# taz.de -- Bergung der "Costa Concordia": Abwracken am Abgrund
       
       > Bis März dauert das Abpumpen des Treibstoffes der "Costa Concordia" – ein
       > Schwimmkran soll das Schiff aufrichten. Das Schweröl gefährdet ein
       > Meeresschutzgebiet.
       
 (IMG) Bild: Mindestens vier Wochen soll die Bergung des Kreuzfahrtschiffes dauern.
       
       HAMBURG taz | Das Abpumpen des giftigen Schweröls aus den Tanks der "Costa
       Concordia" verzögert sich. Die Aktion dürfte frühestens am Sonnabend
       beginnen, sagte Franco Gabrielli, Krisenstabsleiter auf der italienischen
       Insel Giglio. Danach wird es mindestens vier Wochen dauern, bis der
       Treibstoff abgepumpt ist - obwohl rund um die Uhr gearbeitet wird. Erst
       danach kann die eigentliche Bergung des Schiffes beginnen.
       
       Der Treibstoff ist die größte Gefahr für das Meeresschutzgebiet vor der
       Toskana-Insel Giglio. In den Tanks des 290 Meter langen Albtraumschiffes
       befinden sich 2.385 Tonnen Kraftstoffe, ganz überwiegend Schweröl. Während
       in Nord- und Ostsee schärfere Umweltauflagen dafür sorgen, dass Kreuzfahrer
       mit dem vergleichsweise sauberen, aber teureren Diesel fahren, wird im
       Mittelmeer außerhalb von Häfen der Billigtreibstoff eingesetzt. Schweröl
       bleibt in den Raffinerien bei der Herstellung von Benzin, Diesel und Heizöl
       als dreckiger Bodensatz übrig und wäre an Land eigentlich Sondermüll.
       
       Zudem ist Schweröl - der Name sagt es - schwer. Wenn die rund 2.000 Tonnen
       an Bord der "Costa Concordia" unkontrolliert ausliefen, dürfte das
       hochgiftige, teerartige Öl auf den Meeresboden absinken und von der
       Brandung an die seichten Küsten geschwemmt werden. "Damit würden weite
       Areale unweigerlich zum Friedhof für alle Lebewesen", befürchtet der
       NABU-Meeresbiologe Kim Detloff. Zehntausende Meerestiere, die in dem
       Nationalpark Toskanischer Archipel leben, sind bedroht.
       
       Welche Schäden schon weit kleinere Mengen anrichten können, zeigt das
       Beispiel des 1998 vor Schleswig-Holstein in der Nordsee auf Grund
       gelaufenen Frachters "Pallas". Damals tötete laut WWF eine vergleichsweise
       geringe Menge von etwa 100 Tonnen ausgelaufenen Schweröls mehr als 16.000
       Seevögel.
       
       ## Katastrophe verhindern
       
       Eine solche Katastrophe vor Giglio verhindern soll das niederländische
       Bergungsunternehmen Smit Salvage. Reederei und Küstenwache hatten Smit am
       Montag grünes Licht für das Abpumpen des Treibstoffs gegeben. Ein Öltanker
       mit Spezialausrüstung, der Schwimmkran "Meloria" und Hilfsschiffe sind vor
       Giglio eingetroffen.
       
       Die 17 Tanks, die tief im Inneren des stählernen Rumpfes liegen, müssen nun
       von Tauchern doppelt angebohrt werden: Ein Loch zum Abpumpen, durch das
       andere wird heißer Wasserdampf in die Tanks gepumpt, um das Schweröl zu
       verflüssigen. Bis zu einer Temperatur von 50 Grad Celsius ist der
       Kraftstoff eine zähe Masse und unpumpbar.
       
       Bleibt das oft stürmische Mittelmeer ruhig, könnte Smit diese Routinearbeit
       bis Ende März erledigt haben. Beim Nabu ist man "zuversichtlich", dass es
       klappt. "Damit wäre die schlimmste Gefahr behoben", so Schifffahrtsexperte
       Dietmar Oeliger.
       
       ## Danach wird sich alles um eine grundsätzliche Frage drehen: bergen oder
       zerschneiden?
       
       Fest steht: Die "Concordia" ist schrottreif. Das Salzwasser wird
       Kabineneinrichtungen und teure Elektronik, die das gesamte Schiff
       durchzieht, in kurzer Zeit zerfressen, und selbst die Discounttouristen der
       Reederei Costa werden zukünftig ungern Urlaub auf einem Totenschiff
       verbringen.
       
       Smit Salvage war es vor 25 Jahren gelungen, vor Zeebrügge die gekenterte
       Ärmelkanalfähre "Herald of Free Enterprise" mit einem Dutzend Kräne wieder
       aufzurichten. Doch bei der "Concordia" sind die Bedingungen ungleich
       schwieriger: Sie liegt auf einem Felsenriff im Wellengang und droht über
       eine Kante bis auf 100 Meter Tiefe abzurutschen. Außerdem müssen hier
       erstmals in der Bergungsgeschichte 50.000 Tonnen Stahl bewegt werden.
       
       Bergungsexperten von der Konkurrenz halten eine solche technische
       Meisterleistung freilich für möglich. Hierzu könnten Ösen seitlich an den
       Rumpf geschweißt werden, durch die Stahlseile um den Schiffsrumpf gezogen
       und an Land verankert werden (siehe Grafik). In diesem "Ring" könnte dann
       die "Concordia" mit Schwimmkränen und Luftkissen wieder aufgerichtet
       werden. Anschließend würde der etwa 50 Meter lange Riss im Rumpf, der den
       Menschen an Bord zum Verhängnis wurde, mit Stahlplatten versiegelt und das
       Schiff leer gepumpt.
       
       Sollte die "Concordia" jedoch über die Klippe in die Tiefe sinken, bliebe
       nur das Zerschneiden des 450 Millionen Euro teuren Schiffes am Meeresboden.
       
       Auch hier kann Marktführer Smit - in kleineren Dimensionen - Erfolge
       vorweisen. So wurde der Transporter "Tricolor" mit mehr als 6.000 Autos an
       Bord im Ärmelkanal vor einem Jahrzehnt mit einer Seilsäge in neun Teile
       zerschnitten und die Wrackteile gehoben. Die Bergung dauerte länger als
       zwei Jahre.
       
       Doch Zerschneiden ist nach Expertenmeinung nicht nur finanziell und
       technisch die schlechtere Lösung: Bewegliche Teile, Reinigungsmittel und
       Schmieröle würden ins Meer hinaustreiben.
       
       26 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hermannus Pfeiffer
       
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