# taz.de -- Gewerkschaftschef über Integration: "Keinen Plan gegen Benachteiligung"
       
       > Die Regierung versagt bei der Teilhabe von Einwanderern, sagt GEW-Chef
       > Ulrich Thöne. Sie müsse mehr Mittel in politische Bildung und
       > Zweitsprachenunterricht investieren.
       
 (IMG) Bild: Wer kommunizieren kann, kann auch Zweitsprachen lernen.
       
       taz: Herr Thöne, Sie waren zum Integrationsgipfel ins Bundeskanzleramt
       eingeladen. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden? 
       
       Ulrich Thöne: Nein, ich war enttäuscht. Immerhin hatte sich Merkel den
       Gipfel ja persönlich zum Anliegen gemacht.
       
       Was hatten Sie erwartet? 
       
       Zum Beispiel ein Konzept, wie man diesen Nationalismus in vielen Köpfen -
       "Deutsche gut, Ausländer schlecht" - überwindet. Nur so entzieht man den
       Boden für das, was jüngst in Zwickau ans Tageslicht gekommen ist. Die NPD
       zu verbieten - das alleine ist keine Lösung.
       
       Was wäre denn zu tun? 
       
       Eine ganze Menge. Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem, auf das wir
       gemeinsam reagieren müssen. Aber stattdessen wird in der politischen
       Bildung ja sogar gekürzt.
       
       Was halten Sie von dem "Nationalen Aktionsplan Integration", den die
       Regierung am Dienstag vorgestellt hat? 
       
       Das ist kein wirklicher Plan, der auf ein erkanntes Problem reagiert. Eher
       ein loses Maßnahmenpaket, mit dem die Öffentlichkeit vertröstet werden
       soll. Wie ernst man ihn nimmt, sieht man daran, dass etwa das Kapitel
       Bildung - bis auf zwei kleine Änderungen - identisch ist mit dem Bericht
       der entsprechenden Arbeitsgruppe aus dem Sommer vergangenen Jahres. Themen
       wie der Bedarf an mehr gebundenen Ganztagsschulen oder den Ausbau
       muttersprachlichen Unterrichts werden darin erst gar nicht behandelt.
       
       Die Regierung setzt vor allem darauf, das Erlernen der deutschen Sprache zu
       fördern. Ist das denn so falsch? 
       
       Nein, aber es wird überbetont. Die Haltung ist: Das Kind soll erst mal
       richtig Deutsch lernen, dann klappts auch in der Schule. Aber ein Drittel
       aller Kinder mit Migrationshintergrund wird gar nicht hier geboren und
       steigt erst später ein. Darauf sind wir zu wenig eingestellt. Sprache heißt
       vor allem, kommunizieren zu können. Daher ist die Beherrschung der
       Familiensprache für die persönliche Entwicklung wie für das Erlernen
       anderer Sprachen oft sehr wichtig.
       
       Was fehlt Ihnen noch? 
       
       Zum Beispiel Schritte, wie man der Benachteiligung von Migranten aktiv
       entgegenwirkt. Bewerber mit arabischen oder türkische Nachnamen haben
       erwiesenermaßen schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz als solche,
       die Meier oder Müller heißen. Das wird man nicht mit Appellen verhindern.
       Hier muss der Staat zusätzliche Möglichkeiten für eine qualifizierte
       Ausbildung schaffen. Sonst lässt er eine ganze Generation ins Leere laufen.
       
       Die Bundesregierung will mehr Migranten für den Staatsdienst gewinnen, etwa
       als Lehrer. Das ist doch gut, oder? 
       
       Statt um mehr Bewerber mit Migrationshintergrund zu betteln, sollte sie für
       mehr Chancengleichheit sorgen. Das Problem ist doch: Weil vor zwanzig
       Jahren zu wenig Einwandererkinder Abitur gemacht haben, gibt es heute zu
       wenig Fachkräfte mit Migrationshintergrund. Das ist ein Teufelskreis, dem
       man nur mit gezielter individueller Förderung und einer besseren
       Ausstattung von Kitas und Schulen entkommt - gerade in sozial
       benachteiligten Stadtvierteln.
       
       Kinder von Einwanderern gehen noch immer seltener in die Kitas als andere.
       Hilft dagegen eine Kita-Pflicht, wie sie Neuköllns Bürgermeister Horst
       Buschkowsky gerne fordert? 
       
       Eine Kita-Pflicht passt nicht so ganz zu unserem Grundgesetz. Aber wir
       müssen alles tun, um Kitas attraktiver zu machen und bestehende Barrieren
       zu beseitigen. Deshalb sollten sie unentgeltlich sein, damit gerade Kinder
       aus sozial schwachen Familien hier willkommen geheißen werden. Das geplante
       Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken
       wollen, geht da in eine ganz falsche Richtung.
       
       3 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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