# taz.de -- Eisschnelllauf-Weltcup: Die Dritte auf der Ehrenrunde
       
       > Beim Weltcup in Berlin erfreut sich Claudia Pechstein an ihren Leistungen
       > und an ihrem neuen Ü-40-Rekord. Genervt ist sie von den vielen
       > Dopingproben.
       
 (IMG) Bild: Freut sich, lässt sich gerne Feiern, droht unliebsamen Fragern mit Klagen: „Claudi“ Pechstein.
       
       Manch einer hatte in der Mixed Zone der Berliner Eislaufhalle die simple
       Hoffnung, es möge bald vorbei sein. „Irgendwann muss doch auch diese
       Karriere enden“, stöhnte einer der Reporter, als er die letzten Monate und
       Jahre der Causa Claudia Pechstein Revue passieren ließ. Ein anderer
       witzelte: „Die wird auch bei Olympia 2018 in Pyeongchang noch dabei sein.“
       
       Die Flucht in die Polemik ist vorerst auch das Einzige, was bleibt:
       Pechstein drohte zwar zuletzt weiter mit Klagen, zu konkreten Vorfällen in
       der Dopingaffäre um den Erfurter Mediziner Andreas Franke aber äußert sie
       sich weiter nicht.
       
       Dabei war Pechstein selbst bester Dinge beim Weltcup-Finale am Wochenende
       in Berlin: Dritte wurde die 40-jährige am Freitag beim 3.000-m-Rennen des
       Weltcup-Finales, hinter Martina Sablikova und Stephanie Beckert. Einen
       knuffigen, großen „Claudi“-Schaumstoffhandschuh trug sie durch die Halle
       und feierte sich: „Wieder ein neuer Weltrekord in der Altersklasse über
       40.“
       
       Auch im Gesamtweltcup der Langstrecken kam sie als Dritte auf das Podium.
       Über die 1.500 Meter am Samstag startete sie nicht, sie feuerte nur
       Teamkollegin Jenny Wolf bei deren Finale an. Relevante Äußerungen zur
       Dopingaffäre aber waren von ihr nicht einzuholen.
       
       Das System Pechstein ist hermetisch. Pechstein redet nur mit ausgewählten
       Journalisten, Gespräche mit der taz, der Süddeutschen Zeitung und der ARD
       lehnte sie zuletzt ab. Versuche, mit Claudia Pechstein über ihre
       Blutbehandlungsmethoden ins Gespräch zu kommen, enden entweder bei Manager
       Ralf Grengel oder bei ihrem Lebensgefährten Matthias Große.
       
       ## Medien wird mit Strafanzeige gedroht
       
       Von dessen Seite hieß es am Rande des Weltcups, für die taz sei seine
       Lebensgefährtin nicht zu sprechen. Weiter hart schießt man in Richtung der
       Kritiker, auch vonseiten Großes: Man sähe sich immer zweimal, sagte er
       sinngemäß. Sei der Fall Pechstein geklärt, würden diese verstummen.
       Pechstein selbst hatte jüngst die Nada („zu blöd“) scharf angegriffen und
       der ARD – namentlich Hajo Seppelt und Uli Loke – mit Strafanzeige gedroht.
       Zu der Frage, ob und wie sie ihr Blut von Dr. Andreas Franke behandeln
       ließ, sagte sie: „Das spielt überhaupt keine Rolle!“
       
       Franke hatte in Erfurt das Blut von Athleten mit UV-Licht bestrahlt –
       einige Mediziner glauben, dass Sportler durch die verstärkte
       Mikrozirkulation des Blutes leistungsfähiger werden. Franke besteht indes
       darauf, das Blut nur aus Schutz vor Infekten mit UV-Licht bestrahlt zu
       haben. 28 Athleten soll er behandelt haben. Derzeit laufen
       Nada-Ermittlungsverfahren gegen Radprofi Jakob Steigmiller und gegen
       Pechsteins Kollegin Judith Hesse.
       
       ## Zweifelhafte These
       
       Schon nach dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) von 2004 ist
       Blutdoping mit eigenem oder fremdem Blut verboten. Im Wada-Code von 2011
       erweiterte man das ohnehin schon geltende Verbot in einem Extrapunkt.
       Pechstein aber behauptete, die Methode sei bis Ende 2010 erlaubt gewesen
       ([1][die taz berichtete]). 
       
       In ihrem Statement zu ihrer Dopingsperre schrieb sie im Juli 2009: „Es
       wurde nie etwas gefunden, weil ich nie etwas Verbotenes genommen habe, mir
       nie Fremd- oder Eigenblut zugeführt habe.“ Eine natürliche Anomalie der
       Retikulozyten – das sind die jungen roten Blutzellen – sollte schuld sein
       an Pechsteins verdächtigen Werten. Laut dem Nürnberger Pharmakologen Fritz
       Sörgel, der an der Anomalie-These zweifelte, schwanke auch durch
       UV-Behandlung der sogenannte Reti-Wert.
       
       Derweil drehte Pechstein eine Ehrenrunde in Berlin. Dass sie hinter
       Stephanie Bechert nur noch zweitbeste Deutsche ist, ficht sie angeblich
       nicht an: „Das ist mir völlig egal.“ Im Duell gegen die Erstplatzierte
       Martina Sablikova war sie chancenlos. Pechstein will im nächsten Jahr auf
       jeden Fall noch laufen. „Jeder Podiumsplatz ist für mich ein Sieg“, sagte
       sie. Und dem Berliner Kurier vertraute sie an, sich nicht wirklich auf das
       Rennen in Berlin freuen zu können – wegen der vielen Dopingkontrollen.
       Vielleicht aber haben ja auch die irgendwann ein Ende.
       
       11 Mar 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Daily-Dope-537/!86987/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Uthoff
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) DAILY DOPE (546): „Der Nationalsozialismus war kein Zufall“
       
       Während die Erfurter Affäre um Pechstein andauert, regt sich in Österreich
       ein alter Bekannter. Der verurteilte Langlauftrainer Mayer bastelt an der
       eigenen Opferrolle.
       
 (DIR) Sportheld der DDR und Dopinggegner: Einfach immer noch ein Ossi
       
       Hans-Georg Aschenbach ist gegen Doping. Früher war der Skispringer selbst
       gedopt. Sein Gold habe er sich trotzdem verdient, sagt der Olympiasieger
       von 1976.
       
 (DIR) Kolumne American Pie: Armstrong das gefeierte Ekel
       
       Ein schmutziges Comeback: Lance Armstrong ist jetzt Triathlet. Die
       Veranstalter sind begeistert. Die Dopingvergangenheit des
       Tour-de-France-Seriensiegers interessiert nicht.
       
 (DIR) DAILY DOPE (542): Gedopter Sportler im Glück
       
       Ein des Dopings überführter Baseballspieler darf wegen einer Regularie
       vorerst weiterspielen. Die amerikanische Major League ist "not amused".
       
 (DIR) Pechsteins Grundstück durchsucht: Wenn man schon so heißt
       
       Bei Claudia Pechstein läuft einfach alles schief. An ihrem Geburtstag
       durchsuchte die Polizei ihr Grundstück nach Waffen, die den Hells Angels
       gehören sollen.