# taz.de -- Viele italienische Zeitungen vor dem Aus: Betrug im Blätterwald
       
       > Italiens Regierung kürzt die Subventionen. Statt jedoch die Spreu vom
       > Weizen zu trennen und ein neues, transparentes Fördermodell zu schaffen,
       > setzt sie auf Kahlschlag.
       
 (IMG) Bild: Eine Frau liest im italienischen Perugia die Tageszeitung "La Nazione".
       
       ROM taz | "1.000 mal 1.000!" Valentino Parlato, der 81-jährige Nestor der
       Redaktion von Il Manifesto, wendet sich mit einem leidenschaftlichen Appell
       an die Leser des radikal linken Traditionsblatts. Wenn sich schnell 1.000
       Unterstützer fänden, die jeder 1.000 Euro lockermachen, dann ließe sich
       womöglich das Ruder noch herumreißen und der Bankrott des Manifesto
       abwenden.
       
       "Krise": Dies ist ein Stichwort, das die 1971 gegründete "kommunistische
       Tageszeitung" über die Jahre immer wieder begleitete – und ganz wie die taz
       griff Il Manifesto immer wieder zu Rettungskampagnen, um das Überleben zu
       sichern. Doch diesmal ist alles anders, denn diesmal erscheint es fast
       unmöglich, das Aus noch abzuwenden.
       
       Italiens Regierung nämlich hat die Axt an jene Subventionen gelegt, die
       bisher Partei- und Genossenschaftszeitungen auf dem engen Printmarkt das
       Überleben sicherten, auch wenn die Erlöse aus Abos, Verkauf und Werbung bei
       weitem die Kosten nicht deckten.
       
       ## Millionensegen
       
       Bei Manifesto waren es in den letzten Jahren jeweils 3 Millionen Euro, die
       an Zuschüssen flossen. Insgesamt aber sind es mehr als 100 Blätter, die in
       den Genuss staatlicher Unterstützung kommen. Zu ihnen zählt die glorreiche
       LUnità, heute Zeitung der Partito Democratico – sie erhält jährlich bisher
       etwa 6 Millionen Euro –, zu ihnen zählte über Jahre aber auch die stramm
       rechte Tageszeitung Libero, deren Verleger, ein Klinikbetreiber, die Form
       der Kooperative für den Verlag wählte, um seinerseits am Millionensegen zu
       partizipieren.
       
       Und auch ein Blatt wie Il Foglio strich per anno 3 Millionen Euro ein. Il
       Foglio, unter seinem Chefredakteur Giuliano Ferrara, galt immer als das
       Intelligenzblatt der italienischen Rechten, die Mehrheitseignerin ist die
       mittlerweile von Berlusconi getrennte Silvio-Gattin Veronica Lario. Die
       effektiv verkaufte Auflage betrug wohl nie mehr als 6.000 Exemplare, doch
       Italiens Steuerzahler füllten auch diese Nische brav mit Leben.
       
       Jetzt aber soll Schluss sein mit der Gießkannensubventionierung. Statt
       früher 175 Millionen pro Jahr soll es nur noch insgesamt 50 Millionen
       geben. Reihenweise würden damit die Redaktionen schließen müssen.
       
       Zum Jahresende schon machte Liberazione zu, die Parteizeitung von
       Rifondazione Comunista. Dutzende weitere Nischenorgane werden wohl bald
       folgen. Die Manifesto-Chefredakteurin Norma Rangeri ist die Erste, die das
       bisherige Subventionsmodell scharf kritisiert. Niemand kontrollierte die
       verkaufte Auflage der bezuschussten Zeitungen, niemand fragte, ob sie
       überhaupt eine funktionierende Redaktion hatten.
       
       ## "Spekulanten und Betrüger"
       
       Völlig obskure Blätter strichen Millionen ein: Es reichte, dass sie zum
       Beispiel eine "gedruckte Auflage" von 30.000 meldeten, um zu kassieren.
       "Spekulanten und Betrüger" hätten sich da eine goldene Nase verdient,
       schimpft Parlato.
       
       Doch statt die Spreu vom Weizen zu trennen und, wie von Manifesto
       gefordert, ein neues, transparentes Fördermodell zu schaffen, setzt die
       Regierung auf Kahlschlag.
       
       Die Folgen für den Medienpluralismus wären fatal: Schon heute wird das Gros
       der italienischen Tageszeitungen von medienfremden Unternehmensgruppen
       kontrolliert.
       
       La Repubblica gehört dem Finanzier Carlo De Benedetti, der Corriere della
       Sera ist in den Händen einer Holding, an der Banken, Bauunternehmen,
       Versicherungen Beteiligungen halten, Il Messaggero gehört einem Baulöwen,
       La Stampa ist Eigentum von Fiat.
       
       Es waren bisher Blätter wie Il Manifesto oder bisweilen auch LUnità, die
       Raum für jene Nachrichten, für jene Meinungen hatten, die in den anderen
       Blättern schlicht ignoriert wurden, die zur Stimme wurden für die
       gesellschaftlichen Bewegungen, zum Beispiel gegen die Atomkraft oder gegen
       die Privatisierung der Wasserversorgung.
       
       Und so sagen die Manifesto-RedakteurInnen denn auch, ihre Zeitung sei ein
       "öffentliches Gut", eine der wenigen "freien Stimmen ohne Padrone", die mit
       gutem Grund subventioniert werde. Kaum ein Medienmarkt sei nämlich so
       verzerrt wie der italienische: An die 60 Prozent aller Werbeeinahmen
       fließen ins Fernsehen, die Zeitungen müssen sich mit 19 Prozent begnügen –
       und davon sehen linke, kritische Blätter nur ein paar Brosamen.
       
       Jetzt steht Il Manifesto unter Zwangsverwaltung, und wenn die neue
       Rettungskampagne nicht greift, sieht Valentino Parlato nur eine Lösung: die
       Rechte am Titel "Il Manifesto" meistbietend zu versteigern und die Zeitung
       zuzumachen.
       
       14 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Italien
       
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