# taz.de -- Gleiche Chancen: Quereinsteiger nicht erwünscht
       
       > Wenn es um Männermangel in Kindertagesstätten geht, wird viel geredet und
       > wenig getan. So fehlt eine berufsbegleitende Ausbildung zum Erzieher.
       
 (IMG) Bild: Ein seltenes Bild: Die Kinder sitzen ruhig am Tisch. Und der Erzieher ist ein Mann.
       
       Wenn Frank Meyer* etwas darüber liest, dass der Männeranteil in
       Kindertagesstätten erhöht werden soll – Bremen gehört mit gerade einmal 6,8
       Prozent zur Spitzengruppe – wird er wütend. „Nichts als
       Lippenbekenntnisse“, sagt der 40-jährige Diplom-Sozialwissenschaftler, der
       als Verkäufer arbeitet, aber gerne auf Erzieher umsatteln würde. Doch dafür
       müsste er finanzielle Risiken in Kauf nehmen.
       
       Denn obwohl auch das Bundesfamilienministerium gerade wieder vor einer
       Woche verkündet hat, auf Quereinsteiger zu setzen: In Bremen ist dies
       faktisch unmöglich. Die einzige Möglichkeit für Meyer wäre, sich arbeitslos
       zu melden und zu hoffen, dass die Arbeitsagentur einer Umschulung zustimmt.
       Oder – das haben ihm Mitarbeiter von Behörden geraten – er könnte ein
       mindestens einjähriges Praktikum machen, weil es für Berufserfahrene gleich
       mehrere Wege gibt, die staatliche Anerkennung zum Erzieher nachzuholen.
       
       Beide Optionen kämen für ihn nicht in Frage, sagt Meyer. „Das kann ich mir
       mit Kind einfach nicht leisten.“ Zumal das Einstiegsgehalt für Erzieher mit
       rund 1.300 Euro netto nicht so hoch sei, dass sich Investitionen rechnen
       würden. Hinzu kommt, dass die Umschulung in Bremen nur noch zum
       Sozialassistenten angeboten wird, sodass Meyer anschließend nicht nur das
       vorgeschriebene einjährige Anerkennungspraktikum absolvieren müsste.
       Sondern danach noch eine Weiterbildung zum staatlich anerkannten Erzieher –
       eine Gehaltsstufe überm Sozialassistenten.
       
       Bremen ist nicht das einzige Bundesland, das Berufstätigen den Quereinstieg
       versperrt. „Jede Woche melden sich solche Männer bei uns, im
       Familienministerium oder vor Ort in den Ländern“, sagt der
       Diplom-Psychologe Tim Rohrmann von der Koordinationsstelle „Männer in
       Kitas“, die vom Bundesfamilienministerium finanziert wird. Vor rund
       anderthalb Jahren hätten viele Medien über die Initiativen des
       Familienministeriums zur Erhöhung des Männeranteils in Kitas berichtet.
       Seitdem hätten hunderte Männer, so schätzt er, gemailt oder geschrieben.
       Nicht alle seien berufstätige Hochschulabsolventen wie der Bremer Meyer,
       sagt Rohrmann, aber es sei auffällig, wie viele sich für einen
       Berufswechsel interessieren würden. „Manche haben einen gut bezahlten Beruf
       wie beispielsweise ein Banker, der sagte, er würde einfach gerne eine
       sinnvolle Arbeit machen.“ Das Problem: „Die sind nicht mehr 20, viele haben
       Familie und bräuchten ein berufsbegleitendes Angebot.“
       
       Das findet auch Sybille Böschen, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende
       der SPD in der Bremischen Bürgerschaft. Ein Männeranteil von 6,8 Prozent
       sei ganz klar „ausbaufähig“, sagt sie. Dafür müsse man zum einen junge
       Männer für den Erzieherberuf motivieren, aber zum anderen auch älteren
       einen Berufswechsel ermöglichen.
       
       Doch ein solches Quereinsteiger-Programm muss auch finanziert werden. Zwar
       gebe es derzeit auf Bundesebene darüber Gespräche, sagt Rohrmann von der
       Koordinationsstelle „Männer in Kitas“. Es sei aber noch offen, wie und wann
       diese ausgehen werden. Erste Modelle gebe es vor allem in Bundesländern, in
       denen, anders als in Bremen, der Fachkräftemangel jetzt schon spürbar ist.
       
       Nicht immer erfüllen diese aber die Anforderungen von Rohrmann und seinen
       Kollegen. „Wir wenden uns gegen Schnellausbildungen, bei denen die
       pädagogische Qualität zu kurz kommt“, heißt es auf der Homepage von „Männer
       in Kitas“.
       
       Für problematisch hält Rohrmann, der sich seit 17 Jahren mit dem Thema
       geschlechtergerechte Kindergärten beschäftigt, dass einige Bundesländer den
       Erzieher-Nachwuchs einseitig aus Haupt- und Realschulen rekrutieren. „Wenn
       wir die Wichtigkeit der frühen Bildung in der Kita betonen, etwa bei der
       Sprachförderung, dann müssen Erzieher und Erzieherinnen auch entsprechend
       qualifiziert sein.“
       
       In Bremen kontert die für die Kindergärten zuständige Sozialsenatorin Anja
       Stahmann (Grüne) solche Überlegungen mit dem Satz: „Nicht jeder Mensch wird
       mit Abitur geboren.“ Wie berichtet, lässt Rot-Grün die
       Ausbildungsverordnung für ErzieherInnen überarbeiten.
       
       Während andere Bundesländer das Abitur zur Voraussetzung für den Beruf
       gemacht haben, will Bremen statt der Erzieherin die schlechter bezahlte
       Sozialassistentin als zweijährige Ausbildung nach der mittleren Reife
       einführen.
       
       Auf diese Weise, so stellt es eine Vorlage der Sozialsenatorin aus dem Jahr
       2010 dar, würden SchulabgängerInnen aus bildungsfernen Schichten erreicht
       und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt.
       
       Und noch etwas steht in dem Papier, das nach Protesten zunächst
       zurückgezogen worden war: Mehr Männer würden so für den Beruf gewonnen
       werden. Voraussichtlich im Mai soll über das Vorhaben entschieden werden,
       sagte am Freitag die SPD-Politikerin Böschen.
       
       11 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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