# taz.de -- Nachmittagsbetreuung in Hamburg: Privilegierte torpedieren die Reform
       
       > Die Hansestadt plant eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung an
       > Grundschulen - eine Chance für ärmere Kinder. Doch besser qualifizierten
       > Eltern passt das nicht.
       
 (IMG) Bild: Wer darf zuerst betreut werden? Kinder bei der Nachmittagsbetreuung.
       
       HAMBURG taz | Kaum eineinhalb Jahre nach dem Scheitern der
       Primarschulreform gibt es in Hamburg neuen Schulstreit. Der SPD-Senat will
       bis Sommer 2013 alle Horte von den Kitas an die rund 200 Grundschulen
       verlagern und dort Ganztägige Bildung und Betreuung, kurz GBS, anbieten.
       Dadurch sollen etwa 60 Prozent der Schulkinder ein kostenloses
       Nachmittagsangebot bekommen.
       
       Eine ähnliche Reform hat Berlin gerade vollzogen. Doch im Unterschied zur
       Hauptstadt müssen in Hamburg Eltern keinen "Bedarf" nachweisen. Sprich:
       Alle Kinder können für den Nachmittag angemeldet werden, auch jene, deren
       Mütter oder Väter zu Hause sind. Dies sei "ein Quantensprung", schwärmt Uwe
       Gaul, Planer in der Schulbehörde. "Hier gehen wir im Bundesvergleich sehr
       weit." Bisher waren die rund 1.000 Horte der Stadt vorwiegend für Kinder
       berufstätiger Eltern da. Das 2004 eingeführte Kita-Gutschein-System der
       Hansestadt benachteiligte Kinder von Eltern, die nicht doppelt berufstätig
       sind.
       
       ## Verbindliche Abholzeiten
       
       Doch dass auch diese Familien einen Bedarf haben, merkt Adrian Klenner. Er
       leitet die Schule Am Pachthof in Hamburg-Horn - eine von 28 Schulen mit
       GBS-Modell. "Wir hatten mit 80 Kindern gerechnet. Angemeldet sind jetzt
       200", berichtet er. Es sei eine Chance für die Kinder in dem eher ärmeren
       Stadtteil. "Es ist hier nicht so wie im Hamburger Westen, wo Eltern sagen:
       Ich will mein Kind selbst erziehen."
       
       Klenner spielt auf die jüngste mediale Protestwelle an. Gut qualifizierte,
       beruflich erfolgreiche Mütter empörten sich darüber, dass es in der GBS
       eine verbindliche Betreuungszeit bis 16 Uhr geben soll - und die Kinder
       nicht vorher abgeholt werden könnten. Es ginge "wertvolle Familienzeit
       verloren", klagte eine Unternehmensberaterin.
       
       Mit an die Spitze des Protests setzt sich der Rechtsanwalt Walter Scheuerl,
       der bereits den Volksentscheid gegen die grüne Primarschul-Reform
       initiierte. Für viele ein Déja-vu: Wie im Sommer 2010 torpedieren
       Privilegierte eine Reform, die Benachteiligten nützen soll.
       
       ## "Es fehlen Rückzugsmöglichkeiten"
       
       In der Frage der Abholzeiten hat der SPD-Schulsenator Ties Rabe bereits
       flexiblere Lösungen versprochen. Doch reicht die Kritik der Eltern weiter.
       Elternsprecherin Sabine Buhk sagt, es sei schwierig, wenn Kinder in
       Klassenräumen statt in Horten den Nachmittag verbringen. "Es ist alles zu
       dicht, zu nah. Es fehlen Rückzugsmöglichkeiten." Von jeder dritten
       Pilotschule gebe es Klagen. Buhks Landeselternausschuss fordert eine
       Steuerungsgruppe, die sich "um ein Rahmenkonzept und
       Qualitätsmindeststandards kümmert".
       
       "Die Konzepte werden vor Ort an den Schulen entwickelt", hält Rabes
       Sprecher Thomas Bressau dagegen. Über übergreifende Fragen wie
       Personalschlüssel verhandeln die Verbände der Kita-Träger derzeit mit der
       Stadt. Beide Seiten haben ein Interesse am Gelingen der GBS. Die Kitas
       wollen freie Horträume für Krippenkinder nutzen. Und auch die Schulen
       scheinen nicht abgeneigt. Bis Ende Dezember meldeten sich 43 weitere
       Standorte, die schon zum Sommer 2012 mit GBS starten wollen, weitere 11
       wollen klassische Ganztagsschule werden. Werden alle Anträge genehmigt,
       böten ab Sommer schon zwei von drei Grundschulen Nachmittagsbetreuung an.
       
       Das störe viele Eltern, sagt Walter Scheuerl. Er fordert, dass es für die,
       die es wünschen, weiter die Kita-Horte gibt. Wäre dies nicht der Fall,
       "wird der Aufschrei groß".
       
       30 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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