# taz.de -- Türkische Armee gegen PKK-Rebellen: 35 Zivilisten bei Luftangriff getötet
       
       > Die getöteten vermeintlichen PKK-Rebellen waren offensichtlich
       > Zivilisten. Sie waren an der irakisch-türkischen Grenze mit
       > Schmuggelwaren unterwegs.
       
 (IMG) Bild: Die türkische Armee erklärte, in dem Gebiet des Angriffs gebe es keine Zivilbevölkerung.
       
       ISTANBUL taz | Die türkische Luftwaffe hat in der Nacht von Mittwoch auf
       Donnerstag bei einem Bombenangriff auf eine vermeintliche Gruppe kurdischer
       PKK-Guerilleros mindestens 35 Zivilisten getötet. Der Luftangriff fand
       unmittelbar an der türkisch-irakischen Grenze statt, in einem Gebiet, das
       häufig von der kurdischen Arbeiterpartei PKK als Basis für Angriffe in der
       Türkei genutzt wird.
       
       Nach Angaben kurdischer Politiker aus der Region handelte es sich bei den
       Getöteten um Bewohner grenznaher Dörfer, die Diesel, Gas und andere Waren
       aus dem Irak in die Türkei schmuggeln wollten.
       
       Hasip Kaplan, Parlamentsabgeordneter der kurdischen BDP aus der betroffenen
       Region Sirnak sagte, die Armee hätte wissen müssen, dass es sich bei den
       Menschen, die ihre Aufklärungsdrohnen angezeigt haben, um Zivilisten
       gehandelt habe. Der Gouverneur der Provinz Sirnak im Südosten der Türkei,
       Vahdettin Özkan, sagte, Ermittlungen seien eingeleitet worden.
       
       Die türkische Armee erklärte auf ihrer Internetseite, in dem Gebiet gebe es
       keine Zivilbevölkerung, sondern nur "Basen der Terrororganisation" PKK.
       Drohnen hätten in der Nacht eine Bewegung in Richtung Grenze gemeldet,
       worauf der Einsatz der Luftwaffe angeordnet worden sei.
       
       ## Razzien gehören zum Alltag
       
       Die Armee geht in diesen Wochen in einer seit vielen Jahren nicht gesehenen
       Intensität gegen die PKK vor. Seit die kurdische Guerilla im August und
       September einige spektakuläre Angriffe auf Polizei- und Militärstationen
       durchführte und dabei etliche Soldaten tötete, hat die Armeeführung die
       Truppenstärke in der Region drastisch erhöht. Seitdem gehören ausgedehnte
       Razzien in den Bergen auf beiden Seiten der Grenze und grenzüberschreitende
       Luftangriffe zum Alltag.
       
       Nach offiziellen Angaben wurden seit September insgesamt 210
       "PKK-Terroristen" getötet, 135 durch Luftangriffe. Im Unterschied zu
       früheren Jahren gibt es jetzt keine Winterpause. Spezialtruppen werden vom
       Hubschrauber aus in den unwegsamen, tief verschneiten Bergregionen
       abgesetzt, um PKKler aus ihren Winterlagern zu jagen und zu töten.
       
       Die Militärkampagne wird begleitet von einer beispiellosen Verhaftungswelle
       tatsächlicher oder vermeintlicher Sympathisanten der PKK. Seit Mitte
       letzten Jahres wurden mehr als 4.000 Leute, ganz überwiegend Personen aus
       dem kurdisch besiedelten Südosten, verhaftet, fast 3.000 von ihnen sitzen
       in Untersuchungshaft. Ihnen allen wird vorgeworfen, in einer
       Deckorganisation der PKK, der sogenannten KCK, eine Parallelstruktur zum
       Staat aufzubauen und damit eine Abspaltung vorzubereiten.
       
       In den beiden letzten KCK-Verhaftungswellen traf es zum einen Anwälte, die
       für ihr Engagement in PKK-Prozessen bekannt sind, und zum anderen
       Journalisten, die für kurdische Medien arbeiten. Viele Journalisten fragen
       sich, was die Regierung damit erreichen will. "Bald sind alle, mit denen
       man reden müsste, im Gefängnis", schrieb kürzlich der bekannte Kolumnist
       Mehmet Ali Birand.
       
       29 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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