# taz.de -- Neues Parlament in Ägypten: Kleine Turbulenzen bei erster Sitzung
       
       > Einige der Abgeordneten schmücken die Eidesformel mit persönlichen
       > Zusätzen aus - mit dem Hinweis auf die Scharia oder die Märtyrer der
       > Revolution.
       
 (IMG) Bild: Blick auf die erste Sitzung des neuen ägyptischen Parlaments
       
       KAIRO taz | "Dieses Parlament ist eine der Forderungen der Revolution",
       heißt es auf einem Transparent, das Demonstranten hochhalten, während die
       498 Abgeordneten an ihnen vorbeiziehen. Sie kommen zur ersten Sitzung des
       freigewählten Parlaments, um vereidigt zu werden und einen
       Parlamentssprecher zu wählen. Als größte Partei zieht die Freiheit- und
       Gerechtigkeits-Partei (FJP) der Muslimbruderschaft mit 47 Prozent der
       Stimmen ins Parlament, gefolgt von der ultra-islamistischen El-Nur-Partei,
       deren meist bärtigen Vertreter ein Viertel der Sitze einnehmen. Den Rest
       teilen sich liberale und säkulare Parteien. Insgesamt haben es nur zehn
       Frauen in das Parlament geschafft, also zwei Prozent der Abgeordneten.
       Weltweit liegt der Durchschnitt von weiblichen Abgeordneten bei 19 Prozent
       und in der arabischen Welt bei 13 Prozent.
       
       "Wir werden diese Revolution hier und auf der Straße fortsetzen," erklärt
       Mustafa Naggar, einer der liberalen Abgeordneten vor dem Parlamentstor. Er
       will zunächst eine Kommission bilden, die mit dem Militärrat die Übergabe
       der Macht an eine zivile Regierung aushandelt. Damit spricht Naggar gleich
       eines der größten Probleme des neuen Parlaments an. Der Streit um
       Kompetenzen ist vorgezeichnet, zwischen den gewählten Abgeordneten, die nun
       die Gesetze schreiben sollen und der nicht gewählten intransparent
       agierenden Militärführung, die seit dem Sturz Hosni Mubaraks bis zu den
       Präsidentschaftswahlen im Juni die Exekutive stellt. Einige der
       Abgeordneten trugen gelbe Schärpen mit der Aufschrift "Nein zu
       Militärgerichten gegen Zivilisten". Mindestens 12.000 Personen wurden seit
       dem Sturz Mibaraks in Schnellverfahren vor Militärgerichten verurteilt.
       
       Wichtigste Aufgabe des Parlaments wird es sein, Mitglieder für ein Gremium
       zu bestimmen, das die neue Verfassung ausarbeiten soll. Amr Schobaki, einer
       der anderen unabhängigen liberalen Abgeordneten, hat am ersten Tag der
       Sitzung eine lange Liste für die Arbeit der nächsten Monate mitgebracht.
       "Wir müssen das Innenministerium reformieren und die Subventionen
       überprüfen, damit sie kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen", sagt
       er. Das Bildungs- und Gesundheitssystem müsse ebenfalls reformiert werden.
       "Wir brauchen eine weitere Revolution, um die staatlichen Institutionen neu
       aufzustellen. Das wird schwer, aber wir wollen zeigen, dass wir ernsthaft
       beginnen", erklärt er gegenüber der taz.
       
       ## Kandidaten erkämpfen Rederecht
       
       Drinnen geht es kurz darauf ziemlich turbulent zu. Schon bei der mehrere
       Stunden andauernden Vereidigung jedes einzelnen Abgeordneten kam es zu
       ersten Unterbrechungen, als Mamdouh Ismail, ein Mitglied der Nur-Partei,
       seinen Eid auf die Republik und Verfassung mit dem Zusatz versah, "solange
       das nicht dem Gesetz Gottes widerspricht". Der Alterspräsident und
       kommissarische Parlamentssprecher Mahmud El-Sakka forderte ihn darauf unter
       Applaus auf, den Eid ohne Zusatz zu wiederholen. Ismail kam dem nach und
       bezeichnete seinen Zusatz als "persönliche Meinung". Andere Abgeordnete
       schmückten ihren Eid daraufhin auch mit Zusätzen, etwa, dass sie sich der
       Revolution oder deren Märtyrern verpflichtet sähen.
       
       Auch bei der ersten Entscheidung des Parlamentes in der neuen
       demokratischen Ära, der Wahl des Parlamentspräsidenten, kam es zu
       tumultartigen Szenen, nachdem sich El- Sakka weigerte, den Kandidaten
       Redezeit für ihre Vorstellung zu gewähren. Essam Sultan, ein der Kandidaten
       der gemäßigt islamischen Wasat-Partei, erklärte, dass man in den
       vergangenen 30 Jahre ohne Debatte einen einen Parlamentspräsidenten
       bestimmt habe, diese Zeiten aber mit der Revolution vorbei sein sollten.
       El-Sakka gewährte den Kandidaten daraufhin ein kurzes Rederecht. Es wurde
       erwartet, dass der bisherige Generalsekretär der FJP der Muslimbrüder Saad
       El-Katatni neuer Parlamentspräsidenten wird.
       
       23 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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