# taz.de -- Vorwurf an Italiens Ex-Senator Luigi Lusi: Eine Geisterpartei als Goldgrube
       
       > Der Schatzmeister der italienischen Partei "Margherita" soll 13 Millionen
       > Euro veruntreut haben. Geld, mit dem der Staat eine Partei finanzierte,
       > die es nicht mehr gab.
       
 (IMG) Bild: Mit kreativer Buchführung zum Millionär: Ex-Senator Luigi Lusi.
       
       Eine Luxuswohnung im Zentrum Roms, dazu eine schicke Villa draußen vor der
       Stadt: Der italienische Senator Luigi Lusi lebte auf großem Fuß in den
       letzten Jahren. Etwa vier bis fünf Millionen Euro steckte er in die
       Immobilien – Geld, das er als Schatzmeister einer gar nicht mehr
       existierenden und doch weiter vom Staat großzügig finanzierten Partei
       unterschlagen hatte.
       
       Seit 2008 gibt es die gemäßigte Mitte-Partei "Margherita" nicht mehr. In
       jenem Jahr fusionierte sie mit den Linksdemokraten zur neuen "Partito
       Democratico" (PD), der größten politischen Kraft im gegen Berlusconi
       opponierenden Mitte-links-Lage. Der Margherita-Schatzmeister Luigi Lusi
       wäre seinen alten Job losgewesen.
       
       Doch Lusi durfte weitermachen. Die beiden Parteien beschlossen, "politisch"
       zusammenzugehen, "ökonomisch" aber die alten Rechtssubjekte Margherita und
       Linksdemokraten weiter am Leben zu lassen, als Zombies, die ihre Immobilien
       und Ansprüche auf Wahlkampfkostenerstattungen aus vorherigen Urnengängen
       für sich behielten. So entstanden Schattenparteien fernab jeder
       demokratischen Kontrolle, in denen die alten Organe weiter amtierten.
       
       Derweil gingen weiter Millionensummen auf ihren Konten ein: Pro Jahr
       schüttet der italienische Staat mehr als zwei Milliarden Euro an
       "Wahlkampfkostenerstattung" aus. Und die "Margherita" erhielt für die
       nationalen Parlamentswahlen 2006 auch in den Jahren 2008-2011, nach ihrem
       politischen Tod, mehr als 20 Millionen Euro.
       
       ## Mehr als 90 Überweisungen
       
       Nur zwei Personen waren für das Konto der Geisterpartei
       zeichnungsberechtigt: der Parteichef Francesco Rutelli und Schatzmeister
       Luigi Lusi. Mehr noch: Überweisungen bis zu 150.000 Euro durfte Lusi allein
       abzeichnen. Und das tat er auch. In mehr als 90 Fällen griff er zum Kuli,
       schickte jeweils Beträge knapp unterhalb der Schwelle auf das Konto einer
       Firma, hinter der er selbst stand, vor allem für "Beratungsleistungen".
       
       Am Ende hatte er mehr als 13 Millionen Euro beiseite geschafft. Auf den
       Vorstandssitzungen 2010 und 2011 wurden zwar kritische Fragen gestellt,
       wofür die Nicht-mehr-Partei ihre Millionen ausgebe, doch Lusi erreichte
       stets die Absegnung seiner Zahlen.
       
       Schließlich war es auch nur ein Tipp der Banca dItalia an die
       Finanzbehörden, der Lusi ein Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung
       einbrachte. Der erklärte daraufhin, er übernehme "die Verantwortung für
       alles – und alle": eine kaum verhüllte Drohung an Parteifreunde, die
       womöglich ebenfalls von dem Geldsegen etwas abbekommen haben. Die Partito
       Democratico reagierte sofort mit dem Ausschluss Lusis aus der
       Senatsfraktion und der Partei. Lusi bietet nun an, er könne fünf Millionen
       zurückerstatten, der Rest sei weg.
       
       Doch mit dem Ausschluss Lusis ist der politische Schaden für die PD kaum zu
       beheben. Die Anti-Berlusconi-Partei wettert seit Monaten gegen
       "populistische" Kritiker wie die Tageszeitung Il Fatto Quotidiano, die in
       rüden Tönen die Selbstbedienungsmentalität von Parteien und Politikern
       geißeln.
       
       ## Großzügige Alimentierung
       
       Doch auch die PD war dabei, wenn die Alimentierung der Parteien großzügig
       ausgebaut wurde, ohne dass wirksame staatliche oder interne
       Kontrollmechanismen existierten. So hatten die Wähler zwar in einem
       Referendum 1993 die Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung
       beschlossen – doch die Parteien ersetzten sie durch das neue Instrument
       "Wahlkampfkostenerstattung", auch wenn sie oft nur ein Zehntel der ihnen
       gewährten Mittel für ihre Kampagnen ausgaben.
       
       In den letzten 19 Jahren verzehnfachte sich dieser Haushaltstitel auf 2,2
       Milliarden Euro. Und 2006 beschloss das Parlament, dass Wahlkampfkosten
       auch dann über volle fünf Jahre erstattet werden, wenn eine
       Legislaturperiode vorzeitig endet. Das war schon 2008 der Fall: Romano
       Prodi stürzte, es kamen Neuwahlen – und in den Jahren 2008-2011 durften
       sich die Parteien über doppelte "Kostenerstattung" freuen. Unter ihnen
       waren auch jene Parteien, die – wie die Margherita und die Linksdemokraten
       – nur noch als juristische Hülle existierten.
       
       Die PD fordert jetzt ein neues Gesetz, das "Ordnung" in die Materie bringen
       soll – ganz so, als habe die Partei mit jener Unordnung, die Lusi
       Luxusimmobilien einbrachte, gar nichts zu tun.
       
       12 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Senat Italien: Kaste in den Knast
       
       Die Immunität des Senators Luigi Lusi wurde aufgehoben. Es ist das erste
       Mal seit 1945, dass in Italien ein Haftbefehl gegen ein Mitglied des Hohen
       Hauses vollstreckt wird.
       
 (DIR) Verfahren gegen Silvio Berlusconi: Staatsanwaltschaft fordert 5 Jahre Haft
       
       In dem Prozess um die mutmaßliche Bestechung seines früheren Anwalts
       fordert die Anklage fünf Jahre Haft für Silvio Berlusconi. Ihm wird
       vorgeworfen, Falschaussagen erkauft zu haben.
       
 (DIR) Viele italienische Zeitungen vor dem Aus: Betrug im Blätterwald
       
       Italiens Regierung kürzt die Subventionen. Statt jedoch die Spreu vom
       Weizen zu trennen und ein neues, transparentes Fördermodell zu schaffen,
       setzt sie auf Kahlschlag.
       
 (DIR) Linke Tageszeitung "Il manifesto" ist pleite: Radikal entsubventioniert
       
       Das definitive Aus droht: Die alte linke Tageszeitung "il manifesto" ist
       heillos verschuldet. Im permanenten Rückgang der Auflage spiegelt sich die
       Krise der radikalen Linken.
       
 (DIR) Römischer Schnee: Hey, dann eben Winterspiele!
       
       Der Schnee fällt, Italiens Hauptstadt kapituliert. Warum sich retten
       musste, wer konnte, und wie sich Roms Bürgermeister noch weiter blamierte
       als ohnehin schon.
       
 (DIR) Monti verärgert Italiener: Langzeitbeschäftigung? Wie öde!
       
       Ein Leben lang der gleiche Job sei doch langweilig, findet Italiens Premier
       Mario Monti. Er plädiert für einen flexibleren Arbeitsmarkt – die Italiener
       sind empört.
       
 (DIR) Proteste in Italien: Stillstand auf der Standspur
       
       Italiens Freiberufler gegen Montis Reformvorschläge: Lkw-Fahrer blockieren
       die Straßen, Taxifahrer streiken, Kioskbesitzer und Rechtsanwälte sind kurz
       davor.