# taz.de -- Illegale Schiffsentsorgung: Das Wrack aus Wilhelmshaven
       
       > Das Umweltamt stoppt in letzter Minute einen mit Sondermüll belasteten
       > Frachter. Die Reederei wollte ihn illegal in Indien abwracken.
       
 (IMG) Bild: Noch liegt die „Northern Vitality“ in Wilhelmshaven an der Kette.
       
       BREMEN taz | Eigentlich sollte die „Northern Vitality“ nur zum Üben in den
       Jade-Weser-Port kommen. Mit dem Frachter wollte die Hafengesellschaft
       Eurogate die Kaianlagen des Tiefwasserterminals erproben. Doch jetzt ist
       das Schiff ein Politikum und sitzt in Wilhelmshaven fest: Wegen des
       Verdachts auf Umweltfrevel, die illegale Entsorgung von Asbest und anderen
       Giftstoffen, darf sie nicht mehr auslaufen.
       
       1.404 große Container könnte sie über die Weltmeere tragen – und das
       eigentlich noch ein paar Jahre, denn sie wurde erst 1997 gebaut. Da konnten
       Anleger, die in Schiffe investierten, noch auf eine gute Rendite hoffen.
       
       Doch der Boom ist vorbei, die Reedereien verkleinern ihre Flotten. 2012
       wurden so viele Containerschiffe verschrottet wie noch nie.
       
       Dies geschieht ganz überwiegend in Asien. Die Schwellenländer dort brauchen
       Stahl, die provisorischen Werften zahlen geringe Löhne und investieren kaum
       in Infrastruktur. Mensch und Umwelt werden vor den Giftstoffen in den
       Schiffen kaum geschützt.
       
       ## Schiff verkauft
       
       Am 24. August meldete der Schiffsreycling-Marktführer GMS, dass der
       Frachter verkauft sei und in Indien abgewrackt werden solle. So weit, so
       normal. Jeden Tag verlassen Schiffe ihre Häfen, um an den Stränden von
       Geddani in Pakistan, Chittagong in Bangladesh oder im indischen Alang
       auseinandergenommen zu werden.
       
       Doch am vergangenen Donnerstag stoppte die Norddeutsche Reederei H. Schuldt
       im Auftrag des Eigentümers den Verkauf der „Northern Vitality“. Warum? Mit
       der Erklärung tut sich der Reedereisprecher Thomas Droemer schwer.
       
       Man wolle gemeinsam mit den Behörden an einer Lösung arbeiten, sagt er –
       aber nicht, welches Problem gelöst werden muss. Genauso wenig will er
       verraten, an wen das Schiff verkauft wurde.
       
       ## Illegaler Sondermüll
       
       Kein Wunder, denn es ist nach dem Basler Abkommen von 1992 illegal,
       Sondermüll – und als solcher gelten Schiffe – in Entwicklungsländern zu
       entsorgen.
       
       Dennoch wird immer wieder gegen dieses Verbot verstoßen: Bekannte Fälle
       sind der 1989 vor Alaska havarierte Öltanker „Exxon Valdez“ oder die „Blue
       Lady“, die im Jahr 2006 Bremerhaven zu einer letzten Fahrt nach Südasien
       verließ.
       
       Damals hatte Ingvild Jenssen von der NGO Shipbreaking Platform den Bremer
       Umweltsenator aufgefordert, das Schiff zu stoppen. Dennoch endete es 2008
       in Alang – und mit ihm kamen Hunderte Tonnen Giftmüll.
       
       Bei der „Northern Vitality“ war Jenssen erfolgreicher. Anfang September
       informierte sie das niedersächsische Umweltministerium darüber, dass in
       Wilhelmshaven ein Schiff liegt, das zum Abwracken nach Indien auslaufen
       sollte.
       
       ## Ein Tipp von der Konkurrenz
       
       Den Tipp hatte Jenssen von einer konkurrierenden Abwrackwerft bekommen. Am
       10. September stoppte das Umweltamt Wilhelmshaven die „Northern Vitality“ –
       schneller, als von Behörden gewohnt. „Bis geklärt ist, wer zuständig ist,
       ist das Schiff meistens längst weg“, sagt Jenssens Mitstreiterin Delphine
       Reuter.
       
       Doch nur einen Tag später sah es so aus, als würde auch die „Northern
       Vitality“ entwischen. Man habe keine rechtliche Handhabe, das Schiff
       festzuhalten, sagte um zehn Uhr morgens der Sprecher der Stadt
       Wilhelmshaven.
       
       „Das Schiff geht in einer Stunde raus, die Probleme haben sich geklärt“,
       bestätigte ein Agent der Reederei auf Nachfrage der taz. Das mit Indien sei
       „ein Missverständnis“, tatsächlich solle das Schiff auf See dem neuen
       Besitzer übergeben werden. „Was der vorhat, wissen wir nicht.“
       
       ## Ministerium bleibt unbeirrt
       
       Doch anders als die Stadt Wilhelmshaven ließ sich das Umweltministerium von
       dieser Aussage nicht beirren. „Wenn das Schiff ausläuft, ist das eine
       Straftat“, so ein Ministeriumssprecher. Wilhelmshaven müsse sich nachweisen
       lassen, wer der Eigentümer ist und was dieser mit dem Frachter vorhat.
       
       Die Norddeutsche Reederei verbreitet derweil die Version, die Zukunft des
       Schiffs sei offen, man denke darüber nach, das Schiff mit dem Zweck des
       Weiterbetriebs zu verkaufen.
       
       „Das kennen wir schon“, sagt dazu die Aktivistin Ingvild Jenssen. Auch in
       anderen Fällen hätten Verkäufer Scheinverträge präsentiert.
       
       18 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schifffahrt
       
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