# taz.de -- Europaabgeordnete über Brustimplantate: "Der Skandal kam zur rechten Zeit"
       
       > Für Medizinprodukte müsse unbedingt eine europäische Zulassungsstelle
       > eingerichtet werden, fordert die SPD-Politikerin und
       > Europaparlamentarierin Dagmar Roth-Berendt.
       
 (IMG) Bild: Ausrangierte Brustimplantate bei der französischen Skandalfirma PIP (Archivfoto von 2010).
       
       Frau Roth-Berendt, alle reden über die fehlerhaften Brustimplantate aus
       Frankreich. Hätte die EU einen solchen Skandal nicht verhindern müssen? 
       
       Dagmar Roth-Berendt: Ich will nicht zynisch klingen, aber der Skandal kam
       zur rechten Zeit. Er riss einige – auch die Europäische Kommission – aus
       ihrem Trott. Wir haben mit einer Richtlinie von 1993 eine total veraltete
       Gesetzgebung und die muss dringend reformiert werden. Allerdings müssen wir
       das Problem losgelöst von den Brustimplantaten betrachten. Es gibt
       mindestens genauso viele Menschen, die Probleme haben mit einem künstlichen
       Knie oder einer Hüftprothese.
       
       Was ist denn bisher schief gelaufen? 
       
       Zurzeit müssen Hersteller von Medizinprodukten für eine Zulassung nur ihre
       Unterlagen an eine der zuständigen Anmeldestellen schicken. Allein in
       Deutschland sind das 16 verschiedene. Da sitzen oft Leute, die verstehen
       gar nichts von diesem Thema. Wenn da in den Unterlagen steht, dieses oder
       jenes Gel ist für den menschlichen Körper geeignet, dann wissen sie nicht,
       ob das stimmt. Sie führen ja auch keine klinischen Studien durch, sondern
       verlassen sich auf die Informationen des Herstellers. Das geht so nicht.
       
       Was würde helfen? 
       
       Am besten wäre eine zentrale Anmeldestelle für Medizinprodukte in der
       gesamten Europäischen Union. Wenn das nicht geht – und die EU-Kommission
       ist strikt dagegen, weil sie Angst hat vor Wettbewerbsnachteilen für
       europäische Unternehmen – dann müssen die Mitgliedsstaaten die
       Verantwortung und Kontrolle für diese Zulassungsstellen übernehmen. Dann
       kann es auch nicht mehr 16 verschiedene geben in einem Land.
       
       Die Europäische Kommission fordert vor allem strengere Kontrollen der
       Hersteller und ein EU-weites Register für Implantate. 
       
       Das ist beides wichtig. Wir brauchen zum Beispiel unangemeldete Kontrollen
       bei den Unternehmen wie es in den USA üblich ist. Die Franzosen haben sich
       das betroffene Unternehmen zehn Jahre lang überhaupt nicht angeschaut. Aber
       diese Maßnahmen sind nur die Kür. Ideal wäre doch, wenn alle Produkte, die
       auf dem Markt zugelassen werden, so perfekt sind, dass man solche
       Kontrollen und Register gar nicht mehr braucht.
       
       Wie geht es jetzt weiter? 
       
       Die Europäische Kommission will in den kommenden sechs Monaten ihren
       Vorschlag vorlegen. Das dauert alles seine Zeit. Bis die neue Richtlinie in
       Kraft tritt, bestimmt zwei Jahre. Deshalb müssen wir jetzt dafür sorgen,
       dass die neue Gesetzgebung auch 2025 noch modern ist.
       
       24 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
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