# taz.de -- Video der Woche: Nachgespielt
       
       > Er ist nicht aufzuhalten, der alltägliche allerorts herrschende
       > Klingeltonangriff auf das menschliche Ohr. Bisher galten klassische
       > Konzerte als sicher. Bisher.
       
 (IMG) Bild: Die Handyunterbrechung wird vom Violinisten spontan ins Programm eingebunden.
       
       BERLIN taz | Es ist auch ein Kreuz mit den Klingeltönen. Zu jeder Zeit
       tropft einem im Kino, Theater oder in jedem noch so kleinen Tagessmoment,
       zwischen U-Bahn und Supermarkt, Handymusik ins Ohr. Die Botschaft ist klar:
       Ich bin erreichbar – jederzeit, rund um die Uhr. Das sollen dann auch
       bitteschön alle mitkriegen.
       
       Besonders beliebt sind markante Sequenzen der vom angerufen Protagonisten
       plattgehörten Lieblingssongs. "Hey, what's your number?" Mitunter kann das
       sogar ganz lustig sein. Der Trainer von Borussia Dortmund, Jürgen Klopp,
       hat öffentlichkeitswirksam in letzten Jahren Maßstäbe gesetzt – mal
       [1][konstruktiv], mal [2][harsch].
       
       Dennoch, die totale Anrufbereitschaft ist längst eine der nervigsten
       Maximen des postmodernen Menschen geworden. Mal ganz davon abgesehen, dass
       auch die Bereitschaft inflationär zunimmt – ist das mobile Quatschgerät
       erstmal ans Ohr gepresst – Intimstes in der Öffentlichkeit preiszugeben.
       Aber die halbe Welt ist ja auch bei Facebook.
       
       Wer weiß, vielleicht schickt die FDP demnächst ihre Mitglieder möglichst
       unauffällig, mit dem iPhone bewaffnet, in deutsche Fussgängerzonen und ruft
       sie ständig an. Der Klingelton der Wahl wäre wohl "You're the voice" vom
       australischen Dudelbarden John Farnham. Wer genervt oder gelangweilt guckt,
       kriegt gleich mal das Wahlprogramm für die anstehenden Landtagswahlen in
       die Hand gedrückt. Okay, ist eine zynische Idee.
       
       Als eine der letzten Schutzzonen galt bisher das klassische Konzert. Aber
       auch die Bastion ist jüngst gefallen, wobei der Anruf mustergültig zwischen
       die Stücke platzte. So soll es sein, wird sich der Empfänger still gedacht
       haben. Die typische Melodie eines großen Handyanbieters animierte
       überraschenderweise den geigenden Künstler dann zum spontanen Arrangement
       des digitalen Themas.
       
       Der Applaus fiel dennoch mäßig aus. Der Künstler zuckte mit den Schultern.
       Mittlerweile stört das Gebimmel eben nicht mal mehr den Unterbrochenen. Er
       reagiert wenigstens noch mit einem kreativen Konter. Das Publikum nimmt
       nicht wirklich Notiz. Man kennt die gackernden Handytimbres zur Genüge -
       aus dem Supermarkt, der U-Bahn-Fahrt oder dem Kino. Was soll's ist halt nur
       Jamba-Jammer. Schluss jetzt mit dem Kommunikationspessimismus, das Handy
       klingelt. Besser rangehen, der Kollege vom Schreibtisch gegenüber guckt
       schon böse.
       
       27 Jan 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=YLU6RzkEjdI&feature=youtu.be
 (DIR) [2] http://youtu.be/o0BkQYuYFOY
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Scheper
       
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