# taz.de -- Polizeispitzel an der Uni Heidelberg: Mehr spioniert als erlaubt
       
       > Alles rechtens, sagten Behörden, als der verdeckte Ermittler "Simon
       > Brenner" enttarnt wurde. Doch Akten zeigen: Der Spitzeleinsatz war
       > heikel. Betroffene klagen.
       
 (IMG) Bild: Demonstrierte zur Tarnung mit: der verdeckte Ermittler "Simon Brenner" (l.) auf Anti-Atom-Demo.
       
       HEIDELBERG taz | Dass an der Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes nicht zu
       zweifeln sei, war für die baden-württembergische Landesregierung schnell
       klar. Das galt in der CDU-Regierung, das gilt auch heute unter dem
       SPD-Innenminister Reinhold Gall: Der Polizist, der unter dem falschen Namen
       "Simon Brenner" linke Studierende ausspionierte und dabei enttarnt wurde,
       sei völlig zu Recht im Einsatz gewesen.
       
       Doch die Akten, die die taz nun einsehen konnte, legen andere Schlüsse
       nahe. Die Anhaltspunkte für eine Gefährdung durch die bespitzelten Linken
       waren vage. Und der Beamte spionierte wesentlich mehr, als er gedurft
       hätte.
       
       Sieben "gebrauchsfertige Molotowcocktails" - so steht es in den teils
       geschwärzten Akten, die derzeit dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe zur
       Prüfung vorliegen - seien der Anlass für die Bespitzelung gewesen.
       
       Die Brandsätze hatte die Polizei bei einer Hausdurchsuchung im November
       2009 im Keller einer Wohngemeinschaft in Sinsheim bei Heidelberg gefunden.
       Aus dem Fund folgerte Heidelbergs Polizeichef Bernd Fuchs, dass der Einsatz
       eines verdeckten Ermittlers nötig sei, um "gegen sich bildende
       terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten." Einen weiteren
       Grund sah er darin, dass die linke Szene "sehr konspirativ agiert". So
       wurde der Besitzer der Molotowcocktails zu einer der Zielpersonen des
       Einsatzes.
       
       Michel Dandl war Zielperson Nummer zwei. Er ist Mitglied der
       Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Die Polizei sieht in ihm eine
       "Führungsperson" des linken Spektrums in Heidelberg. Laut Akteneintrag
       unterhielt sich Dandl am 19. September 2009 auf einer Demonstration gegen
       Neonazis mit dem Besitzer der Molotowcocktails.
       
       Die Polizei listete daraufhin auf, an welchen Demonstrationen gegen rechts
       sich Dandl noch beteiligte - und setzte auch auf ihn den Spitzel an. Es sei
       davon auszugehen, dass Dandl "auch weiterhin am sog.
       Demonstrations-Tourismus teilnimmt". Dies ist bereits der harte Kern der
       Vorwürfe.
       
       ## Verdächtig: Universitätsstädte
       
       Weitere Begründungen sind generell gehalten. So heißt es in den Akten, "für
       das Jahr 2009 zeichnete sich bundesweit erneut ein Anstieg […] der
       politisch linksmotivierten Straftaten" ab. Das gelte auch für Heidelberg.
       Außerdem seien Universitätsstädte als "Magnet von linksorientierten
       Personen bekannt".
       
       Dokumente deuten darauf hin, dass "Brenner" wesentlich mehr erfasste, als
       er durfte: Zwar heißt es in der Einsatzanordnung explizit, "Bewegungen aus
       der Universität heraus zum aktuellen Thema Bildungspolitik" seien nicht
       Ziel des Einsatzes. Faktisch war Brenner jedoch vor allem mit studentischen
       Gruppen wie der Kritischen Initiative, dem SDS und dem
       Bildungsstreikbündnis unterwegs.
       
       "Simon Brenner lernte keine der Zielpersonen je richtig kennen. Trotzdem
       verfasste er 15 Berichte über seinen Einsatz", sagt Mathias Richter, einer,
       der bei der Enttarnung des Spitzels dabei war.
       
       Die Aktenauswertung legt nahe, dass es der Polizei um die Erkundung einer
       gesamten linken Szene ging. Anders als der Verfassungsschutz darf die
       Polizei jedoch nicht schon im Vorfeld einer Gefahr ermitteln, sondern erst
       bei einem konkreten Verdacht oder bei konkreter Gefahr.
       
       ## Einsatz vor der Anordnung
       
       Auch weisen die Akten noch Ungereimtheiten auf. So war "Brenner" bereits am
       18. November 2009 in Heidelberg aufgetaucht. Das war über drei Monate vor
       der offiziellen Einsatzanordnung und nur zwei Wochen nach der
       Hausdurchsuchung - dem offiziellen Grund für den Einsatz. Selbst wenn die
       Entscheidung für den Einsatz des Ermittlers direkt am Tag des
       Brandsatzfunds fiel: Kann ein verdeckter Ermittler innerhalb von nur zwei
       Wochen auf seinen Einsatz vorbereitet werden?
       
       Ob der Einsatz also rechtens war, muss nun das Verwaltungsgericht in
       Karlsruhe entscheiden, wo einzelne Betroffene derzeit klagen. Doch das
       dürfte nicht leicht sein. Denn die Akten, auf die sich das Gericht stützen
       kann, kamen nur in Teilen und stark geschwärzt beim Gericht an.
       
       Der Grund: Innenminister Gall hatte einem Antrag der Polizeidirektion
       Heidelberg zur Sperrung der Unterlagen zugestimmt.
       
       13 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) N. M. Bust-Bartels
       
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