# taz.de -- Bericht über Antisemitismus in Deutschland: Israelkritik voller Ressentiments
       
       > Antisemitische Einstellungen sind in Deutschland weit verbreitet, stellt
       > ein Expertenbericht fest. Die meisten Straftaten werden aber von Neonazis
       > begangen.
       
 (IMG) Bild: Das auffälligste Zeichen des Antisemitismus: Nazischmiererei an einem jüdischen Friedhof.
       
       BERLIN taz | Rund ein Fünftel aller Deutschen ist latent antisemitisch. Zu
       diesem Ergebnis kommt ein Bericht, den ein unabhängiges Expertengremium im
       Auftrag des Bundestages erstellt hat – in der taz wurden die Ergebnisse
       bereits am 9. November 2011 [1][ausführlich vorgestellt]. Am Montag
       präsentierte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) im Beisein der
       Wissenschaftler sowie seiner Amtskolleginnen Karin Göring-Eckhardt (Grüne)
       und Petra Pau (Linke) sie nun einer breiten Öffentlichkeit.
       
       "Der Antisemitismus in unserer Gesellschaft basiert auf weit verbreiteten
       Vorurteilen, tief verwurzelten Klischees und auf schlichtem Unwissen",
       sagte dazu der Wissenschaftler Peter Longerich, der die Experten anleitete.
       Der Rechtsextremismus bleibe das zentrale Milieu, auf dem die
       Judenfeindlichkeit gedeihe. Das lasse sich schon daran ablesen, das neun
       von zehn Straftaten von Tätern aus diesem Spektrum begangen werden. Doch
       antisemitische Einstellungen seien bis weit in die Mitte der deutschen
       Gesellschaft hinein verankert. Am deutlichsten zeigten sie sich im Internet
       und in einer Israelkritik, die von Ressentiments getränkt sei.
       
       Der Expertenkreis wurde 2009 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble
       ins Leben gerufen. Petra Pau erinnerte daran, dass Berichte über häufige
       Schändungen jüdischer Friedhöfe damals den Ausschlag gegeben hatten, das
       Gremium zu gründen. Und sie bedauerte, dass es noch heute fast wöchentlich
       zu Friedhofsschändungen komme, ohne dass dies genügend skandalisiert werde.
       
       ## Forschungslücke Osteuropa
       
       Besonderes Augenmerk legt der Bericht auch auf Antisemitismus unter
       muslimischen Migranten. Andere Einwanderer, etwa aus Polen und Russland,
       kommen dagegen nur am Rande vor. "Das ist eine Forschungslücke," gibt
       Juliane Wetzel vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung zu. Dabei
       gäbe es bereits erste Studien, die zeigten, dass antisemitische
       Einstellungen unter Russlanddeutschen und anderen Migranten aus Osteuropa
       weiter verbreitet seien als unter solchen mit arabischen oder türkischen
       Migrationshintergrund. "Die Wahrnehmung ist aber eine andere", so Juliane
       Wetzel.
       
       Im europaweiten Vergleich nimmt Deutschland einen Mittelplatz ein, was die
       Verbreitung antisemitischer Einstellungen in der Bevölkerung betrifft,
       heißt es in dem Bericht. In Ländern wie Polen, Ungarn und Portugal lägen
       die Werte noch weitaus höher. Die Forscher fordern langfristige und
       kontinuierliche Strategien, um alle Formen des Antisemitismus künftig
       besser zu bekämpfen.
       
       "Im Schulunterricht über den Holocaust reden - das allein ist noch nicht
       präventativ," warnt Juliane Wetzel. Wichtig sei es, in Kirchen und Vereinen
       dem alltäglichen Antisemitismus entgegen zu wirken. Vertreter aller
       Bundestags-Fraktionen kündigten an, sich für neue Strategien gegen
       Antisemitismus einsetzen zu wollen.
       
       23 Jan 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Expertenbericht-zum-Antisemitismus/!81527/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) A. Polonyi
 (DIR) D. Bax
       
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