# taz.de -- Hutu-Miliz FDLR im Ostkongo: Rachefeldzug gegen die Späher
       
       > Eine neue, verdächtig gut ausgerüstete Jugendarmee in Ostkongos Wäldern
       > drängt die ruandische Hutu-Miliz FDLR zurück. Aber diese schlägt extrem
       > brutal zurück.
       
 (IMG) Bild: FDLR-Kämpfer im Jahr 2009 im Ostkongo.
       
       GOMA taz | Mutonyi schreit und hält sich den Arm. Der Arzt betastet die
       Narben der Dreijährigen: eine Schusswunde, die nur langsam verheilt. Ihre
       fünfjährige Schwester Murekatete streichelt ihr tröstend den Kopf. Auch sie
       hat eine Kugel im Bein. "Wir sind von der FDLR", flüstert sie und umarmt
       ihre kleine Schwester.
       
       Die beiden Mädchen scheinen Kinder eines Kämpfers der ruandischen
       Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zu sein, die
       im Kampf in den Bergwäldern Ostkongos getroffen wurden. Auf dem
       schmuddeligen Bett neben ihr stöhnt der 20-jährige Kongolese Buhahi
       Mulomba. Ein Arzt zieht ihm den Verband um seinen Kopf zurecht: Eine Kugel
       hat beide Augäpfel zerstört. Er wurde am Tag zuvor aus dem Dorf Bulenga in
       Süd-Kivu eingeliefert.
       
       Seit Wochen erreichen fast täglich Schwerverletzte das städtische
       Krankenhaus in Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma im Ostkongo. Die rund 100
       Betten in der Orthopädie sind alle belegt. "Alle haben Schusswunden",
       erklärt der zuständige Arzt Paluku Makeusa und schüttelt den Kopf: "Eine
       solche Situation hatten wir seit Jahren nicht mehr."
       
       Am Tag vor den Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo am 28. November
       2011 hatte sich der Krieg im Ostkongo erneut entfacht. Eine kongolesische
       Selbstverteidigungsgruppe, genannt "Guides" oder FDC (Kräfte zur
       Verteidigung der Kongolesen), attackierte am 27. November Kimua, das Dorf
       unterhalb des FDLR-Militärhauptquartiers von Nord-Kivu. "Gegen 11
       umzingelten sie von allen Seiten unsere Häuser", berichtet Mwami Lukonge,
       Chef der Gemeinde, zu der Kimua gehört.
       
       ## 20.000 vertriebene Familien
       
       Der alte Mann sitzt jetzt beim Roten Kreuz in Goma und versucht, Hilfe zu
       mobilisieren. Er fürchtet, dass die FDLR zurückschlägt und ihr Territorium,
       wo sie fast zehn Jahre lang herrschte und nie gestört wurde, zurückerobert.
       Erste Rachefeldzüge gab es bereits, berichtet der alte Gemeindeführer. Die
       FDLR, in der auch Veteranen des ruandischen Völkermordes kämpfen,
       beschuldige die Bevölkerung, mit der FDC zusammenzuarbeiten: "Sie schnitten
       den Leuten die Köpfe ab und postierten sie vor der Kirche und auf dem
       Markt, um alle in Angst in Schrecken zu versetzen." Seine Bilanz: 46 Tote,
       darunter 19 Enthauptete, sowie 20.000 vertriebene Familien allein in
       Lukonges Dörfern.
       
       Kibua, Ntoto, Kimua, Buhimba, Kashebere, Omate - zahlreiche kleine
       Siedlungen in Nord-Kivu, meist zwischen den Städtchen Walikale und Masisi,
       werden seit einigen Wochen von solchen Greueltaten heimgesucht. Die
       UN-Mission im Kongo (Monusco) spricht von über 35.000 Vertriebenen. Die
       Zahl der Toten ist unbekannt. Nur die wenigsten Verletzten schaffen es aus
       dem abgelegenen Dschungel in die Großstadt Goma.
       
       Bei der FDC handelt es sich um eine Bande junger, zum Teil minderjähriger
       Kämpfer der in Walikale und Masisi vorherrschenden Ethnien der Bahunde und
       Banyanga. Bislang wurden die jungen ortskundigen Burschen von der Armee und
       lokalen Mayi-Mayi-Milizen benutzt, wie Spürhunde die Stellungen der FDLR
       ausfindig zu machen, um diese angreifen zu können. Daher die Bezeichnung
       "Guides" (Späher).
       
       Doch mittlerweile scheint sich daraus unter dem Namen FDC eine eigene Miliz
       entwickelt zu haben, geführt vom Kommandanten Luanda Bandu. Auf Fotos, die
       die taz sehen konnte, tragen die jungen FDC-Kämpfer zwar keine Uniformen,
       dafür aber schwere Kalaschnikow-Gewehre, Raketenwerfer sowie
       Satellitentelefone.
       
       ## 3.000 FDLR-Deserteure
       
       Es scheint, als seien sie professionell ausgerüstet und trainiert worden.
       Kongos Armee streitet dies ab. Gerüchten zufolge soll FDC-Kommandeur Luanda
       Bandu dem kongolesischen General Bosco Ntaganda nahestehen.
       
       Der war bis 2009 Militärchef der damaligen Tutsi-Rebellenbewegung CNDP
       (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) und wurde dann als Teil des
       von Ruanda mit ausgehandelten Friedensschlusses mit der CNDP in Kongos
       Armee eingegliedert, obwohl gegen ihn Haftbefehl aus Den Haag vorliegt. Er
       scheint nun in der FDC ein neues Werkzeug gegen die ruandischen Milizen
       gefunden zu haben.
       
       Mehrere hohe FDLR-Kommandanten wurden in den letzten Wochen getötet. Und
       seit Anfang Dezember dersertierten rund um die FDLR-Hauptquartiere in Kimua
       und Ntoto rund 200 der nach UN-Schätzung 3.000 FDLR-Kämpfer im Kongo.
       
       Einer davon ist Fabien Havugimana, der jetzt in Goma in einem UN-Lager
       sitzt. Er ergab sich vergangene Woche nach einer Schlacht rund um das
       FDLR-Hauptquartier Kimua, nachdem er mitansehen musste, wie FDLR-Stabschef
       Leodmir Mugaragu mitten in der Nacht von FDC-Kämpfern im Bett aufgespürt
       wurde. "Sie haben ihn im Bett erschossen und dann seine Hütte angezündet",
       berichtet Havugimana. "Seitdem ist die Moral in unserem Hauptquartier
       dahin. Wir haben alle Angst bekommen." Doch die Kämpfe im Dschungel gehen
       weiter.
       
       19 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kongo
 (DIR) Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
       
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