermissen, wie man auf Dauer die
       Dinosaurier vermisst hat. Und die haben entschieden länger als die Menschen
       auf diesem Planeten gelebt. Es gibt einen kosmischen Kalender, in dem die
       gesamte Zeit, die das Universum seit dem Urknall existiert, auf ein Jahr
       umgerechnet ist. Nach diesem Kalender hätten die Dinosaurier drei Tage
       gelebt. Wir Menschen gerade zehn Sekunden.
       
       Wie lange geben Sie uns noch? 
       
       Kommt darauf an, wie wir weitermachen. Ich habe weniger Angst vor einem
       Weltuntergang durch irgendwelche angeblichen kosmischen Katastrophen als
       vor einem menschengemachten. Irgendwann wird der Zeitpunkt gekommen sein,
       wo zu viele Menschen auf diesem Planeten leben und die Ressourcen nicht
       mehr ausreichen.
       
       Zurück zum Maya-Kalender. Es gibt Leute, die behaupten, am 21. Dezember
       2012 gebe es eine ungewöhnliche Planetenkonstellation. 
       
       2012 gibt es keine außergewöhnliche Planetenkonstellation. Und selbst wenn
       es eine außergewöhnliche Planetenkonstellation gäbe - die gibt es immer
       wieder. Die letzte war 1980. Da ging die Welt auch nicht unter.
       
       Was war damals los? 
       
       Da standen die Planeten mehr oder weniger so am Himmel, dass man alle fast
       gleichzeitig sehen konnte. Selbst wenn alle Planeten in einer Reihe
       stünden, was zu Lebzeiten unseres Kosmos nicht mehr vorkommen wird - es
       passiert nichts. Die Anziehungskraft nimmt im Quadrat der Entfernung ab.
       Wir haben entschieden mehr Einfluss durch Mond und Sonne, was Ebbe und Flut
       angeht, als durch irgendwelche Planeten ganz weit draußen.
       
       Was könnte die Erde ansonsten bedrohen? 
       
       Eine Planetenkollision. Wenn die Erde mit einem Planeten zusammenstieße.
       Das ist aber eigentlich nicht möglich. Die Planeten in unserem Sonnensystem
       haben ihre Bahnen seit Jahrmilliarden. Da fliegt eigentlich nichts mehr
       raus. Das nächste Planetensystem ist Lichtjahre entfernt. Ein Lichtjahr
       entspricht circa 10 Billionen Kilometern.
       
       Was für ein Worst-case wäre noch denkbar? 
       
       Wenn uns ein Meteorit träfe wie der, der wahrscheinlich vor etwa 65
       Millionen Jahren die Erde getroffen hat, könnte das zur Folge haben, das
       die Menschheit vielleicht bis auf ganz wenige Exemplare ausstirbt. Der
       Meteorit damals hat ja auch den Dinosauriern wahrscheinlich den Rest
       gegeben. In der Geschichte der Erde hat es übrigens immer wieder große
       Massensterben gegeben.
       
       Die Angst vor dem Weltuntergang ist demnach nicht gänzlich irrational? 
       
       Ganz allgemein gesprochen ist die Angst vor dem Tod der Preis dafür, dass
       wir Menschen unserer selbst bewusst sind. Weltuntergangsszenarien gibt es
       seit dem alten Babylon. Die Erkenntnis, dass man mit dieser Angst
       hervorragend Geschäfte machen kann, ist nur ein paar Minuten jünger als
       diese Angst.
       
       Sie halten nichts von Astrologie? 
       
       Ich glaube nicht, dass man anhand der Sterne irgendetwas voraussagen kann.
       Schon weil ich als Astronomin weiß, dass die Sterne, die zu einem Sternbild
       zusammensortiert werden, in Wirklichkeit gar nicht zusammengehören.
       Sternbilder sind rein menschliche Erfindungen. Mit den Sternen haben sie
       nichts zu tun.
       
       Sind Astrologen unseriös? 
       
       Astrologie beruht in erster Linie auf Rechnerei und Psychologie. Eine
       Universität hat mal einen interessanten Versuch gemacht. Zwölf Leute, alle
       in in verschiedenen Sternbildern geboren, haben dasselbe Horoskop zu lesen
       bekommen. Jeder hat gesagt: Stimmt.
       
       Wie erklären Sie sich den Glauben an Horoskope? 
       
       Dass der Mensch sich seiner Zukunft sicher sein will, ist der Preis dafür,
       dass wir in der Lage sind, zu abstrahieren. Und das gibt es schon seit
       Jahrtausenden. Eingeweidelesen, Vogelfluglesen … was hat man nicht alles an
       Orakeln versucht. Ich halte nichts davon. Und wenn ich ehrlich bin, möchte
       ich meine Zukunft auch gar nicht wissen.
       
       Gibt es 2012 aus astronomischer Sicht wenigstens ein anderes Highlight,
       wenn schon aus dem Weltuntergang nichts wird? 
       
       Und ob: Am 6. Juni gibt es einen Venus-Transit. Der nächste findet erst
       wieder am 11. Dezember 2117 statt.
       
       Was genau passiert da? 
       
       Die Venus schiebt sich als kleine schwarze Scheibe vor der Sonnenscheibe
       vorbei. Auf den August 2012 bin ich auch sehr gespannt. Da landet der Rover
       "Curiosity", den die Amerikaner Ende November gestartet haben, auf dem
       Mars.
       
       Sie haben im Planetarium am Insulaner eine Veranstaltung namens
       "Himmelspaziergang". Wie helfen Sie den Leuten, sich unter den vielen
       Sternen zurechtzufinden? 
       
       Es gibt zum Beispiel einen schönen Spruch, den ich manchmal sage. Damit
       kann man sich die Reihenfolge unserer Planeten von der Sonne aus merken:
       Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unseren Nachthimmel. Wenn man die
       Anfangsbuchstaben nimmt, ergibt das: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter,
       Saturn Uranus, Neptun.
       
       Gibt es Menschen, denen nicht klar ist, dass sie in einem Kosmos leben? 
       
       Ich denke mal, ein Großteil der ganz normalen Leute nimmt den Himmel nicht
       bewusst war. Sicherlich hängt das auch mit Berlin zusammen. Die
       Lichtverschmutzung hier ist sehr groß, der Nachthimmel so hell, dass man
       ihn kaum noch wahrnimmt. Und Astronomie kommt auch im Fernsehen nicht
       gerade zur Primetime. Viele Leute verwechseln sogar Astronomie und
       Astrologie. Sie wissen nicht, dass das völlig verschiedene Dinge sind. 
       
       Was möchten Sie Planetariumsbesuchern vermitteln? 
       
       Dass wir ein Teil dieses Kosmos sind. Dass wir mit den Sternen in
       Verbindung stehen, aber auf ganze andere Weise, als uns die Astrologen das
       manchmal weiszumachen versuchen. Und dass wir - das ist die nächste
       Folgerung daraus - mit unserer Erde entsprechend gut umgehen sollten. Denn
       soweit wir bisher auch rausgeschaut haben: Es gibt da draußen keine zweite.
       
       Wie sind Sie selbst zu Ihrer Sternleidenschaft gekommen? 
       
       Als ich etwa 12 Jahre alt war, bin ich zur Sternguckerin geworden. Ich
       hatte ein Zimmer mit Balkon. Zum Leidwesen meiner Eltern, die meinten, ich
       solle lieber schlafen, bin ich nachts immer raus und habe versucht, die
       ersten Sternbilder zu finden. Ich hatte so eine drehbare, nachtleuchtende
       Sternkarte.
       
       Unter anderem haben Sie auch Geschichte studiert. Was wurde eigentlich aus
       den Maya? 
       
       Nach allem was man weiß, sind sie unter anderem an ihrem Raubbau an der
       Natur zu Grunde gegangen. Da stellt sich doch die Frage: Wenn dieses Volk
       angeblich den Weltuntergang voraussagen konnte - warum konnte es nicht die
       eigene Kultur retten? Ich glaube, die alten Maya würden sich doch sehr
       wundern, wenn sie wüssten, was heute aus ihrem Kalender gemacht wird.
       
       28 Dec 2011
       
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