# taz.de -- Verzerrte Geschichte in Osteuropa: Auferstehung der braunen Ungeheuer
       
       > In Osteuropa setzt sich ein Geschichtsbild durch, das dem rechtsradikaler
       > Kreise ähnelt. Die Massenverbrechen der Nazis und ihrer Verbündeten
       > werden dabei ausgeblendet.
       
 (IMG) Bild: Mitglieder der rechtsextremistischen Magyar Gárda (Ungarischen Garde) bei einem Aufmarsch in Budapest. Die paramilitäre Gruppe wurde 2008 verboten, agiert aber weiterhin.
       
       BERLIN taz | "Im 'Kessel von Budapest' wurde das Abendland vor den
       anrückenden roten Horden aus den Steppen Asiens mit einem immensen Blutzoll
       und in aussichtsloser Unterzahl heldenhaft verteidigt." Das steht in einem
       Aufruf deutscher "nationaler Gruppen", die ihre Anhänger einladen, an den
       seit einigen Jahren in der ungarischen Hauptstadt von rechtsextremen
       Vereinigungen organisierten Veranstaltungen anlässlich des "Tags der Ehre"
       teilzunehmen.
       
       Dieser soll an den Kampf gegen die Sowjets erinnern, die Budapest im
       Februar 1945 einnahmen und der Herrschaft der mit Hitler verbündeten
       faschistischen Regierung ein Ende setzten. An der Verteidigung gegen die
       Rote Armee im Februar 1945 beteiligten sich nicht nur die von den
       ungarischen Faschisten, den sogenannten Pfeilkreuzlern, mobilisierten
       eigenen militärischen Verbände, sondern auch Einheiten der Waffen-SS.
       
       Die als Verteidigungsschlacht Europas gegen "die vergewaltigende und
       entmenschte Soldateska Stalins" beschriebenen Kampfhandlungen werden heute
       nicht nur von Rechtsradikalen zur schicksalhaften Geburtsstunde des "aus
       gemeinsamem Blut gewachsenen Geistes freier Europäer" hochstilisiert. Die
       Rechtsradikalen aus zahlreichen Ländern, wie Serbien, Bulgarien, der
       Slowakei oder Deutschland, die sich alljährlich am 11. Februar in Budapest
       versammeln, um den "Tag der Ehre" gemeinsam zu begehen, verstehen sich als
       die Speerspitze dieses Geistes.
       
       In vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks setzt sich zunehmend ein
       eindimensionales Geschichtsbild durch, das in groben Zügen dem
       rechtsradikaler Kreise ähnelt. Im Fokus dieser verzerrten
       Geschichtsdarstellung steht in Osteuropa auch der heroische,
       antibolschewistische Kämpfer aus den Reihen der Weltanschauungsarmee des
       Dritten Reiches. Die Massenverbrechen gegen die Zivilbevölkerung in
       Jugoslawien oder in der Sowjetunion, die ethnischen Säuberungen und die
       systematische Verfolgung und Vernichtung der Juden werden dabei verharmlost
       und ausgeblendet.
       
       ## Verzerrtes Geschichtsbild
       
       Die Einreihung von Freiwilligen in die Waffen-SS aus dem Baltikum, aus
       Rumänien, Ungarn, der Slowakei, Serbien oder Kroatien wird als eine
       historische Notwendigkeit dargestellt und mutiert zur Urzelle des
       antikommunistischen Freiheitskampfes, dessen Endsieg noch bevorsteht.
       
       Diese verzerrte Darstellung der jüngsten Geschichte ließe sich in Osteuropa
       auch als eine Reaktion auf die kommunistische Geschichtsschreibung
       interpretieren: In den Ländern der sowjetischen Einflusssphäre wurde der
       Zweite Weltkrieg als ein antifaschistischer Abwehrkrieg dargestellt, wobei
       selbst die Opfer der rassischen Nazirepression heruntergespielt oder, wenn
       überhaupt erwähnt, mit der ideologischen Aura kommunistischer
       Widerstandskämpfer ausgestattet wurden.
       
       Das Nürnberger Tribunal hat SS und Waffen-SS zu verbrecherischen
       Organisationen erklärt. Das heißt natürlich nicht, dass jedes einzelne
       SS-Mitglied sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat. Dass ein großer
       Teil der auslandsdeutschen wehrfähigen jungen Männer aus Rumänien, Serbien,
       Kroatien, der Slowakei oder Ungarn freiwillig in die Waffen-SS eingetreten
       sind, war das Ergebnis einer methodischen ideologischen
       Beeinflussungspolitik, die in der Weltanschauungsfabrik des Dritten Reiches
       ausgeheckt worden war.
       
       ## "Volksdeutsche" in der Waffen-SS
       
       Bevorzugte Zielobjekte dieser Politik waren die sogenannten Volksdeutschen,
       das heißt deutsche Minderheiten in verschiedenen europäischen Ländern. Im
       Rahmen der Gleichschaltungspolitik des Dritten Reichs gab es natürlich
       innerhalb dieser Gruppen vereinzelt Widerstand gegen die militärische und
       weltanschauliche Vereinnahmung. Aber gerade der Einsatz Volksdeutscher aus
       Serbien, Rumänien und Ungarn innerhalb der zur "Bandenbekämpfung" in
       Jugoslawien eingesetzten SS-Division "Prinz Eugen" ist bezeichnend für
       deren Bereitschaft, Befehle aus Überzeugung und mit äußerster Härte
       auszuführen.
       
       Mit der gleichen Zuverlässigkeit kämpften auch die Angehörigen der
       Waffen-SS, die aus den unterschiedlichsten Nationen rekrutiert wurden:
       Ukrainer, Balten und sogar Russen. Zu ihren Aufgaben gehörten nicht nur
       militärische Kämpfe, sondern auch die Unterdrückung, Verfolgung und
       Vernichtung von Zivilisten, von Juden und Roma. Die Heroisierung der SS-
       und der Waffen-SS-Angehörigen zu Freiheitskämpfern ist somit nicht nur eine
       Beleidigung der Opfer - sondern auch ein gefährliche Geschichtsverdrehung,
       die einzig und allein der Auferstehung des braunen Ungeistes von anno
       dazumal dient.
       
       11 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) William Totok
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sinti und Roma
       
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