# taz.de -- Berliner Sechstagerennen: Radfahrerinnen statt Revolvergirls
       
       > "Ladys Cup" beim Berliner Sechstagerennen. Erstmals in der 103-jährigen
       > Geschichte der bierseligen Traditionsveranstaltung drehen auch Frauen
       > ihre Runden.
       
 (IMG) Bild: Erik "Ete" Zabel (r.) mit zwei Angehörigen der sogenannten "Schultheiss-Polizei" bei der Eröffnung des einhundertsten Sechtagerennens in Berlin 2008.
       
       BERLIN taz | Die Lage ist ein wenig unübersichtlich und bietet eine Menge
       Raum für unterschiedliche Interpretationen. Für Heinz Seesing, Chef des
       Berliner Sechstagerennens, ist aber alles ziemlich eindeutig.
       
       Wenn am Donnerstagabend in der nunmehr 103-jährigen Historie der
       Veranstaltung erstmals offiziell Frauen an den Start gehen, dann ist das
       für ihn nichts Geringeres als "eine Sensation, eine Deutschlandpremiere,
       wohl auch eine Europapremiere. Und ich denke, weltweit hat es das so auch
       noch nie gegeben."
       
       Charlotte Becker sieht die Sache ein wenig anders. Die 28-jährige
       Bahnradfahrerin erinnert sich durchaus an Versuche, Frauen als
       Sportlerinnen beim Sechstagerennen zu etablieren. In Stuttgart vor acht
       Jahren zum Beispiel oder immer mal wieder in den Niederlanden.
       
       "In den deutschen Hallen wurde das schnell wieder eingestellt", erklärt die
       aussichtsreiche Olympiakandidatin für London 2012. Becker hat sich seit
       Jahren unerlässlich für die Startchancen von Frauen bei Sechstagerennen
       eingesetzt. Und sie ist auch deswegen besonders stolz, dass sie in Berlin
       ihre Runden drehen darf.
       
       "Ladys Cup" ist der sicher nicht ganz glücklich gewählte Titel des
       Wettkampfs. Doch warum kommt er eigentlich erst jetzt? "Die Frage stellen
       wir uns allerdings auch. Und ich sage mal ehrlich, wir haben bis heute
       keine Antwort darauf gefunden", sagt Heinz Seesing ein wenig ratlos. "Uns
       fiel es einfach nie ein, Frauen einzuladen. Es hat sich aber auch keiner
       darüber beschwert in all den Jahren."
       
       ## Attraktive Staffage im Rahmenprogramm
       
       Kein Wunder. In den bierseligen Velodroms dieses Landes war die den Frauen
       zugewiesene Rolle immer eindeutig definiert. Frauen traten bei
       Sechstagerennen nie als Sportlerinnen in Erscheinung sondern immer nur als
       attraktive Staffage im stimmungsvollen Rahmenprogramm. Zum Auftakt des
       sechs Tage lang währenden Dauerspaßes hatten sie lediglich den Startschuss
       abzugeben und dabei eine gute Figur zu machen.
       
       Barbara Valentin, Milva, Franziska von Almsick, Barbara Schöneberger und
       diverse B-Starlets haben sich in diese Liste der "Revolvergirls"
       eingetragen. "Legendär" und für viele beschwingte Männer bis heute
       unvergessen sind zudem die Oben-ohne-Auftritte einer Frauenband bei den
       Sechstagerennen von München in den wilden siebziger Jahren. In Dortmund,
       Bremen oder Stuttgart ging es kaum anders zu.
       
       "Das wir nun im Jahr 2012 zum ersten Mal aktiv als Sportlerinnen am
       Sechstagerennen teilnehmen dürfen, ist ein echter Fortschritt. Das haben
       wir uns verdient und erkämpft", erklärt Charlotte Becker. Sie ist eine von
       zwölf Frauen, die im Hauptstadt-Velodrom ihre Runden drehen werden, und hat
       sich viel vorgenommen.
       
       Vor allem will sie dem Publikum demonstrieren, "wie ernsthaft, engagiert
       und athletisch wir diesen Sport betreiben", so Becker. Ein wenig aber
       fürchtet sie sich schon vor dem Teil des Publikums, "das sich weniger für
       den Sport als für unsere Hintern interessieren wird. Aber das kalkuliere
       ich ein", sagt Becker selbstbewusst.
       
       ## Vizepräsident begrüßt die Frauen
       
       "Wir begrüßen es, dass auch die Frauen ein Betätigungsfeld im Rahmen des
       Berliner Sechstagerennens bekommen, denn ihre Präsenz in diesen
       Bahndisziplinen ist sowohl bei Weltmeisterschaften als auch bei Olympischen
       Spielen schon längst Normalität", erklärt ein wenig sperrig der
       Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer, Udo Sprenger.
       
       Damit liegt er allerdings nicht ganz richtig. Denn echte Normalität im
       ohnehin erst seit 1988 für Frauen offenen olympischen Bahnradprogramm
       stellt sich erst in diesem Jahr in London ein. Männer wie Frauen starten
       erstmals in denselben fünf Disziplinen.
       
       In Peking 2008 war das Verhältnis noch sieben (Männer) zu drei (Frauen).
       Durch die Angleichung sind für die Frauen drei neue Wettbewerbe entstanden,
       nämlich der Mehrkampfwettbewerb Omnium, die 3er-Mannschaftsverfolgung und
       der Teamsprint.
       
       Diese Aufwertung des olympischen Bahnradfahrens für Frauen hat wohl auch
       die Macher des Sechstagerennens mit dazu bewogen, die Athletinnen mitfahren
       zu lassen. Berlin macht heute den Anfang, "und in ein paar Jahren wird es
       hoffentlich ganz normal sein, dass wir bei diesen Veranstaltungen unsere
       Runden drehen", prophezeit Becker.
       
       26 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Haselbauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Radsport
       
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