# taz.de -- Politische Stimmung in Griechenland: In der Krise links
       
       > Wäre jetzt Wahl in Griechenland, würden die linken Parteien mehr als 40
       > Prozent der Stimmen kriegen. Europafeindlich sind sie nicht, aber sie
       > wollen neu verhandeln.
       
 (IMG) Bild: Anhänger der kommunistischen Partei halten nicht viel vom "Europa der Monopole".
       
       ATHEN taz | Die Umfragen lassen die Volksparteien in Griechenland zittern:
       Wenn am kommenden Sonntag Parlamentswahlen wären, würden die bis
       vergangenen November allein regierenden Sozialisten von der Pasok auf ein
       Rekordtief von 11 Prozent der Stimmen zusteuern. Die Konservativen wären
       zwar stärkste Kraft, aber sie würden mit 27 Prozent ihr schlechtestes
       Ergebnis seit 35 Jahren einfahren. Nur die drei großen linken Parteien
       wären auf dem Vormarsch und bekämen gemeinsam über 43 Prozent der Stimmen.
       
       Auf historische Verdienste kann vor allem die kommunistische Partei
       Griechenlands (KKE) zurückblicken. Ihre Partisanen haben im Zweiten
       Weltkrieg gegen die Nazibesatzung gekämpft und einen erheblichen Beitrag
       zur Befreiung des Landes geleistet. Dabei gerieten sie allerdings in
       Konflikt mit den königstreuen Widerstandskämpfern, der in einen
       langwierigen Bürgerkrieg mündete. Noch in den fünfziger Jahren mussten in
       Griechenland bekennende Kommunisten Zwangsarbeit in Arbeitslagern leisten.
       
       Erst nach dem Fall der Militärjunta 1974 wurde das Verbot der
       kommunistischen Partei aufgehoben. Heute noch erinnert sich die Partei gern
       an ihre Märtyrervergangenheit. Weniger gern wird an die frühere
       Eliminierung innerparteilicher Gegner durch die Verehrer Stalins erinnert.
       
       Vom "Europa der Monopole" halten die Kommunisten nicht viel. Sie plädieren
       für den Austritt des Landes aus der EU und natürlich auch für die
       Streichung der griechischen Schulden. Der kommunistische Europaabgeordnete
       Giorgos Toussas brachte es neulich auf den Punkt: "Das Memorandum mit den
       Gläubigern Griechenlands, das von den Parteien des Kapitals verabschiedet
       wurde, mit dem Siegel der EU versehen, ist ein Angriff auf das Volk der
       Arbeiter. Die Arbeiter werden zu Sklaven." 14 Prozent der griechischen
       Wähler teilen diese Meinung.
       
       Die "Demokratische Linke" ist eine Linkspartei, wie sie unterschiedlicher
       nicht sein könnte. Ihr Vorsitzender Fotis Kouvelis, ein hoch angesehener
       Anwalt, plädiert für den demokratischen Sozialismus und die ökologische
       Erneuerung der Gesellschaft sowie für eine europäische Zukunft
       Griechenlands. "Ein Euro-Austritt wäre ökonomischer und politischer
       Selbstmord", erklärt er immer wieder.
       
       ## Ein politisches Chamäleon
       
       Die Demokratische Linke könnte zweitstärkste Kraft im Land werden, obwohl
       sie erst 2010 gegründet wurde. Böse Zungen haben damals behauptet, Kouvelis
       habe seine Partei mit Unterstützung der übermächtigen Pasok gegründet, um
       Stimmen im linken Lager zu fischen und den Sozialisten bei Bedarf als
       Mehrheitsbeschaffer dienen zu können. Jetzt sähe die Lage allerdings ganz
       anders aus: Die Sozialisten selbst würden sich Kouvelis als Juniorpartner
       andienen müssen.
       
       Bleibt noch das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza), ein politisches
       Chamäleon, das einzigartig ist in der griechischen Parteienlandschaft. Das
       Zweckbündnis geht auf eine linke Splitterpartei zurück, die in den 60er
       Jahren von Abweichlern der Kommunisten gegründet und viele Intellektuelle
       gewinnen konnte. Angehörige der Partei plädierten für einen "Sozialismus
       mit menschlichen Antlitz" und schwärmten für Enrico Berlinguers
       Eurokommunismus.
       
       Unter dem Namen "Allianz der Linken und des Fortschritts" gewann die Partei
       viel Respekt in den 90er Jahren, musste aber immer wieder um den
       Wiedereinzug ins Parlament bangen. Der damalige Parteiführer Nikos
       Konstantopoulos bemerkte dazu süffisant: "Die Leute lieben uns. Aber sie
       wählen uns nicht."
       
       Als er entnervt aufgab, entschied sich sein Nachfolger Nikos Alavanos für
       einen Kurswechsel und öffnete die quasi-elitäre Partei für Aktivisten und
       Graswurzelpolitiker aller Couleur. Dafür erntete er viel Lob in der linken
       Szene, aber auch Vorwürfe der bürgerlichen Parteien, er sympathisiere offen
       mit gewalttätigen Linksautonomen.
       
       Auch für den heutigen Vorsitzenden Alexis Tsipras ist der Drahtseilakt
       nicht einfach: Einerseits bekennt sich der 37-Jährige zu Europa,
       andererseits will er die Protestwähler nicht verprellen und toleriert
       verbale Angriffe gegen Brüssel und Berlin. Laut Umfragen käme er auf 13
       Prozent der Stimmen. Die Wähler lieben ihn nicht. Aber sie wählen ihn
       trotzdem.
       
       23 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Papadimitriou
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bundesinnenminister zu Griechenland: Friedrich empfiehlt den Euro-Austritt
       
       Erstmals plädiert ein deutsches Kabinettsmitglied für den Abschied
       Griechenlands aus dem Euro-Raum. Und das kurz vor der Bundestagsabstimmung
       über das zweite Rettungspaket.
       
 (DIR) Griechenlandsolidarität in Frankreich: Eine humanitäre Krise
       
       Französische Intellektuelle wollen Solidarität mit Griechenland
       organisieren. Sie hoffen, mit ihrer Plattform in ganz Europa die Apathie zu
       brechen.
       
 (DIR) Griechische Medien: Mach's dir selbst
       
       Weil die griechische "Eleftherotypia" pleite ist, veröffentlichen die
       Mitarbeiter sie in Eigenregie. Jetzt erscheint die zweite Ausgabe – mit
       deutlich gesteigerter Auflage.
       
 (DIR) Parlament in Griechenland: Schuldenschnitt abgesegnet
       
       Das Parlament in Athen billigt ein Gesetz, dass den Schuldenschnitt mit
       Privatgläubigern regelt. Für das Rettungspaket müssen 107 Milliarden Euro
       Schulden erlassen werden.
       
 (DIR) Griechenland-Paket: Gegenstimme aus Regierungsfraktion
       
       CDU-Politiker Bosbach will gegen das zweite Rettungspaket für Griechenland
       stimmen. Grünen-Finanzexperte Schick hingegen lobt das Programm.
       
 (DIR) Sinkendes Ansehen einer Nation: Der böse Deutsche in der Landschaft
       
       Seit Kanzlerin Angela Merkel Europa zum Sparen zwingt, sinkt das Ansehen
       der Deutschen. Es ist uns seltsam egal. Der Bericht eines Betroffenen.
       
 (DIR) Reaktionen auf die Griechenland-Rettung: Von "sehr glücklich" bis "Sackgasse"
       
       Die Politiker der Regierung in Griechenland sind erstmal glücklich. Die
       Staatspleite ist abgewendet. Die Opposition ist alles andere als glücklich.
       Die Bürger noch viel weniger.
       
 (DIR) Kommentar Griechenland-Rettung: Wir retten die Falschen
       
       Die Milliardenhilfen für Athen sind beschlossen. Für die Griechen wird
       damit alles noch schlimmer. Profitieren werden hingegen Banken,
       Versicherungen und Hedgefonds in Europa.
       
 (DIR) Rettungspaket für Griechenland: Pleite verhindert, Problem bleibt
       
       Im letzten Moment haben sich die Euroländer auf ein Rettungspaket für Athen
       geeinigt. Die "beispiellose Solidarität" der Europartner kommt den
       griechischen Staat teuer zu stehen.
       
 (DIR) Arbeitsrecht in Griechenland: Maulkorb für Gewerkschaften
       
       Griechenland verbietet freie Tarifverhandlungen und verstößt damit gegen
       die europäische Grundrechte-Charta. Die Troika macht Druck und will Löhne
       senken.