# taz.de -- Urteil über Schul-Volksentscheid: Verfassungsrichter uneins
       
       > Verfassungsgericht lehnt Klage gegen Schul-Volksentscheid ab. Doch vier
       > der neun Richter sprechen sich für eine Neuauszählung aus.
       
 (IMG) Bild: Verfassungskonform abgelaufen: Schulreformgegner Walter Scheuerl bei der Stimmabgabe im Juli 2010.
       
       Über zwei Stunden lang sah es für die drei Kläger Klaus Krönert, Jan
       Vlamynck und Christian Lührs nach einer krachenden Niederlage aus. Ihr
       Antrag auf Anfechtung des Volksentscheids zur Schulreform "wird abgelehnt",
       hatte der Verfassungsrichter Gerd Harder erklärt und anschließend die
       50-seitige Begründung verlesen, während die Richterkollegen daneben saßen.
       Doch ganz zum Schluss die Überraschung: Vier der neun Verfassungsrichter
       erklärten sich in einem "Sondervotum" nicht einverstanden mit der
       Ablehnung. Hinter den Kulissen hatte es gekracht. Die Mehrheit des Gerichts
       setze sich über wichtige Einwände "zu Unrecht hinweg", verlas
       Verfassungsrichter Michael Nesselhauf.
       
       Eine Fünf-zu-vier-Entscheidung ist knapp und ungewöhnlich. Sie bezieht sich
       auf den Kern der Klage: War es korrekt, dass die Hamburger beim
       Volksentscheid vom 18. Juli 2010 sowohl für die sechsjährige Primarschule
       (Vorlage der Bürgerschaft) als auch für die vierjährige Grundschule
       (Vorlage der Volksinitiative "Wir wollen lernen") mit "Ja" stimmen konnten?
       
       Klägeranwalt Uwe Lipinski sagt, so komme kein klarer Volkswille zustande.
       Die Mehrheitsfraktion der Richter erklärte diesen Anfechtungsgrund für
       "unbegründet". Denn es habe sich hier "um zwei separate Abstimmungen"
       gehandelt. Und nicht um eine "vom Stimmberechtigten zu treffende
       Auswahlentscheidung". Das hamburgische Volksabstimmungsgesetz lasse dies zu
       und sehe keine Ausnahmen für den Fall "inhaltlicher Widersprüchlichkeit"
       vor.
       
       Ganz anders beurteilten dies Nesselhauf und seine drei Richterkollegen
       Martin Willich, Cornelia Ganten-Lange und Hannelore Wirth-Vonbrunn. Sie
       hatten im Zuge der Beratungen gefordert, dass die Zahl der
       Doppel-Ja-Stimmen nachträglich ausgezählt wird. Dafür müsste die mündliche
       Verhandlung vom 20. Juni wieder eröffnet werden.
       
       Die Frage, ob vier oder sechs Jahre Grundschule, stünde in einem
       "Entweder-Oder"-Verhältnis, schreiben die vier. Somit habe ein Bürger, der
       mit Doppel-Ja stimmte, keine inhaltliche Entscheidung getroffen. Diese
       Stimmzettel müssten unberücksichtigt bleiben.
       
       Bekanntlich stimmten 276.416 Hamburger gegen die Primarschule und nur
       217.969 dafür. Doch die Gegner brauchten mindestens 247.335 Stimmen, um das
       Quorum für verbindliche Volksentscheide von einem Fünftel der Wählerstimmen
       zu überwinden. Würden mehr als 29.081 Doppel-Ja-Stimmen in den Wahlurnen
       gefunden, wäre das Quorum verfehlt. Es sei "nicht auszuschließen", dass das
       Ergebnis bei "verfassungsrechtlich einwandfreier Ermittlung anders
       ausgefallen wäre", schreibt das Richter-Quartett und bezieht sich auf den
       Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
       
       Die drei Kläger hatten weitere Punkte an den Abstimmungs-Vorlagen moniert.
       Unter anderem sei das Haushaltsrecht des Parlaments verletzt worden. Diese
       Fragen hat das Gericht gar nicht erst geprüft.
       
       Klägeranwalt Lipinski zeigte sich enttäuscht. Das Gericht habe letztlich
       nicht geklärt, ob der Volksentscheid verfassungskonform sei. "Die wollten
       sich nicht festlegen."
       
       14 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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