# taz.de -- Parlamentswahl im Iran: Wahlkampf ohne Opposition
       
       > Vor der Parlamentswahl im Iran wurden viele Kandidaten als "nicht loyal
       > zum Regime" ausgeschlossen. Mögliche Proteste werden schon jetzt
       > verhindert.
       
 (IMG) Bild: Wahlwerbung in Teheran.
       
       Die Regierung will den Feinden „einen kräftigen Schlag versetzen“, die
       Opposition ruft die Wähler zum Boykott auf, und im Ausland wächst der Druck
       auf die Teheraner Politiker wegen ihrer Atompolitik. Am Freitag wählt der
       Iran ein neues Parlament – und die Bevölkerung ist politisch zutiefst
       gespalten.
       
       Ein erbitterter Kampf um zwei Linien hat die ehemals verbündeten
       Konservativen, den Revolutionsführer Ali Chamenei und den Präsidenten
       Mahmud Ahmadinedschad, entzweit. Die Anführer der Reformbewegung wiederum,
       Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi, stehen unter Hausarrest und
       kandidieren nicht.
       
       3.444 Kandidaten ringen um 290 Parlamentssitze. 1.200 Bewerber durften
       nicht antreten, weil sie nach Ansicht des für die Zulassung zuständigen
       Wächterrats „nicht geeignet“ waren. Dazu gehörten meist politisch
       unliebsame Bewerber, denen Mangel an Loyalität dem Regime und dem Islam
       gegenüber unterstellt wurde. Dies war einer der Gründe für die Reformer aus
       dem islamischen Lager, nicht teilzunehmen.
       
       Die Absage würde die Konservativen nicht stören, müssten sie nicht eine
       geringe Wahlbeteiligung befürchten, die ihre Legitimität infrage stellen
       würde. Für die Machthaber wäre dies ein Desaster.
       
       Daher beschwor Revolutionsführer Chamenei die Gläubigen unter Hinweis auf
       die Gefahren, die das Land bedrohen, massenhaft zu den Urnen zu gehen. Das
       iranische Volk werde durch „Einsicht und aufrechten Widerstand“ niemals
       eine Niederlage erleiden. Es werde „Geistesgegenwart und Weitsicht“ zeigen
       und durch beeindruckend große Teilnahme den Feinden „einen kräftigen Schlag
       versetzen“.
       
       ## Zugang zum Internet ist gesperrt
       
       Das Regime hat Vorsorge getroffen, um mögliche Proteste zu verhindern. Die
       Presse ist gleichgeschaltet, der Zugang zum Internet und zu den sozialen
       Netzen ist bereits seit Wochen kaum noch möglich. Auch die
       Satellitenantennen wurden eingesammelt, um den Zugang zu persischsprachigen
       Auslandssendern zu verhindern.
       
       Dennoch lässt sich nicht mehr vertuschen, dass das Regime seine Legitimität
       und damit seine Basis bei breiten Teilen der Bevölkerung verloren hat.
       Abgewendet haben sich viele Gläubige, die das brutale Vorgehen gegen die
       Opposition 2009 nicht mehr mit ihrem Verständnis vom Islam in Einklang
       bringen konnten.
       
       Damals hatten radikale und moderate Konservative sich verbündet – gegen
       Millionen Wähler, vor allem Jugendliche, die auf Veränderungen hofften.
       Revolutionsführer Chamenei setzte alle Karten auf Ahmadinedschad, der ihm
       bis dahin unterwürfig Gefolgschaft geleistet hatte. Doch nach der Wahl
       bröckelte die Front allmählich auseinander.
       
       Gefälscht oder nicht, der angeblich hohe Wahlsieg ermunterte den
       Präsidenten zu Alleingängen. Er und seine Berater merkten, dass die
       bisherige Ideologie, die auf dem traditionellen Islam basierte, nicht mehr
       funktionierte: Ein neuer Weg musste gefunden werden, um die Mittelschicht
       und die Jugend, die über fünfzig Prozent der Bevölkerung bildet, zu
       gewinnen.
       
       ## Stolz auf die Kultur
       
       Das Zauberwort hieß Nationalismus. Der Präsident beschwor die großartige,
       reiche Kultur, auf die Iraner mit Stolz zurückblicken. Das war neu, nachdem
       diese Kultur in der Islamischen Republik über Jahrzehnte verschmäht worden
       war. Für die Islamisten begann die iranische Geschichte mit der Besetzung
       Irans durch das Heer arabischer Muslime.
       
       Nun verherrlichte Ahmadinedschad die vorislamische Zeit und vertrat die
       These, der Islam sei im Iran durch die alte iranische Kultur geprägt, die
       weit „wertvoller“ sei, als die arabische. „Wir müssen vom iranischen Islam
       sprechen und diesen in der gesamten islamischen Welt verbreiten“, sagte er.
       Der Präsident gab sich zugleich weltlich und modern: Warum solle den Frauen
       der Zugang zu Fußballstadien verboten werden, fragte er.
       
       Die scharfen Kleidungskontrollen durch Sittenwächter sollten unterlassen
       werden. Ahmadinedschad kümmerte sich nicht mehr um die Beschlüsse des
       Parlaments und der Justiz, reiste von Provinz zu Provinz, von Land zu Land
       und machte für sich Werbung.
       
       Damit aber nicht genug. Um auch dem Glauben seine Treue zu erweisen,
       erklärte der Präsident, er folge allein den Anweisungen des Verborgenen
       Imams, der nach schiitischer Vorstellung eines Tages zurückkehren und
       Gerechtigkeit auf Erden walten lassen wird. Er sei dafür auserwählt, die
       Rückkehr des Imam vorzubereiten.
       
       ## Kampfansage an die Geistlichkeit
       
       Das war eine direkte Kampfansage an die Geistlichkeit, die sich als
       Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen betrachtete. In der Konsequenz
       bedeutete dies eine Islamische Republik ohne die Geistlichkeit. Tatsächlich
       wurde ihr Einfluss unter Ahmadinedschad spürbar zurückgedrängt.
       
       Das war eine Provokation für die religiösen Instanzen, allen voran den
       Revolutionsführer, sowie große Teile der Konservativen. Sie bezeichneten
       Ahmadinedschad und seine Anhänger als „Abtrünnige“ oder „Abweichler“, die
       den Islam und den Gottesstaat zu untergraben versuchten. Das islamische
       Lager bröckelte.
       
       Ein Sieg der Anhänger Chameneis scheint dennoch so gut wie sicher. Somit
       wird die Islamische Republik in der nächsten Zeit von einer noch kleineren
       Basis im Parlament getragen.
       
       Eine Minderheit, so zeigt die Geschichte, kann sich jedoch nur mit Gewalt
       an der Macht halten, und dies umso mehr, als die brennenden Probleme des
       Landes, die katastrophale Wirtschaft, die himmelschreiende Korruption und
       nicht zuletzt der zunehmende Druck von außen kaum noch zu bewältigen sind.
       
       1 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bahman Nirumand
       
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