# taz.de -- Wulff im Berliner Ensemble: Ein Mann von stupender Monochromie
       
       > Bundespräsident Christian Wulff folgte der Gesprächseinladung des
       > "Zeit"-Herausgebers Josef Joffe. Seine klare Botschaft: Er hat sich fürs
       > Durchhalten entschieden.
       
 (IMG) Bild: Wulff im Berliner Ensemble während einer Matinee zum Thema "Deutsche, ihre Identität und ihre Rolle in Europa".
       
       Lügner. Das Wort stand unsichtbar im Raum. Manchmal sah man am
       Sonntagmorgen ängstlich in den Schnürboden des Berliner Ensembles, ob er in
       Form einer Guillotine herniedersausen würde. Seit Stefan Wenzel, der
       Fraktionsvorsitzende der Grünen im Niedersächsischen Landtag,
       Bundespräsident Christian Wulff mit dieser gezielten Provokation
       herausgefordert hatte, hängt es wie ein Schatten über dem Präsidenten.
       
       Kann ein mutmaßlicher Lügner die Wahrheit über Deutschland sagen? Auf diese
       Frage lief das Gespräch hinaus, zu dem sich Wulff vor sechs Wochen hatte
       überreden lassen. "Typisch deutsch?" war die Matinee betitelt, zu der
       Zeit-Herausgeber Josef Joffe ihn ins Haus am Schiffbauerdamm geladen hatte.
       
       Die Zuhörer im voll besetzten Saal erlebten keinen Arturo Ui oder eine der
       Brecht-Figuren, die die Lüge rechtfertigen, weil anders kein Fortkommen ist
       im System. Sondern die bekannte Mischung aus unauffällig und
       pseudogravitätisch. Ein Mann von solch stupender Monochromie, dass man sich
       fragt, wie der auf die Idee mit der "bunten Republik" kommen konnte. Ein
       angegrauter Schülersprecher im dunkelblauen Anzug, der mitunter etwas
       belegt redet, damit seine Banalitäten bedeutsam klingen: "Ich denke, die
       Menschen sind zufrieden mit der parlamentarischen Demokratie."
       
       ## Schillernde Vokabeln
       
       An dieser Quersumme deutschen Biedersinns prallte die Frage nach Wahrheit
       und Lüge ab wie an einem aufgespannten Regenschirm. Darunter steht
       trockenen Fußes der Präsident, der das Publikum mit schillernden Vokabeln
       wie "Einheit in der Vielfalt", "Denkfabrik Bellevue" oder "Generation
       Facebook" von seiner Modernität und Unabkömmlichkeit zu überzeugen
       versucht.
       
       Der Hannoveraner Regierungschef, der das Parlament damals belog, als er
       behauptete, es sei kein Steuergeld für den "Nord-Süd-Dialog" geflossen,
       muss ein – abwesender – Dritter gewesen sein. Wulffs Botschaft war klar: Er
       hat sich fürs Durchhalten entschieden.
       
       Das Problem, das der Präsidentendarsteller der namentlich nicht genannten
       "Regierungschefin" in Bezug auf die globale Finanzkrise attestierte, traf
       vor allem auf ihn zu. Die "intellektuelle Herausforderung", formulierte er
       ungewohnt präzise, laute: Vorausgehen und alle dabei mitnehmen.
       
       Dass das Staatsoberhaupt sie in eigener Sache besteht, ist angesichts
       seines dramatischen Vertrauensverlustes schwer vorstellbar. Doch nach
       dieser sonntäglichen Performance von demonstrativer Gelassenheit zu
       behaupten, Christian Wulff habe womöglich schon aufgegeben, wäre glatt
       gelogen.
       
       22 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arend
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Opposition erhöht Druck auf Wulff: Glaeseker als "Bauernopfer"
       
       Die Opposition glaubt Christian Wulff nicht, dass er von den angeblichen
       Machenschaften seines Ex-Sprechers Glaeseker nichts wusste. Dieser sei wohl
       nur ein "Bauernopfer".
       
 (DIR) Debatte Wulff: Costa Germania
       
       Christian Wulff repräsentiert den Teil der Bevölkerung, der das Gemeinwesen
       als Schnäppchenmarkt begreift. Mit absehbaren Folgen.
       
 (DIR) Landtagsdebatte in Niedersachsen: Finanzminister fühlt sich "beschissen"
       
       In Niedersachsen sorgen die Vorwürfe gegen Wulffs Exsprecher für einen
       Eklat im Landtag. Minister Möllring (CDU) sieht sich von Glaeseker
       betrogen, stellt sich aber vor Wulff.
       
 (DIR) Wulffs Ex-Sprecher Glaeseker: Hilfskräfte für die Promi-Sause
       
       Nach der Razzia werden die Vorwürfe gegen Wulffs Exsprecher Olaf Glaeseker
       lauter. Nur einer schweigt mal wieder zu den Ermittlungen wegen
       Bestechlichkeit.
       
 (DIR) Reaktionen auf Wulffs Fragenkatalog: Verdruckstes Schweigen
       
       Auf den Katalog von Fragen und Antworten, den Wulffs Anwalt nun
       veröffentlicht hat, gibt es kaum Reaktionen. Politiker, die das gefordert
       hatten, sind verstummt.