# taz.de -- Die Macher über "Stuckrad Late Night": "In der Tradition von Kulenkampff"
       
       > Anarchisch, um die Ecke, nervig. Ein Gespräch mit Benjamin von
       > Stuckrad-Barre und Christian Ulmen zur neuen Staffel von "Stuckrad Late
       > Night".
       
 (IMG) Bild: Freut sich auf die zweite Staffel seiner Late Night Show: Benjamin von Stuckrad-Barre.
       
       taz: Herr Stuckrad-Barre, Herr Ulmen, zum Ende der ersten Staffel hat ein
       FAZ-Kritiker geschrieben: "So wie jetzt kann es nicht weitergehen." 
       
       Benjamin von Stuckrad-Barre: Meinte er Deutschland?
       
       Nein, er meinte "Stuckrad Late Night". Werden Sie ihm den Gefallen tun? 
       
       Stuckrad-Barre: Was soll denn das heißen: "So kann es nicht weitergehen"?
       Das denke ich dreimal pro Tag, das ist ja vollkommen lächerlich. Kommt ein
       Mann von der taz und zitiert als Erstes gleich mal die FAZ, das ist
       andererseits sehr lustig. Wie auch immer, wir haben die Show von Anfang an
       so angelegt, dass wir da Dinge ausprobieren, immer wieder aufs Neue - im
       vollen Bewusstsein, dass auch immer was schiefgehen kann. Die 19. und 20.
       Sendung der ersten Staffel zum Beispiel sahen anders aus als die erste und
       zweite, weil wir die Show fortlaufend weiterentwickelt haben.
       
       Was wird sich mit der zweiten Staffel ändern? 
       
       Stuckrad-Barre: Jetzt wollen wir mal den Fehler ausprobieren, sofort den
       Gast auf die Bühne zu holen und nicht erst nach der ersten Hälfte der
       Sendung. Dann wird es höchstwahrscheinlich irgendwo anders hängen, aber wir
       haben die Erfahrung gemacht, dass die Show immer erst mit dem Auftritt des
       Gastes richtig Fahrt aufgenommen hat und auch mir ab dem Punkt mehr Spaß
       macht. Ich brauche ein direktes Gegenüber, auf das ich mich beziehen kann
       und mit dem gemeinsam ich da durchlatschen kann.
       
       Christian Ulmen: Es wird in der zweiten Staffel auch keine Positionen mehr
       geben. Inhaltlich (lacht), nein, auf der Bühne. Das war auch eine Lektion
       der ersten Staffel, dass Benjamin immer noch darüber nachdenken muss, ob er
       im Licht steht oder nicht. Das neue Studio birgt die Möglichkeit, jeden
       Winkel auszuleuchten. Und die Kameras richten sich nach Benjamin und nicht
       umgekehrt.
       
       Stuckrad-Barre: Diese Regiebefehle haben mich wahnsinnig gemacht: "Du musst
       in die 3 gucken, und - ganz wichtig - wenn du diesen Gag mit der Blumenvase
       machst, dann hältst du die in die 5, redest dabei aber in die 2." Dieses
       Müllwissen, mit dem man eine Stunde vor der Sendung vollgestopft wird. Ich
       kann mich dann nicht mehr darauf konzentrieren, was ich, während ich da in
       die 2 spreche und in irgendwas in die 5 halte oder umgekehrt, eigentlich
       sagen will. So einen Quatsch will ich gar nicht beherrschen, mich aber auch
       nicht davon beherrschen lassen - sollen die 5 und die 2 halt mir
       hinterherlaufen.
       
       Ulmen: Damit steht Benjamin in der Tradition von Hans-Joachim Kulenkampff -
       kein Witz! Der beherrschte es auch nicht, einen Ablauf einzuhalten
       hinsichtlich Kamerapositionen und Licht, sodass sich alles um ihn drehen
       musste. Auch bei Benjamin macht das nichts, denn er war ja nie als
       Moderator gedacht. Das ist der Stuckrad-Barre, der das, was er sonst in
       Schriftform tut, nun eben in einer Fernsehshow auslebt. Und da haben wir
       hinter den Kulissen die Aufgabe, ihn Stuckrad-Barre sein zu lassen.
       
       Also war es ein großes Missverständnis in den harten Kritiken zur ersten
       Staffel, dass man an Ihre Leistung die gleichen Parameter angelegt hat wie
       bei richtigen Fernsehmoderatoren? 
       
       Stuckrad-Barre: Kritiker haben eine große Freude daran, ein Scheitern zu
       attestieren. Hat man gerade wieder bei Gottschalk beobachten können, dabei
       ist es, speziell am Anfang, vollkommen sinnlos - ist doch gut, wenn jemand
       etwas ausprobiert. Als Journalist kann ich die Lust am Verriss zwar gut
       nachvollziehen, verreißen macht erst mal mehr Spaß, ist auch viel
       einfacher, und Kritik ist dann besonders lustig und gut, wenn sie
       sadistisch ist und destruktiv. Aber ist sie für mich als Akteur produktiv?
       Nein. Also blende ich Verrisse wie auch Lob aus, indem ich das alles nicht
       lese. Ganz einfach.
       
       Ulmen: Der Impact - um mal eins von Benjamins Lieblingswörtern zu verwenden
       - von Kritik auf das alltägliche Fernsehgeschäft wird überschätzt - von den
       Kritikern. Es ist nicht so, dass man mit den Leuten vom ZDF die Kritiken
       durchgeht und sie sich kollektiv zu Herzen nimmt. Solche Sitzungen finden
       zum Leidwesen aller Kritiker nicht statt.
       
       Ihr Redaktionsleiter Johannes Boss hat mal gesagt: "Wir wollen
       Überraschungsmomente schaffen." Wird das in der zweiten Staffel eher
       leichter oder schwerer? 
       
       Stuckrad-Barre: Ich finde es eher leichter, schon weil es, ganz banal,
       jetzt einfacher ist, Gäste einzuladen, die in der ersten Staffel noch
       dankend abgelehnt haben, weil sie nicht wussten, worauf sie sich einlassen.
       
       Kommt Guido Westerwelle? 
       
       Stuckrad-Barre: Den wollen wir gar nicht mehr.
       
       Lieber Patrick Döring? 
       
       Stuckrad-Barre: Ja, Herr Döring wäre auch kurz gut gewesen. Bei der FDP
       muss man eigentlich live sein, da kannste gar nicht einen Tag vorher
       aufzeichnen, um auch wirklich den jeweils aktuellen Hoffnungsträger in der
       Show zu haben.
       
       Sendungen, in die Politiker eingeladen werden, gibt es ja einige. Was genau
       wollen Sie mit Ihrer Show? 
       
       Stuckrad-Barre: Allzu große Ansagen sind lächerlich, und niemand denkt
       während des Machens dauernd so abstrakt über die eigene Arbeit nach, oder
       wenn er das tut, kommt ein bombastischer Quatsch dabei heraus. Es ist doch
       relativ simpel: Man sucht sich seinen Ort, an dem man sprechen kann und
       mag, wo die Leute okay sind, die Bedingungen gut, das Umfeld für einen
       selbst in Ordnung, der Kaffee gut, die Bezahlung okay und so weiter. Ich
       habe mit dieser Sendung und dieser Produktionsfirma UlmenTV für mich einen
       solchen Ort gefunden.
       
       Also Scheiß auf den Überbau? 
       
       Stuckrad-Barre: Nö, gar nicht.
       
       Ulmen: Doch!
       
       Stuckrad-Barre: Eine belastbare Haltung erwächst vor allem durch
       kontinuierliches Arbeiten. Alles andere ist Liedermachergewäsch auf
       Kirchentagen.
       
       Ulmen: Die zentrale Frage für unsere Arbeit an "Stuckrad Late Night" ist:
       Was macht uns Spaß? Worüber können wir lachen? Worüber wird der Zuschauer
       staunen, irritiert sein oder: Was wird er im allerbesten Fall nicht
       vergessen. Diese Naivität in der Herangehensweise bewahren wir uns ganz
       bewusst. Und dann wird durch die Konstellation "Politiker trifft auf
       Stuckrad und gibt ungewöhnliche Antworten auf ungewöhnliche Fragen" schon
       automatisch etwas abfallen, das einen beiläufigen Blick auf Politikrealität
       wirft, ohne dass wir erst mal ein Manifest formulieren müssen.
       
       Warum machen Sie "Stuckrad Late Night" zusammen? 
       
       Ulmen: Weil zwischen uns eine unausgesprochene Einigkeit darüber herrscht,
       wie gutes Fernsehen aussehen soll.
       
       Stuckrad-Barre: Mir leuchtet es sehr ein, dass Christian nach
       frustrierenden Erfahrungen mit der TV-Branche aus Notwehr, Realismus und
       Überdruss eine eigene Produktionsfirma gegründet hat, um genau die ihm
       entsprechenden Projekte auf eine ihm angenehme Art verwirklichen zu können.
       Wichtig ist aber auch, dass wir beide immer wieder andere Sachen mit
       anderen Leuten machen. Doch wir bleiben immer im Gespräch, tauschen uns aus
       über Sachen, die wir sehen und mögen oder auch nicht mögen. Davon handelt
       unsere Freundschaft.
       
       Was wünschen Sie sich für die zweite Staffel? 
       
       Ulmen: Dass ich abends vorm Einschlafen wieder den einen oder anderen Satz
       aus der Show vom Tage im Ohr habe, ich vielleicht sogar noch mal kurz
       lachen muss über eine Antwort aus den "Schnellen Fragen" …
       
       … einem Herzstück der Sendung, in dem Benjamin von Stuckrad-Barre etwa
       Andrea Ypsilanti gefragt hat: "Schönes Gefühl, mal wieder im Fernsehen zu
       sein?" oder Thilo Sarrazin wie der Klingelton von seinem Handy geht. 
       
       Stuckrad-Barre: Und er antwortet: rrrrrr. rrrrrr. Eine geisteskranke Frage,
       aber das ist eine Art, um die Ecke zu einer Wahrheit zu kommen. Da muss ich
       ihn nicht wie andere andauernd fragen: Sind Sie Rassist? Sind Sie Rassist?
       Sind Sie Rassist? Was ich ihn natürlich auch gefragt habe, aber so ganz
       beiläufig, zwischen Handyklingelton und Lieblingslied von Madonna.
       
       Hat das neue Studio eine Klimaanlage? 
       
       Ulmen: Ja, hat es.
       
       Stuckrad-Barre: Aber ich werde trotzdem wieder schwitzen. Das macht aber
       gar nichts. Da passiert etwas, auch mit dem Moderator, der wirft sich
       hinein und weiß selbst nicht so genau, wohin das alles führt. Ist doch
       herrlich. Ich bin eben nicht Kai Pflaume, der auch in Minute 90 noch
       perfekt gepudert ist und ohne jeden Selbstzweifel, vollkommen unangetastet
       vom Verlauf seiner Sendung. Ich finde es völlig in Ordnung, zu schwitzen in
       einer so künstlichen Situation.
       
       "Stuckrad Late Night", ZDFNeo, 23.30 Uhr
       
       9 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Buch
 (DIR) Christian Ulmen
       
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       gibt zurzeit nur wenige so brillante Kulturjournalisten wie ihn. Ein
       Spaziergang am See.